April 2022


 
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Das Narrativ vom bösen Russen, längst in der Verteufelung Putins personalisiert, wird inzwischen von kreischender Kriegspropaganda auf die Spitze getrieben. Was die publizistisch dominierenden Atlantiker im Kern kommunizieren, ist: Alles ist allein Putins Schuld. Der Krieg war unprovoziert, unprovoziert, unprovoziert, unprovoziert und vor allem unprovoziert.

An diesem Hebel hängt dann Deppengeschwätz wie das, eine unschuldige Ukraine hätte Russland weder gefährdet noch provoziert. Alles geschieht aus dem Willen eines Einzelnen heraus. Er hat die Macht, die Kraft und den dämonischen Willen. Wer diesem Kleinkindermärchen widerspricht, gilt damit im falschen, aber offiziell für wahr erklärten Umkehrschluss als Anhänger Putins, Versteher, Verharmloser, Lumpenpazifist. Mit Ihnen werden wir fertig!

Es wird mit allen Mitteln der Propaganda und Zensur verhindert, ausgerechnet angesichts eines Krieges, der zum Weltbrand zu eskalieren droht, auch nur zu differenzieren. Die Sicht einer Kriegspartei, vertreten durch den Feldherrn selbst und seinen in der Wolle gefärbten Nazi eines sogenannten 'Botschafters', wird ungefiltert mehrfach täglich publiziert. Die Sicht, ja, die Propaganda der Gegenseite wird mit eines Rechtsstaats unwürdigen Mitteln unterdrückt.

Geschichtslos bis zur Gegenwart

Es soll nicht einmal die allerjüngste Geschichte betrachtet werden dürfen. Es herrscht der Zwang zu einer monokausalen Weltsicht im Rahmen jenes naiven Humanismus, der eben den Willen von Menschen an die Stelle des göttlichen gesetzt hat. Sein Wille geschehe.

Die Wirklichkeit wird nicht etwa von Kräfteverhältnissen, Ökonomie und Kapitalinteressen geprägt, die wiederum Gesetzen folgen, sondern spiegelt den Willen der Menschen und ihrer demokratischen Vertreter wider. Auf der anderen Seite eben den des dämonischen Diktators. So einfach muss es sein. Wer dem widerspricht, dem wird mit lautem Gebrüll unterstellt, er habe dieselbe primitive Weltsicht, nur andersherum. Er sei ein Jünger des Dämons.

Unprovoziert, ja? Das könnt ihr nicht jemandem erzählen, der die Vorgeschichte erlebt hat. Ich habe mich 2004 sehr gewundert, dass Russland nicht ins Baltikum einmarschiert ist oder zumindest damit gedroht hat. Das war bereits der Anfang einer ungeheuren Provokation durch die NATO, ihres Zeichens bekannt für Angriffskriege und ein aufreizendes Schulterzucken, wenn es ums Völkerrecht geht – um nur ein Detail zu nennen.

Heilige Pflicht

Die "Ukraine"? Was ist das? Ein heiliges Land, in dem "besonnene Helden" wachsen, die sich gegen "das Böse" wehren? Schon die orange Revolution unter der erfreulich korrupten Julija Tymoschenko war eine Provokation von EU und CIA. Die Spitze brutaler Einflussnahme dann der von Faschisten angeführte und einem Milliardär finanzierte Putsch gegen den russlandfreundlichen Janukowytsch. Die Folgen: Acht Jahre Krieg Kiew gegen Ostukraine.

Ein Land, in dem sich die Oligarchen gegenseitig bedrohen. In dem einer einen Putsch finanziert und der nächste eine Truppe von Clowns über eine TV-Serie an die Regierung bringt. Der Oberclown erklärt uns derzeit jeden Tag den Krieg und warum wir ihm Waffen schicken müssen, damit die Russen immer mehr seiner Landsleute umbringen. Krieg ist geil, wenn man der Held im Fernsehen ist und Menschen wie Bauern auf einem Schachbrett opfern kann.

Wirtschaftsinteressen, anyone? Geostrategie? Rüstungsindustrie, deutsche Waffenexporte, Verklappen von Schrott, Aufrüstung und Konjunkturprogramm? Win-win-win-win? Übelster kapitalistischer Zynismus im Gewand einer fucking "Hilfe", und das alles funktioniert prächtig, weil ja der Eine da schuld ist? Na klar, wer da noch differenzieren will, ist Vaterlandsverräter. Auch wenn das gar nicht 'unser' Vaterland ist, aber immerhin 'unser' Feind. Das ist der Putin. Der ist schuld am Faschismus.

 
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Das Beispiel wird hinken, zumal sogenannte "Sanktionen" im Rahmen bestehender Verträge und Abhängigkeiten gern zu nicht geringem Teil Augenwischerei sind. Man tut halt was, um etwas zu erreichen – bis hierher ist das richtig. Allerdings werden Sanktionen nicht verhängt, um einen Staat oder dessen Regierung zu einer Verhaltensänderung zu bewegen. Nein. Das hat es noch nie gegeben.

Sanktionen, insbesondere die des Wertewestens gegen den Rest der Welt, sind Teil des Weltwirtschaftskriegs. Die USA zwingen ihren 'Partnern' dabei mithilfe eines ganzen Eimers an Mitteln ihre Interessen auf und liefern im Gegenzug 'Gründe', mit denen die Willigen ihren Wahlvölkern das als alternativlos aufschwätzen. Es geht dann, wie schon in den Angriffskriegen des Wertewestens, je um Menschenrechte, Frieden und Gerechtigkeit.

Die tun was

Die Wirkung der Sanktionen, zumal die kurzfristige, ist kontraproduktiv bis nicht vorhanden. Langfristig geht es darum, Konkurrenz aus dem Weg zu räumen. Am Rande spielt die Hoffnung auf einen Regime Change eine Rolle, aber das hat noch nie geklappt; im Gegenteil schließen sich die Reihen der Sanktionierten unter den Sanktionen erst recht.

Aber all das soll nur am Rande bemerkt sein. Es geht mir um etwas Anderes, nämlich um die Zerstörung des Restes an Demokratie, die in einem kapitalistischen Parlamentarismus noch übrigbleibt. Die Bürger dürfen keine politische Entscheidung selbst treffen. Was sie eigentlich wollen, wird von einem Cluster an Vertretungsvertretern zu Tode verwaltet, dafür können sie alle paar Jahre einige Namensschilder an den Amtstüren austauschen lassen.

Einzig als Konsumenten haben sie die Wahl, so sie denn flüssig sind. Da können wir dann nehmen, was uns gefällt und was wir bezahlen können. Wer aber hat nun den Hammerwerfern, die uns nicht einmal angedeutet haben, dergleichen zu beschließen, das Mandat verliehen, darüber zu entscheiden, was ich kaufen darf und was nicht?

Der Staat weiß das besser

Wenn doch alle sich so einig sind, dass sie für das Gute und gegen das Böse frieren wollen, dann können sie ja die Heizung abdrehen. Wenn sie meinen, der Russe solle sein Gas behalten, dann können sie es bei Anbietern kaufen, die es von dem nicht nehmen. Endlich kann einmal jeder für sich die politische Entscheidung treffen, die ihm zusagt. Mehr Demokratie geht nicht.

Das aber verbieten sie mir, damit sie es mir am anderen Ende (Versorgungsengpass!) doch wieder aufzwingen, um mir mittel- und langfristig die Gaspreise zu vervielfachen, Frackinggas zu fördern und ein Chaos an den Weltmärkten anzuzetteln, das nur noch mit ihrer nuklearen Vernichtung internationaler Diplomatie zu vergleichen ist. Okay, und mit dem endgültigen Abstieg des Journalismus zur Gossenpropaganda.

Wo sind eigentlich unsere Schönschwätzer von den 'Liberalen', wenn man sie ein Mal gebrauchen könnte? Lasst ihr euch das ernsthaft aufzwingen von diesen Staatssozialisten, dass jetzt ein Scheiß-Bundestag bestimmt, bei wem ihr eure Energie einkauft? Das beleidigt meine Konsumentensouveränität bis ins Mark.

 
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Der Widerstand gegen den neoliberal geprägten Endzeitkapitalismus ist eine Querfront, er ist national und sozialistisch. Noch verlieren sogenannte "Populisten" die Wahlen, aber das wird nicht immer so sein.

Zu viele Menschen sind abgehängt, chancenlos und werden von angepassten Mittelschichtsideologen, die als Kapos im Interesse des Kapitals fungieren, noch gedemütigt. Sie seien faul, hätten es nicht besser verdient, hätten die falschen Meinungen. Ihr kultureller und lebensweltlicher Hintergrund sei falsch.

Bei den ganz einfachen Rechten kommt es so an, dass Schwule, bezahlte Schwätzer jeder Art, Ausländer und Weicheier ihnen vorgezogen werden. Minderheiten aller Art werden gehätschelt, während die normale Mehrheit unterdrückt wird. Sie sind in dieses Weltbild nicht integrierbar.

Nationaler Widerstand

Ergänzt wird diese potentielle Opposition durch einen Vulgärsozialismus, der sich ebenfalls an vermeintlichen Eliten abarbeitet, die alles für sich wollten und dafür ungerechte Steuergesetze erlassen und Verhältnisse einrichten, die allein ihnen dienen. Diese 'Linke' will 'wieder' soziale Gerechtigkeit, gerechte Steuern und echte Chancen für alle.

Eine Linke, die fundamentale Einsichten in ökonomische und damit politische Verhältnisse hat und deren Leitfaden eine umfassende Solidarität ist, gibt es nicht mehr. Die identitäre 'Linke' ist rassistisch, sexistisch und vollkommen blind für die systembedingte Unterdrückung der Massen. Was sich überhaupt noch mit ökonomischen Verhältnissen befasst, hat gar keine Analyse dafür zur Verfügung.

Man trifft sich also auf einem gemeinsamen Boden, wo es gegen die falschen Eliten geht. Vulgärsozialisten und Rechte betrachten sich gleichermaßen – berechtigt – als ausgebeutet und benachteiligt. Da sie von einem personalisierten Politikbild ausgehen und an Willensentscheidungen glauben, wenden sie sich nicht gegen das System, sondern gegen das Personal.

Die richtige Seite

Unterstützt wird diese Querfront durch ein Establishment, das jedes Maß verloren hat. Empörung, Lüge, Hysterie, sogar kriegssüchtige Untergangslust bestimmen den Ton; die Verschwörungstheorien der Mitte werden tumultartig gegen die der Ränder verteidigt. Nichts ist mehr verboten, sofern es als 'richtig' gilt; das Falsche ist auszumerzen, zunächst durch Verbote, Strafen und Netzsperren.

Dagegen hält eine sich allmählich formende Querfront, die sich im Kern aus Überdruss speist. Sie haben die Schnauze voll von der Willkür einer Ideologie, deren Urheber selbst nicht wissen, wie sie zu ihren Einstellungen kommen, dafür aber umso besser, dass sie Recht haben. Die Querfront wird noch einmal befeuert werden, wenn die taktische Zurückhaltung gegenüber der Rechten nicht mehr hält.

 
Moral als Erzählung von Gut und Böse hat jeden Krieg entfacht und nie einen beendet.

 
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Tja.

 
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Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen schmeißen. WHATABOUTISM!! Eigentlich könnte ich es dabei bewenden lassen und das Thema unter "isso" ablegen. Da mir aber zuletzt Heerscharen halbgescheiter Diskutanten damit auf den Ranz gehen, widme ich mich dem einmal eingehender.

Schon der Begriff ist eine Chimäre, die von den Kalten Kriegern des Westens als Vorwurf gegen das Böse aus dem Osten kreiert wurde. Das Ritual ging so, dass Westen in seinen ausschließlich Freiheit, Gerechtigkeit und Weltfrieden dienenden Kriegsbemühungen der anderen Seite stets mit der Menschenrechtsfrage kam, und die machte dann darauf aufmerksam, dass sie sich nicht von brutalen Rassisten belehren lassen wollte, wie sie wen zu behandeln hätte.

Selber, selber!

Die Kunst des Gegenvorwurfs muss man nicht "Whataboutism" nennen, im Gegenteil. Schauen wir uns doch mal an, wie der funktioniert und warum sich nicht jeder von jedem alles anhören muss, am besten in einer Grundschule, in der die eigenen Missetaten von Schülern gern mit denen der anderen 'gerechtfertigt' werden.

Einer wird erwischt, wie er einem anderen den Stiefel gibt, und hält es, darauf angesprochen, für ein valides Argument, das sei schon so in Ordnung, weil ein anderer auch schon einmal mit Händen und Füßen sein Recht erstritten habe. Nein, Kollege Bratwurst, das ist kein Grund. Anderenfalls wäre die Sache mit Kain und Abel ja der Freibrief für Mord und Totschlag. Kann man nicht so machen.

Wenn hingegen nun einer, der selbst gerade eine Oma vor den Bus geschubst und einen Kinderwagen umgetreten hat, härteste Strafen fordert gegen jemanden, der sein Kind ohrfeigt, dann ist es völlig okay, wenn man dem einen Vogel zeigt. Er hat sich für Forderungen im Sinne von Regeln, Sitten und Moral disqualifiziert. Obendrein fällt die Asymmetrie auf: Verführe man so mit den Regeln, müsste er für den Rest seines Lebens im Knast schmoren.

Totschlag für Totschlag

Dies als "Whataboutism" zu bezeichnen, ist falsch, tendenziös und dämlich. Und wenn, um das in den aktuellen Zusammenhang zu setzen, die Angriffskrieger von Vietnam, Irak, Jugoslawien und Afghanistan – um nur einige der Top-Hits zu nennen – im Verband mit ihren willigen Mordkumpanen hysterisch nach mehr Krieg und Sanktionen brüllen, dann kann man nicht, dann muss man ihnen sagen, sie sollen sich ihre unerträgliche Heuchelei dorthin schieben, wo keine Sonne scheint.

Die Chimäre, die stets mit dem Auftrag "Gehe hin und schlachte alle Argumente; lasse keines am Leben!" in Diskussionen geschickt wird, taugt auch in keinem anderen Zusammenhang. "Whataboutism" ist schlimmer als Whataboutism. Es reicht hie der Hinweis, dass ein Unrecht kein anderes rechtfertigt, was aber da kein Grund ist, Konsequenzen nur für andere zu fordern. Wie banal!

 
Jetzt drehen sie endgültig durch und nehmen sich ernsthaft "Realität" als Thema vor. Was kommt als Nächstes? "Ich und der Urknall"? "Als ich Gott schuf, hatte ich schon Chuck Norris im Sinn"? Kann ja nur schiefgegangen sein.

Bitte hier entlang.

Viel Spaß!

 
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"Vorbild beim Teufel", Sittengemälde von Kremlin.ru, CC BY 3.0 , via Wikimedia Commons

Die Grünen haben ihr Design angepasst und den doch etwas quietschigen Ton um einige Nuancen abgedunkelt. "Das ist moderner und steht für Entschlossenheit", betonten einhellig Bundeswirtschaftsminister General der Reserve Habeck und Bundesaußenministerin Generalin der Reserve Anjatanja Borbeck.

Die Partei ist gereift und hat sich von einer Sammlung linker Spinner zu einer verantwortungsvollen Partei der Mitte entwickelt, die voll im Konsens der Demokraten angekommen ist. Ihre frühen Leitmotive, millionenfach plakatiert, waren: "ökologisch, sozial, basisdemokratisch, gewaltfrei".

Gegengewalt ist gegen Gewalt

Wichtigste Voraussetzung für den Platz in der Mitte (Regierung) ist der Nachweis qualifizierter Geschichtsinterpretation. Ihr Meisterstück dazu lieferte Kirchenfunktionärin Katrin Göring-Bindestrich ab, indem sie gleich die eigene verleugnete und das Ganze in rhetorische Hypnose überführte: "Die Grünen haben auch pazifistische Wurzeln, waren aber noch nie eine pazifistische Partei."

Eine Wurzel von gestern eben, und die ist ja per definitionem radikal. "Gewaltfrei" bedeutet freiheitlich-demokratisch, die Welt von der möglichen Gewalt der anderen zu befreien, denn die eigene ist ja keine, da gewaltlos. Demokratische Militäreinsätze dienen dem Frieden. Die aktuellen Leitmotive bleiben unausgesprochen, damit man sie später nicht wieder historisch einordnen® muss. Diese sind: homöopathisch, marktwirtschaftlich, hierarchisch, rüstungsfreundlich.

Bundesaußenministerin Generalin der Reserve Anjatanja Borbeck tut sich derzeit hervor mit immer fanatischeren Forderungen bezüglich eigentlich (26,2 GG) grundgesetzwidriger Waffenlieferungen an eine Kriegspartei. Bundeswirtschaftsminister General der Reserve Habeck als zuvörderst Verantwortlicher und der Rest der Bundeskriegsregierung können allerdings ausnahmsweise, weil der Feind der Feind ist (26,2 GG), das Grundgesetz außer Kraft setzen, da es das selbst so vorsieht.

Klimaneutralisiert

Zudem zeigt sich das Grün in der Regierung flexibel. Atom- und Kohlekraft dürfen kein Tabu sein, wenn sie höherer Moral dienen. Klimaneutralität bleibt gewahrt, indem die Krombacher Brauerei aufgekauft und damit auf einen Schlag der Regenwald gerettet wird. Weltfrieden wird durch überlegene Feuerkraft hergestellt. Das Ganze wird sozial ausgewogen finanziert werden wie schon die Hartz-Gesetze, die den deutschen Sozialstaat vor Überforderung gerettet haben.

So sorgen also schon allein die prominentesten Grünen für eine Freude, die vom eher leisen Rest der Mischpoke zur Euphorie gesteigert wird. Ein Kanzler, von dem keiner weiß, was er will, ob er will, was er sagt, sagt, was er will oder überhaupt noch atmet, wird flankiert von einem Liberalala-Finanzminister in Partylaune. Soll’s noch ein Billiönchen mehr sein? Ist ja nicht für das Pack, sondern für die Rüstungsindustrie. Geiles Zeug, Helau!

Alles in allem ist diese Regierung ein fanatischer Aufruf, in Zukunft nur noch CDU zu wählen. Die sagen wenigstens vorher, dass sie diesen Scheiß gut finden, und die simulierte Opposition® dazu macht sich lustig lächerlich. Oder, wie ich schon in den Kommentaren kundtat: Ich will meine Merkeldiktatur zurück!

Vorzugsweise Bilder von weinenden, verstörten oder traumatisierten ukrainischen Kindern und ihren verzweifelten Müttern belegen nicht die Unmenschlichkeit eines Krieges, sondern die des (russischen) Feindes.

Treffer, versenkt.

 
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Ein wichtiges Element der Religiosität, das sie von reiner Ideologie unterscheidet und sie sehr viel wirksamer macht, ist das aktive Tun bzw. Mittun. Im Sinne der Erlösungs- und Heilslehre werden rituelle Handlungen begangen, die auf magische Weise das Heil herbeiführen, so etwa Frieden durch Frieren. Erst das Tun festigt den Glauben.

Wie bereits erwähnt, liegt dem Verzicht derlei Magie inne, da mit diesem ja ein Sich-Verdienen verbunden ist. Eher noch höher einzuschätzen sind rituelle Handlungen, die mit Mildtätigkeit einhergehen. Altruismus erhöht die Wahrscheinlichkeit höherer Gnade, freilich nur dort, wo es den Guten dient. Das Böse und seine Anhänger gehören ja bestraft, wo nicht vernichtet.

Kollekte und Bekenntnis

Des Weiteren begeht man durch Betrachten und Anhören der heiligen Veranstaltung einen gemeinsamen Akt, wobei einer der Höhepunkte – der auch dem sozialen Status dient – die Kollekte ist. Man gibt den unschuldig Armen und Bedürftigen im Sinne der gemeinsamen religiösen Ziele: Mehren des Guten und Wehren des Bösen. Dies funktioniert in der kirchlichen Messe exakt wie bei der Spendengala.

Auch die Insignien dürfen nicht fehlen. Fisch, Kreuz, Halbmond, Sonnenrad – wie es euch gefällt. In Deutschland verbindet man das gern mit gemeinsamem Gesang und Beflaggung im und auf dem Weg ins Stadion. Politisch sind die Landesfarben aus ritueller Scham weniger beliebt. Umso losgelassener folgt man bei Gelegenheit anderen Farbkombinationen, aktuell Blau-Gelb.

Ganz vorn in der Liste religiöser Elemente steht in der Labergesellschaft zweifelsohne das Bekenntnis. Man legt es feierlich ab, steigert sich gemeinschaftlich zum Pathos über das Gute und einzig Wahre und macht sich auf die Suche nach Abweichlern, Zweiflern und Ketzern. Je nach Hormonfüllstand geht das als Appell, Forderung, Sachbeschädigung oder Lynchmord. Die diesbezüglichen Traditionen sind seit Jahrhunderten ungebrochen.

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