sozialzeugs


   
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Ich habe zu Weihnachten ein T-Shirt geschenkt bekommen, auf den zu lesen ist:
"I don’t argue. I explain why I’m right." Der reale Hintergrund ist hier nicht wichtig, aber es ist auf eine ganz andere Weise etwas daran.

In 'Diskussionen', in denen ich mich nicht zu Scharmützeln hinreißen lasse – diese sind längst sehr selten – gebe ich ein Statement ab, sehe zu, dass es verstanden wird, und lasse mich nicht auf den Austausch von Lametta ein, unter dem der Baum, um den es geht, begraben wird.

Dies bedeutet zweierlei: zweitens, dass eine Sicht der Dinge nicht klüger, besser oder zutreffender wird, wenn man dazu noch Diplome vorzeigt oder versucht, sich gegenseitig zu manipulieren. Erstens, dass ich nicht versuche, eindringlich zu werden, und sei ich noch so überzeugt, denn beim Erwachsenwerden habe ich gelernt, dass das kontraproduktiv ist.

Zwingende Dummheit

Der Vollständigkeit halber sei auch das Drittens noch erwähnt, dass ich nämlich nicht versuche, zu gewinnen, womöglich ohne Rücksicht darauf, was eigentlich wahr ist und was falsch.

Die Steigerung dieses Reifeprozesses besteht darin, andere zu lassen. Meisterprüfung: jemanden, der einem wirklich am Herzen liegt, nehmen wir mal eine meiner Töchter, Entscheidungen treffen zu lassen, die man selbst für falsch hält, und sie dann nicht mit der Macht der eigenen Weisheiten zu überrollen. Klar sage ich, was ich denke, aber damit endet mein Einfluss.

Wie alles Private hat auch diese Handlungsweise eine politische Dimension. Dass der Staat nicht einmal annähernd das Recht hat, nach Aneignung des Gewaltmonopols die Bürger zu gängeln, ist nur die Spitze des Eisbergs. Was sich heute aber dazu berufen fühlt, die Stellvertretung aller Menschen zu mimen, will uns inzwischen geradezu aufzwingen, was wir gefälligst zu denken hätten. Dieses Maximum der Anmaßung geht nicht zufällig mit dem Ruin jeder Kompetenz einher.

   
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Bei Overton gibt es wieder einmal eine Diskussion um Verbote anhand des Beispiels "Rauchen". Wir hatten das hier vor vielen Jahren, und schon damals eigentlich im Rahmen anderer Themen, davon war eines "Divide et impera".

Es ist offenbar sehr schwierig für den normalintelligenten Leser, der Rauchen nicht mag, seine Reflexe gegen alles, was damit zu tun hat, im Griff zu behalten. Dies wiederum macht es Herrschaften jedweder Art zu einem Spaziergang, ihren Autokratismus durchzusetzen und die Untertanen zu spalten. Darum – und nur darum – sind Rauchverbote Dauerthema.

Die Autorität verfügt

Zuletzt war es bzw. ist es die EU, die ihre Mitgliedsstaaten anstachelt, ihre Bürger auf Straßen und Plätzen, in Bushaltestellen, kurz: überall zu drangsalieren, falls sie sie rauchen oder dampfen – übrigens der nächste Spaltpilz, den sie da gefunden haben, die Nikotinsüchtigen auch noch aufeinander losgehen zu lassen.

Bei Overton wie hier soll es aber wie gesagt nicht ums Rauchen gehen, und der säzzer wird jedem auf die Schnauze hauen, der meint, seine ungefragten Ansichten dazu auszubreiten. Es geht um Verbote. Die nämlich sind eine Anmaßung der Herrschaft, ins Leben ihrer Untertanen einzugreifen. Es bestätigt jene, es festigt sie, es unterwirft die Massen.

Dies gilt selbst in einer Demokratie, von der wir längst nicht mehr ernsthaft reden können. Vor allem aber, das gerät fast immer aus dem Blick, haben sie keinerlei positive Wirkung. So, Heft und Stift raus, mitschreiben: Prohibition. Funktioniert. Nicht. Je strenger Verbote auferlegt und verfolgt werden, desto weniger.

Muss jeder einsehen

Nachgerade absurd sind 'Argumente' für Verbote, vor allem dann, wenn sie das Problem des Verbots als solches ignorieren. Wenn es nämlich gute Gründe gegen eine Handlungsweise gibt, dann wird es auch Einschränkungen geben, die sich unter den jeweilig Anwesenden ergeben, weil diese sich darauf einigen. Ich darf zu Hause rauchen, aber ich quarze trotzdem nicht ungefragt meine Gäste voll. Ich fahre auch nicht die zulässige Höchstgeschwindigkeit, wenn ich das für gefährlich halte.

Wir sprechen von staatlichen, gesetzlichen Verboten. Die setzt die Polizei durch, ggf. das Ordnungsamt. Der Staat macht das, wie er das eben macht – gern willkürlich, die Lust an der kleinen Macht ausnutzend, als Akt der Unterwerfung. Neuerdings will eine EU-Kommission das für eine halbe Milliarde Menschen. Echt jetzt? Das ist die Autorität, die wir brauchen, um miteinander klar zu kommen?

 
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So etwas wie Aufmerksamkeit, Rücksicht oder gar Umsicht ist dem Deutschen nur per Gesetz und Verfügung beizubiegen. Das dürfte auch der Grund sein, warum auf der anderen Seite die vermeintlichen Vertreter meinen, man könne per Gesetz alles regeln und in ihrem neuen Autoritarismus freidrehen.

Einfaches Beispiel: An der Supermarktkasse. Ich kann es nicht leiden, wenn mir Fremde auf die Pelle rücken. Eine Zeitlang haben sie Abstand gehalten, aber nur, weil ihnen sonst wer zu Recht vorgeworfen hätte, die obrigkeitliche Verfügung zu verletzen. Buckeln und treten können sie ja.

Wiederstand!

Wenn einer nun ein Depp ist, kann man von ihm keine Einsicht erwarten und ebenso wenig vernuftgesteuertes Handeln. Daraus folgt logisch, dass er vernünftig begründete Regeln nicht versteht und insbesondere sinnvolle Vorschriften als Unterdrückung und Einschränkung seiner Freiheit erkennt. Freiheit nämlich bedeutet, sich folgenlos dumm und asozial verhalten zu dürfen.

Also rücken sie mir an der Kasse auf die Pelle. Es ist ihnen extrem wichtig, so weit wie möglich vorn zu stehen. Daher muss der Typ hinter mir auch neben meinen Waren herschleichen und mir seinen Rachengammel zuteil werden lassen. Ich muss einen Einkaufswagen nehmen, auch wenn ich nur einen Kaugummi kaufe, um dieses Gewürm auf Abstand zu halten – und selbst dann schaffen es einige Spezialisten, plötzlich neben mir zu stehen. Dann sind sie nämlich schneller dran. m(

Ich fände es übrigens auch angenehm, wenn man zum Beispiel die Flugkilometer pro Person drastisch einschränken würde. Auch und gerade die juristischer Personen, deren Managements 2024 noch immer nicht kapiert haben, dass physische Anwesenheit fast immer verzichtbar ist. Ich sage das nicht, weil ich Umweltschützer wäre oder Leute gern gängele, sondern weil ich wie Millionen andere in einer fucking Einflugschneise wohne.

Geht kacken

Diese dämliche Spezies aber, der es nichts ausmacht, wenn ihresgleichen ob fehlender Dokumente ersäuft, die es für "Hilfe" halten, Hunderttausende von Minen und Granaten zerfetzen zu lassen oder allen anderen alles verbieten lassen wollen, das sie selbst nicht kennen, würde sofort gegen eine Diktatur auf die Barrikaden gehen, die ihnen diese Freiheit® nähme.

Dafür gehen sie nämlich arbeiten, was so viel heißt, wie dass sie sich von morgens bis abends zu Tätigkeiten zwingen lassen, denen für ein paar Wochen zu entkommen wiederum – von ihrem Geld® – die große Freiheit® ist, für die sie leben.

 
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Es gibt selbstverständlich menschliches Verhalten, das keineswegs durch den Kapitalismus verursacht wird. Viele der unangenehmen Varianten werden freilich in diesem System gefördert. Dazu gehört das Geschleime vieler Claqueure, die sich einen kleinen Vorteil versprechen oder oder sich im vermeintlichen Status anderer sonnen wollen.

Ich habe vor vielen Jahren einen Abend mit einer Gruppe verbracht, der u.a. Uwe Lyko angehörte. Der hatte sich in der recht langen Zeit, die ich mit den Leuten verbracht hatte, zum eigentlich Zweck der Treffen nie eingefunden, erschien dann aber zu einer kleinen Feier.

Meiisteer

Wie sich verschiedene Herren bei dieser Gelegenheit benahmen, war zum schmerzhaftesten Fremdschämen. Er selbst hat nichts dazu beigetragen, beweihräuchert zu werden, sondern sich ganz normal verhalten, er war ja dort unter alten Bekannten – und eben neuen Unbekannten. Die mussten bei jedem Wort, das dem Meister entfleuchte, laut und künstlich lachen, obwohl seine Beiträge weder lustig, noch so gemeint waren.

Es ist mir schleierhaft, was solche Kreaturen antreibt. Zwar gibt es – siehe oben – Ansätze, mit denen man sich das erklären kann, aber dieses Gebaren erfordert ja nicht nur den Impuls, der Prominenz gefallen zu wollen, sondern auch völlige Ignoranz bezüglich des Maßes, in dem man sich dabei zum Brot macht.

Unappetitlich

Nicht nur dürfte es die meisten der so Angesabberten gar nicht positiv beeindrucken – es gibt ja auch die Zeugen solcher Akte, deren Gesichtszügen man eigentlich ansehen müsste, dass sie einen gerade überrollen. Zudem dürfte es wenige Herrchen geben, die einem dafür ein Leckerli zustecken. Häufiger gar wurde mir gewahr, dass der Held seinem Möchtegern-Knappen einen verbalen Tritt gab, um sich den Schnodder von Bein zu halten.

Besonders widerlich sind dabei die Zeitgenossen, deren opportunistische Sekretproduktion jederzeit spontan in bösen Tratsch und Verachtung umschlagen kann. Man kennt solche Charaktere sonst aus Kitschfilmen und zugrundeliegender Literatur. Eigenartig, dass es so wenig Schamgefühl gibt, das einen doch davon abhalten sollte, in solche Rollen zu schlüpfen – selbst wenn man nicht kapiert hat, dass das Leben eben keine Bühne ist.

 
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Ich bin immer wieder erstaunt über die Naivität meiner Zeitgenossen und ihrem Humanismus. Die weit verbreitete Meinung, jemand habe – aber ganz sicher – "ein Recht" auf dies, das und jenes, zeugt von einer Art Fetischismus, als gebe es eine mystische Instanz, die auf magische Weise Rechte verleiht

Man muss es ihnen wirklich erklären: Der moderne Rechtsstaat ist die aktuelle Formation eines großen, zudem erzwungenen Gesellschaftsvertrags. Du verzichtest auf die Ausübung von Gewalt, überträgst dem Staat das Monopol, solche auszuüben, und im Gegenzug billigt der dir zu, gewisse Dinge zu tun und zu lassen und verpflichtet dich sogar zu solchen. Das wird alles aufgeschrieben und ist in Büchern sowie Dokumenten von Urteilen nachzulesen.

Magische Kräfte

Darin besteht eine Praxis, die Gewalt und Herrschaft regelt. Nichts davon ist irgendwem zu eigen. Du hast kein Recht, es wird nur zugebilligt und auch das kann sich ändern. Jenseits der Gesetze und gegenüber anderen hast du keines. Niemand muss es dir zubilligen, und selbst, wenn er dazu gezwungen ist, kann es dir jederzeit passieren, dass es dir jemand nimmt. Dann kannst du zum Staat rennen und dich beschweren.

Grundsätzlich, immer und ausnahmslos sind die Rechte, die wer wem zubilligt oder nicht, Verhandlungssache. In diesbezüglichen Verhandlungen werden sich auch immer die jeweils aktuellen und vor Ort bestehenden Machtstrukturen ausdrücken. Wenn du es mit klugen zivilisierten Leuten zu tun hast, hast du Glück. Die werden dich als Gleichen unter Gleichen akzeptieren – mehr als es der Staat und die Gesellschaft im Allgemeinen je tun werden.

Normal ist aber anders. Du reißt das Maul auf, du blutest. Du erzählst Schwachsinn, keiner nimmt dich mehr ernst. Du bist eigentlich der Schlauste, aber die Blöden sind sich einig, in der Überzahl und stärker – Pech für dich. Du müsstest jetzt, wolltest du etwas erreichen, direkt und in echt jemanden überzeugen und nicht nur die Schlagworte deiner Peergroup aneinander reihen. Wer das nicht kann, beruft sich gern auf sein vermeintliches Recht®. Viel Glück damit!

 
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Quelle: Pixabay

Kollege Mersmann schrub ein wahres Wort:
"Die Freiheit des Individuums ist eine Voraussetzung einer freien Gesellschaft. Die bleibt aber nur solange frei, sie die Einsicht in das unabdingbar Gemeinsame bewahrt werden kann."

Über das Verhältnis von Kollektiven und Individuum habe ich vor Zeiten eine Seminararbeit verfasst, von der ich dachte, sie sei recht gelungen. Nachdem ich sie jüngst den Tiefen des Atari entriss, musste ich erkennen, dass es stilistisch ein furchtbares Geschwurbel wurde. Schade eigentlich.

Freiheit und Integration

Umso besser gefällt mir die Serie "Sich fremd sein", die vielleicht nicht zufällig meiner Ani das Herz gebrochen hat. Unter anderem. Die atomisierte Gesellschaft jedenfalls lechzt nicht nur nach Geborgenheit, ihre Selektion der Funktionsmöbel kriecht inzwischen auch unter den vermeintlichen Schutzschirm des autoritären Staates.

Sie und ihre Medien erzwingen die Illusion einer Gemeinsamkeit durch Vorurteile, Wiederholung und Glaubensbekenntnis. Wenn die rituellen Formeln dann zu sehr mit der Realität kollidieren, bedürfen die Jünger des Schutzes der Macht. Die Unterdrückung der Abweichler ist die letzte Stufe des Schutzes vor der Realität. Versagt auch diese, ist in der Tat Polen offen kein Halten mehr.

Fürsorge

Im zweiten Teil der verlinkten Serie schrieb ich: "Das Maximum an Gemeinschaft in dieser Sphäre ist die Koalition, die kurzfristige Verbindung von Einzelinteressen." Dieses Symptom der Atomisierung wirkt bis in die Kleinfamilien hinein. Womöglich rührt daher auch der Hass auf muslimische Gesellschaften mit ihren unzertrennlichen Großfamilien.

Überhaupt: Asiaten, Afrikaner, Muslime und Russen. Bei denen stimmt doch etwas nicht. Ihr Zusammenhalt kann nichts anderes sein als Zwang und Gewalt. Wir müssen das aufbrechen und ihnen die Freiheit® bringen. Dagegen wehren sich nur Feinde der Demokratie. Ihre Anführer sind Diktatoren.

 
Die einzig wahrhafte Kraft gegen das Prinzip von Auschwitz wäre Autonomie, wenn ich den Kantischen Ausdruck verwenden darf; die Kraft zur Reflexion, zur Selbstbestimmung, zum Nicht-Mitmachen.

So oft wir hier betont haben, es sei nicht Ziel oder Mittel einer emanzipatorischen Gesellschaft, so wenig kann ich verhehlen, dass ich in diesem Bezug sehr zwiegespalten bin: Adorno, von dem das Zitat stammt, hat als Konsequenz aus dem Holocaust eine "Erziehung zur Mündigkeit" gefordert. Diese ist ausgeblieben, und der ernsthafteste Versuch, dergleichen zu veranstalten, ist in Form eines unreflektierten Laissez-faire-Versuchs der '68er' kläglich gescheitert.

Man muss sich dem Phänomen "Erziehung" aus unterschiedlichen Winkeln nähern. Es gibt da die der Kinder von Seiten der Eltern und Pädagogen, und es gibt eine allgemeine Einflussnahme von Menschen und Einrichtungen aufeinander, die teils sehr bewusst und manipulativ abläuft, teils in die denkbar reaktionärste Schiene gerät: Der Herdentrieb, Gruppenzwang als prägender Einfluss des Bestehenden auf die Einzelnen. Dem ist nur entgegen zu treten durch die bewusste Förderung von Selbständigkeit, dies wiederum nicht anders zu leisten als durch Erziehung.

Schön in der Reihe

Ich muss immer an diese unerfüllte Forderung Adornos denken, wenn ich mit hirntauben Bürokraten, diesen Eichmännern zu tun habe oder mich mit der Geschichte dieses Vaters der 'Banalität des Bösen' selbst befasse. Als ich jung und naiv war, habe ich mich jedesmal empört und mich gefragt wie es sein könne, dass nach Auschwitz immer noch die Vorschriften mehr gelten als jede Menschlichkeit und "Pflicht" noch immer blind erfüllt wird, wenn sie ersichtlich Not erzeugt.

Mit der Zeit gewöhnt man sich an diese taube Stelle, dennoch hat das Leben mich noch einmal entsetzt, als ehemalige Arbeiter und Sozialisten Hartz auf die Menschheit losließen. So weit sind wir längst schon wieder, und auf anderen Gebieten sieht es nicht besser aus mit Autonomie und Nicht-Mitmachen. Heute hetzt die Meute wieder gegen Russland, und was einmal eine Hoffnung kritischen Bewusstseins war, ist längst Speerspitze der Propaganda.

Die Strammsteher erzählen derweil ihre eigene Geschichte des Widerstands; es soll demnach nur gelten, was in der Reihe marschiert und national dünkt, nicht etwa persönliches Gewissen und Verweigerung, die Urkompetenzen der Autonomie. Die Demokraten haben kläglich versagt. Nach dem Laissez-faire Experiment kam der autoritäre Rollback. Schule und schon Kindergarten erziehen zur seelenlosen Pflichterfüllung, Industrie und Medienindustrie zu Konsum und Marktreligion, bigottem Leistungsfetisch und unreflektierter Folgsamkeit.

Nein!

Nein, Emanzipation scheitert nicht an der Erziehung der Menschen, sie scheitert daran, dass sie nicht stattfindet oder den Autoritären überlassen wird. So werden die Menschen eben nicht belehrt. Nicht über die Geschichte, nicht einmal die jüngste, und was aus ihr folgt. Nicht über Demokratie und was die mit selbstbewussten Bürgern zu tun hat.

Nicht über das elementare Recht nein zu sagen und das gute Gefühl, davon Gebrauch zu machen. Stattdessen haben wir ein System über uns aufziehen lassen, das die Schikane gegen entwürdigte Befehlsempfänger "Eigenverantwortung" nennt. Darauf werden die Massen konditioniert und darauf, den Nachbarn nicht mehr als Mitmenschen zu erkennen.

Das müssen wir anders machen, ganz anders, und es ist keine Option, sich darauf zu verlassen, allein andere Arbeitsbedingungen sorgten schon für freie Menschen. Nein, "nein" sagen muss jede können und jeder lernen, sonst rollt die nächste Welle von Jasagern mit einem zackigen "Jawoll" über uns hinweg. Einer, der die Befehle dazu formuliert, hat sich noch immer gefunden.

02.08.2014

 
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Soso, der Thienemann-Verlag hat "Jim Knopf" gesäubert. Nicht nur vom Wort "Neger", das aus aller Geschichte getilgt gehört, weil nur Geschichtsklitterung alles wieder heile macht, sondern auch von einem schlimmen Detail auf dem Titelbild. Es ist jetzt gottgefällig und regenbogengerecht.

Die Kulturbarbaren, die so etwas verbrechen, schreiben nur für ihre Peergroup, reden nur mit ihrer Peergroup, leben wie ihre Peergroup und kennen auch nichts anderes mehr. Wer kam nur auf die Idee, diesen Irgendwasmitmedien die Gestaltung sämtlicher Medien zu überlassen?

Echokammer, schrumpfend

Die Hierarchie ist ja ungefähr so: Naturwissenschaften und Technik sind nur was für Nerds, Medizin für höhere Töchter, Philosophie ist ein Laberfach, das man abbricht, wenn man merkt, das es dafür nicht reicht, Geschichte ist etwas für Nostalgiker und verstaubte Gestrige.

Dann bleiben noch Germanistik, Politologie, Genderqueerstudien und Irgendwasmitmedien. Dort tummeln sich die Ideologen, deren Auswürfe dem Rest der Bevölkerung die Welt erklären. Dass selbst die in dieser Echokammer am häufigsten zitierten 'Studien' in der Regel nicht reproduzierbar sind, ficht sie nicht an, denn das wäre ja toxisch-männliche Wissenschaft.

Sie sind eher zielorientiert und machen alles besser, indem sie böse Wörter ausradieren. Und nicht nur Wörter, auch Bilder (siehe Link). Ist die Pfeife von Jim Knopf eigentlich auch rassistisch? Oder müsste man nicht vielmehr Herrn Lukas die seine auch wegretuschieren? Das ist doch Drogenpfui und ungesund. Na dann halt in der nächsten Runde.

Mäßiger Trost

Der Trost über solche Pfeifen besteht darin, das diese pietistischen Eiferer und Verstandesasketen umso weniger Menschen erreichen, je länger und je eifriger sie walten. Es ist nur so furchtbar nervig, darum redet auch niemand mehr mit ihnen über ihren Stuss, was die Sache noch einmal unangenehm beschleunigt, weil sie den Eindruck gewinnen, wirklich jeder dächte so wie sie.

Widerlich ist allerdings, dass dieselben, die fest daran glauben, im Urwald stürbe jedes mal ein Einhorn, wenn Worte wie "Neger" auch nur gedacht werden, mit demselben Eifer Nazis beim Abknallen von Orks 'helfen'. "Orks" steht ja nicht auf der Liste. Das ist kein Rassismus.

 
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Der Umgang dieser Kultur mit Sterberei ist unsäglich. Ich muss dazu ein paar Takte sagen; das ist einerseits sicher auch Trauerarbeit, anderseits aber mitten drin in dem Desaster, das sich hier noch Gesellschaft nennt.

Zum Beispiel die konkrete Trauerei. Wenn ich haltlos flennen will, das geht ja mit dieser modernen Technik, gucke ich mir zum Beispiel ein YT-Video an, in dem meine Frau "Angel of Music" singt. Mache ich aber eigentlich nicht. Bin zu wenig maso. Jedenfalls ist das schon mal eine gute Alternative zum Abstellen von Müllfunzeln auf sogenannten Gräbern, die ich einmal einzurichten und dann zu meiden pflege. Vermutlich bin ich das Gespött des sogenannten Friedhofs.

Keine Kultur

Das Ganze fängt meist damit an, dass sich ein Typ in Frauenkleidern oder mit komischem Kragen, der den Toten kein Stück kannte, vorn hinstellt und etwas von Fabelwesen schwätzt. Ich wusste das zu vermeiden, indem ich in beiden Fällen die Rede selbst gehalten habe. Das war Notwehr. Ich hätte da lieber etwas irgendwie Kollektiveres, aber außer meiner Tochter und mir hatte keiner die Eier, etwas zu sagen. Offenbarungseid.

Diese Unfähigkeit, Tod auch nur zu denken, fängt ja schon beim Wort "Unfall" an, der nichts ist als ein fucking Fall. Findet statt, doch. Wenn wer vor sich hin stirbt, ziehen die meisten Leute den Schwanz ein und lassen sich nicht mehr sehen. Dafür gucken sie sich jeden Tag in Film und Serie an, wie hunderte gutaussehender Leichen nach Schüssen ins Gesicht noch den Bildschirm schmücken. Wen du mal wen gesehen hast, der tot ist, findest du das sehr sehr albern.

Wenn du sichtbar trauerst, versuchen sie, dich zu 'trösten', indem sie Schwachsinn labern oder dich ungefragt anfassen. Nicht für dich, sondern weil sie die Situation nicht aushalten. Warum lernt hier niemand, sich ganz normal zu verhalten? Mach meinetwegen nen Witz drüber, dammit, aber guck mich nicht an, als wäre ich ein Zootier mit Knopfaugen.

Womit wir beim letzten und wichtigsten Teil der Veranstaltung sind: Beim Tod handelt es sich um Tod. Wie in "lebt nicht mehr, kommt nicht wieder". Das hat alle möglichen Implikationen, die teils unbegreiflich sind, aber zum Alltag gehören. Im Einzelfall. Das ist der Fall, der den Meisten schon zu schwierig ist, um sich dazu bewusst zu verhalten.

Lasst die Löwen raus

Etwas völlig anderes ist es freilich, wenn man souverän über Tausende von Menschenleben richten kann. Da kann man halt nichts machen, wenn die Leute ersaufen. Haben sie ja selbst riskiert. Da kann man nicht zurückweichen, wenn der Böse Krieg führt, dann muss man die Jungs zu Tausenden verbrennen und zerfetzen lassen, sonst lernt der Böse seine Lektion nicht. Mehr Waffen®, da lebt noch was!

Das sind dieselben, die es nicht aushalten, mir in die Augen zu gucken oder sich mal blicken zu lassen, wenn sie wissen, dass hier wer unschön siecht. Sie haben gemeinhin kein Problem damit, das unzähligen Unbekannten zuzumuten, aus politisch-moralischen Gründen.

Deshalb stehen sie auch über diesen feigen Pazifisten und schicken gar so ein unfassbares Arschloch vor und lassen uns als "Lumpen" beschimpfen. Ist das eigentlich keine Hassrede? Oder fängt die erst hier an, wo ich bekunde, dass ich diesem Hanswurst ohne mit der Wimper zu zucken in die Fresse schlagen könnte?

 
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Ich habe die Religiosität der protestantisch-kapitalistischen Ideologie vor 15 Jahren einmal am Beispiel Rauchen und Sucht illustriert. Der Wokism marschiert da in stramm sittlicher Strenge weiter, bis es nichts mehr gibt, das seinen moralischen Anmaßungen standhält.

Es keine Neuigkeit, dass Rauchen gesundheitsschädlich ist. Sucht ist überhaupt meist ungesund. Dennoch gibt es Süchtige, die sogar ein wenig Lebensfreude auszustrahlen wissen. Man kommt ihrer Sucht nicht bei, und es hat noch keine Kultur gegeben, in der keine Drogen konsumiert wurden. Diese unsere aber hat die Fremdaskese entdeckt. "Gönne niemandem nichts" ist das Motto.

Kapitalmoral


So lässt sich wunderbar Geld verdienen, so kann man auch die Armen noch ärmer machen, denn die Verarmung der Kultur ist ja quasi Programm. Diese Art innerweltliche Askese ist so etwas wie die Rache der protestantischen Ethik am sexfeindlichen Katholizismus. Die Ablösung des Rheinischen Kapitalismus durch den angloamerikanischen Neoliberalismus wird so ganz angemessen begleitet. Im Ergebnis entsteht eine Gesellschaft, die (sich) jedes Vergnügen untersagt.

Diese Fremdaskese ist es auch, die immer nach Reinheit strebt und Sünde verfolgt. Allein der Verdacht, jemand könne gegen Regeln verstoßen, macht ihn zum Delinquenten; dabei sind die absurdesten Erfindungen neuer Regeln und Sünden ('kulturelle Aneignung', 'Meritokratie') gerade willkommen, weil es gegen das Maximum an Unsinn keine Argumente mehr gibt.

Das Beispiel "Meritokratie", das gerade im IT-Bereich von militanten Moralisten gegen jene ins Feld geführt wird, die den Wokies erst die Basis für ihre Twitterpranger und andere Schnellgerichte geschaffen haben, ist besonders amüsant. Bloß weil sie etwas extrem gut können, ist das keine Anerkennung wert. Vielmehr muss ihre Sprache streng überwacht werden.

Wir sind die Guten

Eine Minderheit ('Nerds'), die sich einmal eine Nische geschaffen hatte, in der niemand sie für ihre Macken diskriminiert hat, erfährt nunmehr, dass ihre Existenz rassisch und moralisch definierte Minderheiten beleidigt. Nicht minder dämlich ist das Dissen von Leuten mit Dreadlocks oder anderen reklamierten Äußerlichkeiten.

Es gibt nichts, was man nicht eifrig zur weiteren Atomisierung der Gesellschaft nutzen könnte. Der Linksrassismus ist reaktionär, destruktiv und eine immerwährende Steilvorlage für Kapitalisten, deren Ziel sie erst erreichbar machen: There is no such thing as society. Wer hier an Zufall glaubt, dem fehlt jede Phantasie.

Diese pseudeolinke Guerilla der Neocons oder Neoliberalen maßt sich dabei eine Gleicherheit an, die wir aus Animal Farm kennen. Ohne jede Legitimation bestimmen sie laut krakeelend darüber, welche Minderheit als gut zu gelten hat und welche als böse. Ihre willfährigen Mittelschichts-Spießgesellen in Politik und Medien setzen das dann in sprachliche Zumutungen um, die sich außerhalb der Peergroup solch Nützlicher Idioten niemand mehr freiwillig anhört.

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