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"Ist’n schönes Land, aber sie haben’s gestohlen, schon vor langer Zeit. Wenn ihr die Wüste hinter euch habt, kommt ihr in das Land, was um Bakersfield ‘rum liegt. Und ihr habt noch nie so’n schönes Land gesehn. Lauter Weingärten und überall Obst – wirklich das schönste Land, was ihr euch denken könnt. Und ihr fahrt an guten, fetten Feldern vorbei, und die Felder liegen brach. Aber ihr könnt nichts haben von den Feldern. Die gehören der Land-und Vieh-Gesellschaft. Und wenn sie die Felder nicht bearbeiten wollen, dann lassen sie’s eben bleiben. Aber wenn ihr auf die Felder geht und euch da ‘n bißchen was anbaut, stecken sie euch ins Gefängnis."
[John Steinbeck, "Früchte des Zorns" (1939) ]

Zu jeder Zeit wurde Land genommen, und noch heute ist Grundbesitz vielleicht der Hauptindikator für Wohlstand. Die Tragweite des Prinzips “Landnahme” geht aber viel weiter. Wie der oben zitierte Abschnitt zeigt, geht es um Verfügungsgewalt, im Zweifel zählt diese in Form purer Willkür mehr als der Hunger, das Überleben der Besitzlosen.

Mein Luxus, dein Hunger

Soziale Unruhen drohen überall dort, wo das Verhältnis der Verfügungsgewalt Weniger zu den unbefriedigten Bedürfnissen Vieler nicht mehr austariert werden kann. Hungerrevolten sind durch das stärkste Militär nicht zu verhindern, Ungerechtigkeit und Unfreiheit können zu ähnlichen Aufständen führen. Wer nichts zu verlieren hat, vergreift sich an denen, bei denen die Gewinne landen.

Unfriede herrscht nicht erst bei Ausbruch der Krawalle, und Unfreiheit ist nicht erst gegeben, wenn die Handschellen klicken. Wer freilich glaubt, "Freiheit" sei das Recht auf Privatbesitz, kann so etwas nicht verstehen.

Ungerechtigkeit ist vor allem dann erträglich, wenn für die Betrogenen noch so viel übrigbleibt, dass sie sich damit einrichten können. Ein solches System funktioniert dann am besten, wenn die wirklich Elenden mit Kriegen beschäftigt werden und der Rest der Welt sich in Profiteure und geduldig Abhängige einteilen lässt.

Zu allen Zeiten sind selbst die verzweifelt Engagierten trotz des Einsatzes all ihrer Fertigkeiten verhungert. Und wo sie überleben dürfen, womöglich sogar ein Smartfon haben, müssen sie die Schuld ihres Versagens tragen, wenn man sie nicht mehr ausbeuten kann. Ernsthaft wirft man ihnen vor, auf Kosten anderer zu leben.

Privateigentum

Auf der anderen Seite steht eine Klasse, die sich dank ihrer Verfügungsgewalt nicht nur die Früchte der Arbeit von Millionen aneignet. Sie enteignet sie auch für alle Zukunft. Sie hält Patente, kauft Unternehmen auf, zerschlägt die Konkurrenz, nimmt Einfluss auf die Gesetzgebung, besticht, bespitzelt und manipuliert die Medien. All dies ist keine Folge der Erbsünde, sondern ein täglicher Landraub, der den Vielen die Chancen nimmt und den Wenigen und ihren Erben ihre Macht sichert. Das ist Eigentum.

Eigentum hat nichts zu tun mit der Zahnbürste, der Hose oder selbst dem Dach überm Kopf. Das braucht jeder, das soll jeder haben, das macht einem niemand streitig. Dafür zahlen zu müssen, ist schon absurd. Privateigentum bedeutet Eigentum an Produktionsmitteln. Es bedeutet die Aneignung der Arbeitsleistung anderer. Es bedeutet, ein System zu erhalten, in der wenige auf Kosten der Massen unerhört reich sind. Lohnarbeit und Geldwirtschaft sind die Säulen dieses Systems. Eine solidarische Gesellschaft kennt kein Eigentum.

 
dt

Das Manöver des Bundeskanzlers Scholz ist bemerkenswert. Man hätte es ihm nicht zugetraut, überhaupt zu regieren, geschweige denn, von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch zu machen, dann noch einen Minister zu feuern und ausgerechnet Lindner. So viel zum unterhaltsamen Teil.

Scholz ist zwar als Charakter nicht annähernd so interessant wie Trump, aber inzwischen ebenso unberechenbar. Als Kanzler fand er nicht statt, niemand kannte seine Meinung zu Themen der Regierungspolitik, aber jetzt handelt er plötzlich. Die gelieferten Gründe muss man allesamt anzweifeln. Die Frage ist, inwiefern das Ganze wirklich mit der Ukraine zu tun hat.

Nützliches Gemetzel

Wie steht er wirklich zum Krieg? Dass er sich von Biden und seinen Neocons hat vorführen lassen, war ungemein peinlich und ist kaum ohne Scholzens Erpressbarkeit zu erklären. Obendrein mit den Grünen Kriegshetzern an seiner Seite, insbesondere der eifrigen Plapperministerin des Äußersten, war er bislang auf die Unterstützung der US-NATO festgelegt.

Das könnte jetzt vorbei sein; gleichwohl braucht er den Krieg als Grund für seine Finanzpolitik. Das Problem Ukraine wird sich – so dürfte er hoffen – bald erledigt haben, das Geld steht aber dann für seine Pläne zur Verfügung. Er hat also die Gelegenheit genutzt, noch schnell die unsägliche 'Schuldenbremse' auszumanövrieren, ehe der Krieg vorbei ist.

Dass dies bald der Fall sein wird, dafür sprechen die Regierungsübernahme von Trump und die Situation an den Fronten. Die Ukraine mag das noch mithilfe der wertewestlichen Hassprediger hinauszögern, etwa, indem sie noch mehr Menschen sinnlos bei Angriffen auf die russische Peripherie verbrennt. Niemand von Verstand zweifelt aber mehr daran, dass für sie der Krieg verloren ist.

Von der Kette

Für Scholz kann sich das alles rechnen: Er muss von der Linie der Vasallentreue nicht abweichen (vor allem, solange die Neocons noch ums Weiße Haus turnen), er kann simulieren, eigene Entscheidungen zu treffen, er kann den finanziellen Spielraum vergrößern und seine Wahlchancen verbessern.

Dass er obendrein einen Buddy aus dem Wirecard-Desaster zum Finanzverweser macht, spircht dafür, dass er sich offenbar befreit fühlt von der Drohung, über die kriminellen Machenschaften der Vergangenheit noch zu stürzen. Der Wirtschaftsplan bleibt derweil der eines Spätkapitalismus auf den Weg in den Faschismus. Die Ausländer sind Schuld an jeder Misere und als Aufbauprogramm bleibt nur mehr sinnlose Aufrüstung.

Tröstlich dabei ist nur die Erkenntnis, dass Deutschland und Europa den Anforderungen an eine Mindestverteidigung Jahrzehnte hinterherhinken und Russland allein schon der ganzen NATO die Stirn bietet. Es geht also eher nicht um das Ziel, Kriege zu fördern, sondern darum, aus Steuern und Schulden eine nutzlose Scheinwirtschaft zu päppeln.

 
dt

Das ehemalige (einige Ältere erinnern sich noch) Nachrichtenmagazin ist im "Schock". Warum? Weil das eingetreten ist, was jeder, der sich nicht von seinem Fanatismus hat in die Ahnungslosigkeit abführen lassen, erwartet hat. An der Ericusspitze geht die Sonne plötzlich im Osten auf.

Wenn man einem Konglomerat angehört, das die Medien völlig beherrscht, sodass die Realität schon weit vor ihren Toren kapituliert, ist man immer wieder überrascht, wenn er ihr zufällig doch einmal begegnet. Macht aber nix, vor der nächsten Runde der Goldfische ist das längst wieder vergessen. Das Leben kann so ungemein spannend sein.

Keine Ahnung von nichts

Umso bemerkenswerter, dass selbst jene, die als alternativ gelten wollen, sich die Splitter aus demselben Holzweg in die Füße latschen. Sei es dieser Neuber, der eine Reihe von Klischees auftürmt oder ein Rötzer, dem nur beim Orangenmann auffällt, dass da wer ein Problem mit der Wirklichkeit hat. Echt jetzt, bei den anderen alles im Lack? Na dann prost!

Es gibt viele Details, die zu kurz kommen in den Betrachtungen, so etwa die Frage, ob eine dunkelhäutige Frau die Richtige ist, um eine elitäre Charge zu repräsentieren und den mächtigsten Mann der Welt zu spielen. Den Mümmelgreis haben sie derweil schneller vergessen als er selbst alles andere, und es sind seine Wähler, die nicht mehr mitgemacht haben.

Die Politik der Neocons, die in Europa von ihren Kapos weiterhin gefeiert und angehimmelt werden, ist auf ganzer Linie gescheitert, und es mag wohl sein, dass ihre Anhänger das inzwischen merken. Freiheit, Menschenrechte, das Gute – aus Afghanistan getürmt, in die Ukraine einmarschiert, das Abschlachten der Ölaugen durch die Netanjahus bedingungslos gedeckt und dabei je die eigene Wirtschaft vor die Wand gefahren. Das Sahnehäubchen: Wer dabei nicht mitjubelt, ist Nazi, pfui und böse. Das soll jetzt wen genau überzeugen?

Das Ende ist nah

Es gibt deutliche Unterschiede zwischen Europa und den USA, vor allem die konkrete Organisation der Unterdrückung durch Armut. Am Ende aber kannst du das Internet auch komplett verbieten, die Leute merken trotzdem, wie viel Monat am Ende des Geldes übrig ist, und finden es zum Kotzen, wenn sie noch Steuern dafür bezahlen sollen, dass korrupte Nazigangs am Arsch der Welt sinnlose Kriege führen. Da hilft nur eins: Diesen Verführten ihre Meinung gänzlich verbieten. Sonst regieren nachher noch die Faschisten.

Aber so ist das jetzt im Amerikaland, und als nächstes wird die AfD irgendwo in Deutschland regieren. Die Hölle tut sich auf. Wir werden erleben, dass Migranten beim Versuch der Einreise ertrinken. Wir werden Zensur, Unterdrückung und wirtschaftlichen Niedergang erleben. Die Armen werden ärmer, die Reichen reicher. Und Putin lacht sich ins Fäustchen.

 
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Ich möchte es einfach einmal aufschreiben, weil es mich nervt. Es sind keine neuen Erkenntnisse, es ist nicht vollständig und auch nicht die Quintessenz, vielmehr sind es ein paar Binsenweisheiten, die man beachten muss, um sich nicht zum publizistischen Vollhorst zu machen. Kann aber scheinbar niemand mehr. Die Journaille, die sich für ihr grottiges Ejakulat noch mit Medaillen behängt, ebenso wenig wie die ach so alternativen Fuzzis aus jedem Krawallblog, die glauben, es genau so gut zu können. Dabei könnten die wenigstens an der Stelle, wo sie damit recht haben, einmal kurz innehalten.

Es gibt so einiges, das ist von der Sorte 'Tut man nicht', und das heißt so, weil man es nicht tut. Das ist zum Beispiel abschreiben. Tut man nicht. Niemals. Wenn ich eine Meldung lese, habe ich der gefälligst zu misstrauen. Wenn sie nicht in mein Weltbild passt, bin ich misstrauisch, weil ich mir das nicht zufällig zusammengebaut habe. Ich halte Dinge für wahr, möglich, wahrscheinlich, unwahrscheinlich, unmöglich oder unwahr. Was da weiter rechts angesiedelt ist, macht mich stutzig.

Cogito ergo sum

Wenn ich etwas erfahre, das mein Weltbild stark bestätigt, – HALLO, ZUHÖREN! – dann macht mich das stutzig. Weil ich mir nicht traue. Ich bin ein Mensch, ich habe Neigungen, die meinen Verstand beeinträchtigen. Kritisch bin ich, wenn ich mich selbst anzweifle. Was mich bestätigt, hat daher geprüft zu werden, als sei es unmöglich. Gibt es noch andere Quellen? Hat meine einen Grund, das so und nicht anders darzustellen? Haben die, auf die ich mich beziehe, schon einmal gelogen? Ja, das ist ein anderes Geschäft als irgendwen zu zitieren, nicht wahr? Da ist der Copy and Paste-Hanswurst schon lange fertig, wo die Arbeit eigentlich beginnt.

Propaganda zum Beispiel, macht man nicht! Wenn ich eine öffentliche Meinung verstärke, dann ist das Propaganda, nichts anderes. Wenn die Medien voll sind mit Meldungen, dass Loriot ein furchtbarer Schurke ist, dann habe ich alles Mögliche im Sinn, aber nicht zu erzählen, wie furchtbar der Superschurke Loriot ist. Ich schreibe keine Anti-Loriot-Appelle¹, niemals, denn das ist Propaganda. Ich äußere mich niemals über Schurkereien von Loriot, die ich nicht für zweifelsfrei bewiesen halte, denn das wäre üble Propaganda. Im Gegenteil habe ich den Anspruch, nur etwas zu sagen, wenn es eine Sache aus einer neuen Perspektive beschreibt oder neue Fakten enthält. Sei es auch nur mein Ärger, dann habe ich das aber genau so deklarieren.

Womit wir bei Transparenz sind: Das Einzige, das nicht zur Informationspflicht gehört, sind Quellen, deren Wohlergehen sonst gefährdet wäre. Alles andere wird offengelegt, vor allem von mir selbst: was mich bewegt, warum ich etwas sage, wie ich denke, wie ich dazu komme, was mich treibt, wer mich beeinflusst, wer mich bezahlt. Alles andere läuft auf Propaganda hinaus. Ich kann mich auch irren, dann sage ich auch das, und zwar sobald ich meinen Irrtum feststelle. Das ist ganz einfach, wenn man sich selbst nicht für wichtiger hält als die Nachricht oder den Kommentar.

Das Urteil

Womit wir abschließend bei dem sind. Ein Kommentar darf fast alles, aber nur, wenn das da oben beachtet wird. Sonst ist er Propaganda. Der Kommentar ist die höchste Kunst, die das höchste Risiko birgt, in miserabelste Propaganda abzurutschen. Ein Kommentar ist ein Urteil, meist sogar eine Sammlung von Urteilen. Die lässt man nicht ab, wenn man sich nicht in die blutigen Abgründe des Zweifels begeben hat. Was zweifelhaft ist, muss zweifelhaft bleiben, der Rest ist die Wahrheit. Wenn einer dann ein verurteilter Hanswurst ist, darf man ihn so nennen. Wenn etwas skandalös ist, darf man Konsequenzen fordern.

Aber gerade hier gilt: Wenn ich mich geirrt habe, muss ich meinen Irrtum lauter beklagen als ich vorher andere angeklagt habe. Ich muss deutlich machen, dass, worin und warum ich mich geirrt habe. Ich muss mir und anderen die Gelegenheit geben, aus solchen Fehlern zu lernen, und ich selbst habe die verdammte Pflicht dazu.

So, und dann sagt mir mal, wo diese Maßstäbe gelten? Ich weiß, es ist traurig, aber wenn wir sie aufgeben, bleibt irgendwann nichts mehr außer Hetze und Geschrei.

¹: Für Schlaumeier ergänzend angemerkt: selbstverständlich schreibe ich auch keine Pro-Appelle oder Elogen jedweder Art. Muss ich erwähnen, dass das Propaganda wäre?

November 2014

 
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Ein Blogger schrieb vor Jahren einmal, wenn die Bioläden im Kiez auftauchen, sei es Zeit, seinen Umzug zu planen. Als nächstes kommen die Schwaben Lastenfahrräder, dann die Grünen und die Linken, dann die Mieterhöhungen und dann die Säuberung von den Ureinwohnern. Wer von denen noch bleibt, wird rausgeekelt, weil sie alle rechts® sind.

Ein ähnlicher Prozess betrifft die Redaktionen, bei denen, die die Stirn haben, sich Journalist:*_Innen zu nennen. Man kann das derzeit mit adäquatem Ekel bei Telepolis beobachten, wo nicht nur zunehmend Atlantiker ihren Propagandamüll auskippen, sondern sie jetzt auch noch Lifestyle-Gülle verklappen: "Joggen leicht gemacht: So überwinden Sie mentale Blockaden" R.I.P.

Wenn die Lastenräder kommen

Nun, wie kömmt derartiges? Einen deutlichen Hinweis gibt eine Umfrage unter Journalisten, in der 41% der Befragten sich als Grünen-nah bezeichnen und weitere 16% als SPD-nah. Fast zwei Drittel hängen also den atlantisch-woken Umfallerparteien an. Dabei muss man noch beachten, dass die 23% der Überparteilichen mit Vorsicht zu genießen sind, da diese Antwort aus Opportunismus gegeben worden sein kann.

Auch der Altersschnitt (46) ist interessant. Er liegt mitten im Spektrum der Spanne zwischen 25 und 67. Gehen wir von einer Normalverteilung aus, liegt das Gros also ebenfalls zwischen 40 und 50. Selbst die Ältesten aus dieser Gruppe kennen die Grünen nur mehr als Mix aus Ost-Protestanten und Atlantiker-Wessis; inhaltlich als die Partei der Laufzeitverlängerung, Angriffskriege und Hartz IV.

Ich weise immer wieder darauf hin, dass es keine gute Idee war, den Kannkeinmathes und verwöhnten Mittelschichtsgören den Journalismus zu überlassen. Das sind übrigens keine Linken, auch das in Endlosschleife: Links ist Klassenkampf für unten, nicht das Gegenteil.

Kein Wünschdirwas

Würde ich mir als linker Klassenkämpfer eine Redaktion unter Leitung des säzzers backen, hätte ich natürlich zuerst diejenigen, die schreiben können – prägnante, stilsichere Texte, aus denen ich etwas lerne oder nach deren Lektüre ich mir zumindest Fragen stelle. Sicherlich keine Geschichten, die mich einlullen. Eine Seltenheit in der echten Welt.

Politisch würde ich sie eher mit Konservativen besetzen, die mich von ihrer Sicht überzeugen oder es zumindest versuchen müssten. Was niemand braucht, sind Schwurbler, die schreiben, was die Chefs hören wollen, und die ihre Leser mit Geschichten für Kleinkinder versorgen.

So viel zum Wünschdirwas. Wieder in der echten Welt, hat das BVerfG just geurteilt, dass das BAföG nicht den Lebensunterhalt sichern muss. Die Praxis hält schon lange die Proleten von den Unis fern und wird in Zukunft noch zuverlässiger dafür sorgen. Deren Interessen kennen wir dann als die von Nichtsnutzen und Faulpelzen.

 
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Ich stehe am Rand des Ballsaals in der Ericusspitze, gleich am Eingang zum Relotius-Raum. Das Licht fällt durch die hohen viktorianischen Fenster auf die Kristallanhänger der Lüster und wird von dort auf das edle Antlitz meiner Gesprächspartnerin, Petti Kelli, reflektiert.

Sie hat sich von der Tochter eines sehr einfachen Erziehers mit ihrer eigenen Hände Arbeit hochgedient zur Keynote-Speakerin und Duftdesignerin. Für das Poesiealbum des Verlags verfasste sie jüngst den legendären Aphorismus: "Journalisten sind die Philosophen unserer Zeit". Befragt, was sie zu diesem genialen Einfall inspirierte, erzählt sie, wie sie bei ihrer langen und intensiven Recherche deutsche Philosophen aufgesucht hat.

Worauf es ankommt

Bei der Bildersuche wurden ihr unter anderem Adorno, Habermas, Sloterdijk und Precht angezeigt. Mit ihrem verschmitzten Lächeln erklärt sie der gebannten Zuhörerschaft, dass sie analysieren konnte, bestenfalls "Slotterdick", wie sie ihn zärtlich nennt, habe "wenigstens ein tinimini bisschen Stil" gehabt und erst "der Richie Precht" sei annähernd sexy gewesen. Hier vor Ort aber sehe sie die Zukunft, in den Gesichtern der jungen strammen Kerle, die sich ihre ersten Meriten verdienen.

"Vom Tellerwäscher zum Storyteller", merkt ein schlecht angezogener Gast an, den sie mit einem Zucken ihrer Mundwinkel und einer kurzen Kopfbewegung hinaus auf dem Hamburger Asphalt schleifen lässt. Manche Neider können es einfach nicht lassen. Sie schnippt mit dem Finger, die Kapelle spielt auf.

Nach einem furiosen Kurzauftritt, der mit dem wohlverdient tosenden Applaus endet, gesellt sie sich noch einmal kurz zu mir und stellt fest: "Diese Leute sind gut. Richtig gut. Der Hammer diese Woche war das Ding mit der Orgasmusgerechtigkeit." Dabei greift sie sich an die Dose und schiebt mindesten zwei Finger bis zum Anschlag hinein. "Sagen, was geil ist, ne?" Sie packt mir in den Schritt und zerrt mich hinter einen Vorhang. Lesen Sie nächste Woche, warum, wie und was.

 
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Herrn Lindners Zuträger haben ihm eine Idee gegeben: einfach weniger Miete zahlen – für die Faulpelze, die dem Staat auf der Tasche liegen. Jene Faulpelze, die sich ausgerechnet immer dann wie wild vermehren, wenn die Konjunktur eine Delle hat. Kann man mal sehen, wie asozial diese Leute sind.

Also: Nur noch eine Pauschale zahlen. Bei wem die nicht reicht, der muss halt hungern oder umziehen. Da draußen gibt es doch sicher Hunderttausende kleine Wohnungen, in denen man billig leben kann, und die Schmarotzer lassen sich ihre 400 m² in Mitte vom Staat zahlen.

Was das spart

Wenn das alles so klappt, wie sich seine liberalen Hassprediger das vorstellen, kann man sicher auf zehn Jahre gerechnet einen chicen Tarnkappenbomber mehr kaufen, (den keiner sehen kann, weil er nicht fliegt und im Hangar verschimmelt). An dem ist jede Schraube mehr wert als so ein Parasit aus der Faulenschicht.

Die etwas Intelligenteren unter den Vertretern einer biegsamen Menschenwürde begrüßen das, weil es eine widerwärtige Foltermethode ist, mit der man dem Prekariat drohen und es auf diese Art sinnlos, aber einfach stressen kann. Sie sollen Angst haben, von morgens bis abends. Sie sollen sie nicht aushalten können. Sie sollen sich besaufen und bekiffen, um das noch zu ertragen und damit man sie erst recht bespucken kann.

Die Depression der Arbeitslosen ist dabei wiederum nur Mittel zum Zweck, denn es geht um die aktuell noch Versklavten, die beißen und treten, um sich ihr Leben zu verdienen und die auf diese Weise ihre eigene Angst kompensieren. Wir brauchen Sklaven, die Angst um ihr Sklaventum haben. Dass auch die irgendwann anfangen zu saufen, ist eingepreist. Hält das Rad schon auf Touren.

Schade eigentlich

Einzig eine relevante Gruppe könnte das Ganze sehr unschön finden und erfolgreich dagegen opponieren, was ein Kompetenzhänfling wie Lindner auch nicht kapiert: Die Immobilieneigentümer. Obdachlosigkeit ist nämlich ein übles Verlustgeschäft. Nicht nur, weil die schönen Daueraufträge vom Amt ausbleiben, sondern auch, weil das die Mieten drückt. Geht’s noch?

Daher wird also nichts aus der eigentlich doch so kreativen und wundervollen Idee der neoliberalen Leistungsträger und ihrer selbst verschuldeten Vertretung. Dann bleibt ihnen wenigstens auch erspart, dass irgendein dahergelaufener Senat des BVerfG ihnen doch noch erfolgreich erklärt, was Artikel 1 bedeutet. Das wäre nämlich das Ende der FDP.

 
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Als wir mit der Podcast-Reihe "Keine Ahnung" anfingen, dachten wir zunächst an ziemlich eingegrenzte Themen, zu denen wir mehr oder weniger wussten, gern eben auch so gut wie nichts, um einmal auszuloten, was es braucht, um sich als Ahnungsloser auszuzeichnen. In wenigen Fällen war es dann auch so, dass wir dem so weit gerecht wurden und die Sendung quasi rund werden konnte. Meist kam es anders und wir haben nur ein paar Brocken zusammengetragen, etwa zu "Freiheit" "Wahrheit" oder "Realität".

Von allen Themen, an denen wir uns bislang verhoben haben, ist das Thema "Bildung" definitiv dasjenige, dem man auch mit beliebiger Überlänge nicht annähernd Herr wird. Viele Jahre habe ich mich daher dagegen gewehrt, aber zuletzt wurde der Übermut größer und endlich hat Keine Ahnung einmal in unübertrefflicher Deutlichkeit bewiesen, dass wir uns gern und heillos vergaloppieren, kurzum: Wir haben die Versiegelung der Oberfläche nur ein klein wenig angekratzt.

Von der Wissenschaft zur Kunst

Nun könnte man selbstkritisch zur Kenntnis nehmen, dass die Wahl derart weitreichender Themen zwangsläufig zu willkürlichen Ausschnitten und Schwerpunkten führt. Es mag deswegen sogar zu einer stark anekdotischen Betrachtung kommen – einer der ärgsten Feindinnen der Wissenschaft. Wie konnten wir das nur zulassen?

Aber halt, wartet, ihr macht einen Fehler. Lasst mich erklären! Der Anspruch auf Wissenschaftlichkeit im Hause Keine Ahnung gilt ausschließlich für das Denken der Sprecher; keineswegs für deren Beiträge. Fresst das!

Vielleicht aber, was durchaus mehr als bloß ein Trost sein dürfte und worin eine gar nicht so weit hergeholte Wahrheit liegt, haben wir ja eine neue Kunstform erschaffen: das radikal fragmentierte Mäandern. Aber ist das wiederum nicht ein ganz billiger rhetorischer Trick? Keine Ahnung.

Zur großen Show Bitte hier entlang!

Viel Spaß!

 
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Abb.: Synapsenparty

Kollege Tux0r weist freundlicherweise darauf hin, dass sich heute vor 100 Jahren der Surrealismus erstmals manifestierte, unter dem gleichnamigen Titel aus der Tastatur von André Breton. Das epische, mit Verlaub, Gelaber des Herrn blieb dabei weit weniger einflussreich als eine grobe Idee, die aus der Taumtänzerei im Folgenden die Bildende Kunst beeinflussen sollte.

Banausen wissen heute: Surrealismus, das ist das mit den zerfließenden Uhren. Das war dieser Dali. Hochgebildete Partygänger hingegen kennen gar René Magritte und können akzentfrei "Pyrenäeenschloss" sagen. Das ganze Gewusel zwischen Traum, Realität und Psychoanalyse, das als Nebel der Assoziation darum herum wabert, ist schließlich nur mehr Kunstkennern bekannt oder halt jenen, die ihre Bildung nur dazu angehäuft haben, andere mit ihren vermeintlichen Analysen auf die Murmeln zu gehen.

Wirres, Irres, res

So etwas muss ich schreiben – nicht nur um des Zeilenschindens willen, auch, um nicht ohne Verzögerung in die deprimierende Realität eintauchen zu müssen. Wozu haben wir schließlich die Kunst, wenn nicht, um im Duft ihrer Aura den Schaum etwas zu dämpfen, in den man zu derselben Depression hinabtaucht? Tröster, Dichter und Narr.

Weil nämlich, ja doch, ich komme ja schon zur Sache, mir bei der Überschrift spontan nur einfiel: "Ja." So fühlt es sich an, wenn einem das Geschwätz des Politisch-Medialen Komplexes das Blut aus den Ohren treibt. Parallelwelt, Wünschdirwas, Albtraum und Wirrvision – wohlgemerkt als ernsthafte Beiträge zur vermeintlichen Realität feilgeboten und nur mit einem Maß am Drogen zu ertragen, das keinen Spaß mehr macht.

Der Beispiele sind es ja Hunderte, aber der wohltemperierte Deprimeur genießt eines nach dem anderen, der meisterlich gute Menschenverstand bewacht sich gar derart, dass er es bei einem pro Tag belässt. Wohlan, das zum heutigen Jahrestag:

Einer reicht

Friedensfazilität. Welch ein gar vorzüglich albtraumhaftes Ungetüm einer Sprachkreatur, Ausgeburt aus Gegenteiltag und abgründigen Hass auf alles, was den Bezug zur Realität noch nicht endgültig vernichtet und vergessen hat. Die letzte "Faszilität", von der wir heimgesucht wurden, war die "Finanz-Stabilisierungs-Faszilität", ein Vehikel für willkürliche Maßnahmen zur Rettung von Vermögen und Profiten. Aber so kann man das ja nicht nennen.

Jetzt haben wir die mit dem Frieden®. Wo kein Freud je hinkam, haben wir immerhin den Orwell, der uns einmal mehr aushilft. Es geht um Krieg, Mordmaschinen und – Fasziliät eben – um Profite. Der Weltkapitalismus ist im Arsch, im Westen noch im ärscher, also entledigen die Amis sich zuerst der Konkurrenz durch ihre Vasallen. Schüss Europa! Vorher darf dieser unterentwickelte Kontinent aber noch reichlich Kabumm-Plunder kaufen, am liebsten beim Hegemon. Dafür braucht er Geld oder halt eine Fasziliät, die zumindest welches übern großen Teich buchen kann.

Und jetzt alle: Frieden! Freiheit! Menschenrechte! Arbeitsplätze! Werte! Moral! Tugend! Gott! Vaterland! Treue! Ehre! Blut! Boden! Raum im Osten! Wolgograd! Moskowien! Gegen Nazis! Na? Kommt, dagegen ist die Lyrik von Hans Arp doch der reinste Beamtenjargon.

 
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Es muss eine dieser Reden gewesen sein, die ich nur ausschnittsweise durchlitten hatte. Jedenfalls hatte mich das Plappermädchen in eine seltsame Trance geschwafelt, sodass ich mich verfuhr. Eigentlich kenne ich jeden Stein auf diesen Wegen, aber es verschlug mich auf eine Lichtung, die mir völlig unbekannt war und die mir dennoch sehr vertraut erschien.

Ich stand an einem Flussufer und schaute hinunter, wo allerlei vorbeigetrieben wurde. Irgendwie friedlich. Ich fühlte mich von einigen Bürden befreit und setze mich hin. Nicht weit von meinem Platz saß eine Ente, die von einem merkwürdig glitzerndem Staub berieselt wurde. Sie breitete die Flügel aus.

Aus dem Staub erschien allmählich ein Schwan, der über sie herzufallen schien. Das ging eine Weile so, bis der Schwan plötzlich verschwunden war und sie auf einem Stier saß. Ich wurde von seinem Schnauben aufgescheucht und befürchtete für einen Augenblick, er könnte mich bemerken und auf mich zustürzen. Doch wo er eben noch gestanden hatte, schnäbelte die Ente jetzt mit einem … Kuckuck.

Wahnvorstellungen

Es schien eine Art Drogenwahn zu sein. Nicht nur hatte ich Visionen von all diesen Tieren, auch von einer Schlange, einem Adler und einer Ameise. Nicht nur waren da auch eine Wolke und ein Feuer. Sie schien es mit all diesen zu treiben und wand sich vor Wonne. Als ich endlich wieder etwas klarer sehen konnte, saß sie aber tatsächlich bei einer Ente.

Seltsam: Der Erpel war gelb wie eine Quietscheente und sie war schwarz wie die Nacht. Das war immerhin nur seltsam und nicht völlig verrückt, wie die anderen Produkte meiner wahnhaften Phantasie. Gerade wollte ich mich beruhigen, als der Irrsinn doch wieder mein Hirn zermarterte. Die Ente sprach zu mir, ich konnte jedes Wort deutlich verstehen:

"So, mein Lieber, ich hoffe, du hattest deinen Spaß. Normalerweise wärst du jetzt in irgendeinem meiner finsteren Spielzimmer und würdest die Unverfrorenheit büßen, an meinem Fluss zu sitzen – und das, während wir uns hier vergnügen. Aber Toddy hat ein Herz für dich. Dein Glück. Und jetzt verpiss dich, säzzer!"

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