journalismus


 
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Was uns immer wieder aufgetischt wird und hier schon reichlich Erwähnung fand, ist der jeweilige Hitler des Jahres. Pol Pot, Ho-Chi-Minh, Saddam Hussein, Muammar al-Gaddafi, Baschar al-Assad, Vladimir Putin – überall Hitlers, die Holocauste begehen, Brutkastenkinder, Massenvernichtungswaffen, Welteroberung.

Bei Bedarf, was besonders praktisch ist, kann man einen Bösen auch enthitlern und zu den Guten zählen. Aktuelles Beispiel ist der Menschenmetzger Ahmed al-Scharaa, der zwar immer noch auf allen Terrorlisten steht, aber artig Assad vertrieben hat, der seinerseits in der Prähitlerphase seine Schergen noch im US-Auftrag Afghanen foltern ließ.

Das wird unübersichtlich, wenn man sich aus D.C. nicht das tägliche gut oder böse-Update zieht. Für die mit eigenen zerebralen Systemen ist derweil die Benennung eines neuen Hitlers stets ein Alarmzeichen. Hier trifft regelmäßig Inkompetenz auf Fanatismus. Jede Gleichsetzung ist dann oft willkommen, egal, wie windschief die Konstruktion dafür gezimmert ist.

Zwei Hitler zum Preis von einem

Der Putinhitler zum Beispiel sei nicht zu beschwichtigen, er wolle nämlich unbestreitbar die Weltherrschaft. Wie Hitler. Jeder, der das anders sieht, sei wie Chamberlain und nachher schuld an Weltkrieg und Holocaust.

Nun hat Adolf selig in dankenswerter Ehrlichkeit ja seine Pläne akribisch aufgeschrieben wie sonst nur ein US-Think Tank. Nein, das ist kein Thinktankvergleich. Die Vernichtung der jüdischen Rasse war genau so angekündigt wie die Eroberung des Raums im Osten. Es war deutlich erkennbar, dass die Nazis diese Pläne eins zu eins umsetzten, als Chamberlain tat, was er tat. Es war keine Erzählung. Es waren offensichtliche Fakten.

Das ist nicht einmal wenn man Expansionspläne Russlands für realistisch hält, dasselbe. Alle maßgeblichen russischen Politiker haben ausführlich dargelegt, dass sie solche nicht hegen, welche Gründe die SMO hat und was deren Ziele sind. Es gibt also gar keine Möglichkeit, sie von Weltkrieg oder Holocaust abzuhalten. Kein Plan kann nicht verhindert werden.

Propagandapirouette

Die propagandistischen Mittel, die eingesetzt werden, um diesen Stuss dennoch in die Köpfe der Rezipienten zu pressen, sind primitive Projektionen angeblicher Absichten, moralischer Qualitäten und Greueltaten, die niemand je belegen muss, weil mit dem wiederholten Vorwurf ja genügend Dreck am Angeklagten kleben bleibt.

Flankiert wird das Ganze durch die seit Anfang der 2000er im Wertewesten gepflegte Taktik des Feindschemas. Für den Einen ist gegen den Anderen, nicht für den Einen ist auch gegen den Einen, mithin ist nicht für den Einen auch für den Anderen. Das Dumme schon: Spätestens, wenn man das mit mehreren Paarungen macht, wird einem schwindlig.

Entsprechend muss man auf Teufel komm raus den Bösen verteufeln, was allein schon wehtut. Dann ist einer halt ein Blutsäufer, Dämon, Hitler, Faschist, egal , ob er jemals nachweislich etwas getan oder befohlen hat, was auch nur irgendwem schwer geschadet hätte. Kein Faschist hingegen ist demnach jemand, der sich selbst so bezeichnet oder die SS und andere Judenmörder verehrt. Sagen die Experten, die so gern den Chamberlain an die Wand malen, so lange die mit den Hakenkreuzen auf der Brust nur der regelbasierten Ordnung® nützen.

 
dt

Eigentlich ist es müßig, spätestens, seitdem es diesen Hajo-Friedrichs-Preis gibt. Wir erinnern uns:
"Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache" steht über dem Eingang. Ich wäre ja eher für "Lasciate ogni speranza".

Schon die Idee, in diesen Zeiten "kritischen Fernsehjournalismus" auszeichnen zu wollen, ist bizarr. Was mir am besten gefällt, ist aber, dass sie ernsthaft Elmar Theveßen ausgezeichnet haben, der hier als Witzfigur etabliert ist. Wir erinnern uns: Das ist der Typ, der jahrelang als "Terrorexperte" Angst vorm Schwarzen Mann gemacht hat und dann den Newsletter für eine "Terrorversicherung" besorgte. Ausgezeichnet!

Nur mit der nützlichen Sache

Dies war aber nur der lange Anlauf zur Sache: Eigentlich wollte ich mal wieder so etwas sagen wie: "Nachrichten brauchen wissenschaftliches Denken", womit gemeint wäre, schon das Verstehen von Nachrichten. Du kannst nicht googeln und nachher meinen, du wüsstest etwas; du musst selbst recherchieren, die Kriterien und die Kompetenz entwickeln, wie unterschiedliche Quellen zu bewerten sind.

Die Betonung liegt auf "Kriterien", Maßstäbe, nach denen man beurteilt, wie Meldungen zunächst einzuschätzen sind und nach denen man sie dann prüft. Einer der furchtbarsten Fehler dabei besteht darin, sich meinungsverseuchte Texte zu eigen zu machen, weil die erstens von einem 'Experten' geäußert wurden, der sich zweitens dadurch auszeichnet, dass er sagt, was man hören möchte. Das ist das Gegenteil eines brauchbaren Kriteriums.

Ich möchte den Hajo wie folgt ergänzen: Traue plausiblen Quellen, die deiner Sicht widersprechen, immer mehr als solchem, die dich bestätigen. Begrüße es, wenn du deine Meinung revidieren musst, denn das bedeutet, dass du etwas gelernt hast. Und nein: Das bedeutet überhaupt nicht, dass eine Meinungsänderung ein Qualitätsmerkmal wäre. Wenn die nur Heulen mit den Wölfen bedeutet, ist es schon wieder das Gegenteil. Es bleibt schwierig.

 
dt

Bundesarchiv B 145 Bild-F049327-0028 Wegmann, Ludwig

Was mit Corona angefangen hat, setzt sich durch die Kriegspropaganda und den allgemein dekadenten Bildungsstand fort. Wir werden von Massenmedien mit Einheitsbrei vollgelöffelt und anschließend mit allem Nachdruck aufgefordert, das lecker zu finden. Auf der anderen Seite stehen 'alternative' Medien, die ihre Chance zu glänzen so wahrnehmen, dass sie noch das unterste Niveau oben Genannter unterschreiten.

Um Irrtümern vorzubeugen: Ich nehme absolut nichts zurück von dem, was ich über Corona geschrieben habe. Einer Pandemie muss ohne hinreichendes Wissen (denn das definiert sie geradezu) begegnet werden, Irrtümer sind unvermeidlich und die Maßnahmen machen keinen Spaß. Im Verlauf weiß man mehr, darauf könnten kompetente Entscheider reagieren. Wir haben aber keine. Was wir haben, sind korrupte Hanswurste, die zu jener Zeit genau so funktioniert haben wie zu jeder anderen.

Die Guten und die Doofen

Dennoch hatte die Konstellation zur Folge, dass die Funktionsträger der Mittelschicht in Medien und Politik ihrem autoritären Charakter freien Lauf lassen und die auf der anderen Seite jedem Schwachsinn, der irgendwie dagegen ist. Ich leide persönlich darunter, weil ich als dritte Partei häufig mit denen zu tun habe, die von den Einen 'informiert' werden und gelernt haben, dass die Anderen Psychos und Spinner sind. Zu denen gehöre ich dann quasi automatisch.

In Zeiten schäumender Kriegspropaganda ist das deprimierend. Dabei gibt es so viel zu wissen, was beide Seiten kaum bis gar nicht zur Kenntnis nehmen. Da gerade der Narzisst im Weißen Haus dabei ist, die USAID und womöglich gar die NED zu zerschlagen, könnten Talkshowgucker sich ja vielleicht mal anschauen, was das ist und was die tun.

Ich habe bis heute noch keinen einzigen Diskutanten getroffen, der den Inhalt und die Geschichte von Minsk II kannte. Drei Jahre Gelaber über Krieg und die wichtigste Ursache kennt niemand. Oder wie ist es eigentlich mit der Struktur des Staates, in dem sie leben? Einfache Fragen: Was passierte beim Oktoberfestattentat? Was war die Organisation Gehlen? Was war der Stauffenberg-Dienst? Was ist der Verein Atlantikbrücke und wer hat welchen Bezug dazu?

Muss der Leser nicht wissen

Das sind so aus der Hüfte geschossen ein paar von hunderten relevanten Details, wenn man sich ein Bild über deutsche und internationale Politik machen will. Kaum einer weiß das. Die Funktionsmöbel der Massenmedien wissen es auch nicht und faseln etwas von "Recherche" oder "Aufklärung". Die 'Alternativen' können derweil Phantasie von Geschichte nicht unterscheiden und halluzinieren sich bei jeder Gelegenheit Mächtige® herbei, die man nur entmachten müsste.

Was bleibt einem, der das alles weiß? Jeden wirklich bemühten Zuhörer so mit Informationen zu überladen, wie es die Sprallos gern machen? Ja, der Unterschied ist, dass man alles anhand offizieller Quellen überprüfen kann, was ich erzähle, aber das macht ja auch niemand. On Top kommt dann obendrein immer die Volte, was das alles mit Kapitalismus zu tun hat. Wer will das hören?

 
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Schinken der Hoffnung | Quelle: Pixabay

Etwa 27.000 Personen, so sagen es nicht ganz brandaktuelle Quellen, arbeiten für das Pentagon – damit die US-Armee und ihre politische Vertretung einen guten Eindruck in den Medien machen. Noch mehr arbeiten, wenn auch hier eher nachvollziehbar, zu diesem Zweck für das US-Außenministerium. Dann haben wir eben noch Think Tanks, die Clubs der Atlantiker und all diejenigen, die aus diesen Strukturen in die Medien selbst sickern.

Man muss sich nur anschauen, welche hochrangigen deutschen Journalisten dort geschult wurden, wenn sie irgendetwas mit Außen- oder Sicherheitspolitik zu tun haben. Kurzum: Das Medienkonglomerat, das am wertewestlichen Meinungskanon arbeitet, ist keine Verschwörung im Hinterzimmer, es ist eine Armee.

Geowas?

Gleichwohl erfahren wir von ihnen und den von ihnen wiederum rekrutierten Lohnschreibern nichts über Hegemonie, Geostrategie oder nationale Interessen. Letzteres kann man vielleicht noch verstehen, wurden diese doch äußerst erfolgreich durch das stärkste Machtmittel der USA untergraben: Ihre Macht über Medien und sogenannte (inzwischen meist von den USA als Staat finanzierte) 'NGOs'.

Zum Thema "Hegemonie" ist es ganz erstaunlich, dass Boris Johnson es sogar offen ausgesprochen hat, dass es im Ukraine-Krieg um die "westliche Hegemonie" geht, die "unwiederbringlich verloren" sei, wenn man ihn verlöre. Die Reaktion der Medien? Mir ist keine bekannt. Geostrategie, wie sie durch die USA in Reinform auf allen denkbaren Ebenen geplant und hemmungslos exekutiert wird, ist in Europa eine völlig unbekannte Vokabel.

Derart von keiner relevanten Realität beeinflusst, ist jede Basis der Diplomatie zerstört. Die Wahrnehmung der Interessen anderer – auch und gerade des Gegners, Rationalität, Kenntnisse gleicher und gegensätzlicher Interessen, ein Hinwirken auf gemeinsame Vorteile und das Vermeiden von Nachteilen, werden zugunsten einer kruden Erzählung von Freiheit®, Menschenrechten®, den Guten und den Bösen geopfert.

La Le Lu

Dabei ist die Erzählung der US-Neocons, die schon seit Reagan die Regierungen begleiten, seit den Zeiten von Wolfowitz und Cheney, bis hin eben zu Nuland, Blinken, Sullivan und Konsorten, so durchsichtig, dass einem der Kaffee gefriert. Aber sie haben eben die mediale Macht gebündelt, mit der sie jeden Stuss so lange wiederholen können, dass wenigstens der Kern der Mittelschichten daran glaubt.

Wo früher Diplomatie war, plappern heute Gestalten wie Borbeck aus einem Bunker unterhalb der Bodenlosigkeit. Während Infrastrukturen wie die NED (National Endowment for Democracy) und ähnliche philanthropische Mächte überall auf der Welt für Krieg und Chaos sorgen und dafür, dass gepäppelte Minderheiten gegen die Interessen der jeweiligen Bevölkerungen US-Interessen durchsetzen, erfahren wir hier nur mehr, was Held Selenski sagt und was Dämon Putin entgegen eigenen Worten wirklich in Echt denkt.

Übrigens wusste etwa der "Spiegel" 2008 noch, dass das Pentagon Meinung "gekauft" hat und nannte das Ergebnis "Pseudo-Journalismus". In Frühzeiten eines Journalismus wusste man auch noch, dass es auf Produktionskapazitäten, Ausrüstung, Entwicklung und strategische Aufstellung ankommt, um Machtverhältnisse einzuschätzen. Heute wird uns nur noch erzählt, wer angeblich was will und warum sich allein daraus ergebe, was politisch zu tun sei. Politik als Gutenachtgeschichte.

   
dt

Wenn ich verstehen will, was im Krieg in der Ukraine im Groben passiert, muss ich mir folgende Fragen beantworten können:

Wie viele Waffen welcher Gattungen und wie viel Munition haben die beiden Seiten bislang ungefähr eingesetzt? ?

Wie viel(e) davon setzen sie davon aktuell pro Tag/Woche/Monat ein?

Wie sind die Produktionskapazitäten, wie haben sich diese im Verlauf des Krieges entwickelt?

Was waren bislang der Erfolge der von der NATO gelieferten Waffen? In welchem Verhältnis stehen die Erfahrungen zu den zuvor kommunizierten Erwartungen?

Was versprechen sich die Befürworter von der Lieferung bestimmter Waffen, wie äußern sich neutrale Militärexperten dazu?

Was sind die expliziten Kriegsziele der Russen? in welchem Verhältnis dazu steht ihre bisherige Taktik und Strategie? Was haben sie erreicht?

Was sind die expliziten Kriegsziele der Ukrainer/NATO? in welchem Verhältnis dazu steht ihre bisherige Taktik und Strategie? Was haben sie erreicht?

Wer legt die Taktik und Strategie der Ukraine fest? Wer setzt sie um?

Welche Interessen haben die Russen explizit in diesem Krieg?

Welche Interessen haben die Ukrainer/hat die NATO explizit in diesem Krieg?

Welche Interessen haben die beiden Seiten explizit, die sie nicht explizit in Verbindung mit dem Krieg kommunizieren (mithin nachweisbare Interessen, die sie nicht als Kriegsgrund erwähnen)?

Wie haben sich die Aussichten der Kriegsparteien, ihre Ziele zu erreichen, im Verlauf des Krieges verändert?

Was sagt die russische Propaganda, was sagt die westliche Propaganda, wie ist der Verlauf der Aussagen über den Verlauf des Krieges, welche haben sich bestätigt, welche wurden widerlegt?

Welche Ereignisse vor 2022 können zum Ausbruch des Krieges beigetragen haben? In welcher Beziehung stehen sie zum Handeln der späteren Kriegsparteien?

Was ist Minsk II?

Was wurde im Frühjahr 2022 verhandelt?

Welche Quellen haben sich im Verlauf des Krieges als zuverlässig erwiesen im Hinblick auf Analysen und Prognosen? Welche haben sich geirrt, in welcher Beziehung stehen erkennbare Irrtümer zu Korrektur und Kritik?

Wenn man das nicht weiß, ist man nicht annähernd dazu imstande, sich qualifiziert dazu zu äußern. Schließlich, am Rande: Was erfahre ich von den Massenmedien zu den genannten Fragen? Welches Schmerzmittel ist angesichts dieses Befundes zu empfehlen?

 
dt

Ich möchte es einfach einmal aufschreiben, weil es mich nervt. Es sind keine neuen Erkenntnisse, es ist nicht vollständig und auch nicht die Quintessenz, vielmehr sind es ein paar Binsenweisheiten, die man beachten muss, um sich nicht zum publizistischen Vollhorst zu machen. Kann aber scheinbar niemand mehr. Die Journaille, die sich für ihr grottiges Ejakulat noch mit Medaillen behängt, ebenso wenig wie die ach so alternativen Fuzzis aus jedem Krawallblog, die glauben, es genau so gut zu können. Dabei könnten die wenigstens an der Stelle, wo sie damit recht haben, einmal kurz innehalten.

Es gibt so einiges, das ist von der Sorte 'Tut man nicht', und das heißt so, weil man es nicht tut. Das ist zum Beispiel abschreiben. Tut man nicht. Niemals. Wenn ich eine Meldung lese, habe ich der gefälligst zu misstrauen. Wenn sie nicht in mein Weltbild passt, bin ich misstrauisch, weil ich mir das nicht zufällig zusammengebaut habe. Ich halte Dinge für wahr, möglich, wahrscheinlich, unwahrscheinlich, unmöglich oder unwahr. Was da weiter rechts angesiedelt ist, macht mich stutzig.

Cogito ergo sum

Wenn ich etwas erfahre, das mein Weltbild stark bestätigt, – HALLO, ZUHÖREN! – dann macht mich das stutzig. Weil ich mir nicht traue. Ich bin ein Mensch, ich habe Neigungen, die meinen Verstand beeinträchtigen. Kritisch bin ich, wenn ich mich selbst anzweifle. Was mich bestätigt, hat daher geprüft zu werden, als sei es unmöglich. Gibt es noch andere Quellen? Hat meine einen Grund, das so und nicht anders darzustellen? Haben die, auf die ich mich beziehe, schon einmal gelogen? Ja, das ist ein anderes Geschäft als irgendwen zu zitieren, nicht wahr? Da ist der Copy and Paste-Hanswurst schon lange fertig, wo die Arbeit eigentlich beginnt.

Propaganda zum Beispiel, macht man nicht! Wenn ich eine öffentliche Meinung verstärke, dann ist das Propaganda, nichts anderes. Wenn die Medien voll sind mit Meldungen, dass Loriot ein furchtbarer Schurke ist, dann habe ich alles Mögliche im Sinn, aber nicht zu erzählen, wie furchtbar der Superschurke Loriot ist. Ich schreibe keine Anti-Loriot-Appelle¹, niemals, denn das ist Propaganda. Ich äußere mich niemals über Schurkereien von Loriot, die ich nicht für zweifelsfrei bewiesen halte, denn das wäre üble Propaganda. Im Gegenteil habe ich den Anspruch, nur etwas zu sagen, wenn es eine Sache aus einer neuen Perspektive beschreibt oder neue Fakten enthält. Sei es auch nur mein Ärger, dann habe ich das aber genau so deklarieren.

Womit wir bei Transparenz sind: Das Einzige, das nicht zur Informationspflicht gehört, sind Quellen, deren Wohlergehen sonst gefährdet wäre. Alles andere wird offengelegt, vor allem von mir selbst: was mich bewegt, warum ich etwas sage, wie ich denke, wie ich dazu komme, was mich treibt, wer mich beeinflusst, wer mich bezahlt. Alles andere läuft auf Propaganda hinaus. Ich kann mich auch irren, dann sage ich auch das, und zwar sobald ich meinen Irrtum feststelle. Das ist ganz einfach, wenn man sich selbst nicht für wichtiger hält als die Nachricht oder den Kommentar.

Das Urteil

Womit wir abschließend bei dem sind. Ein Kommentar darf fast alles, aber nur, wenn das da oben beachtet wird. Sonst ist er Propaganda. Der Kommentar ist die höchste Kunst, die das höchste Risiko birgt, in miserabelste Propaganda abzurutschen. Ein Kommentar ist ein Urteil, meist sogar eine Sammlung von Urteilen. Die lässt man nicht ab, wenn man sich nicht in die blutigen Abgründe des Zweifels begeben hat. Was zweifelhaft ist, muss zweifelhaft bleiben, der Rest ist die Wahrheit. Wenn einer dann ein verurteilter Hanswurst ist, darf man ihn so nennen. Wenn etwas skandalös ist, darf man Konsequenzen fordern.

Aber gerade hier gilt: Wenn ich mich geirrt habe, muss ich meinen Irrtum lauter beklagen als ich vorher andere angeklagt habe. Ich muss deutlich machen, dass, worin und warum ich mich geirrt habe. Ich muss mir und anderen die Gelegenheit geben, aus solchen Fehlern zu lernen, und ich selbst habe die verdammte Pflicht dazu.

So, und dann sagt mir mal, wo diese Maßstäbe gelten? Ich weiß, es ist traurig, aber wenn wir sie aufgeben, bleibt irgendwann nichts mehr außer Hetze und Geschrei.

¹: Für Schlaumeier ergänzend angemerkt: selbstverständlich schreibe ich auch keine Pro-Appelle oder Elogen jedweder Art. Muss ich erwähnen, dass das Propaganda wäre?

November 2014

 
xx

Ein Blogger schrieb vor Jahren einmal, wenn die Bioläden im Kiez auftauchen, sei es Zeit, seinen Umzug zu planen. Als nächstes kommen die Schwaben Lastenfahrräder, dann die Grünen und die Linken, dann die Mieterhöhungen und dann die Säuberung von den Ureinwohnern. Wer von denen noch bleibt, wird rausgeekelt, weil sie alle rechts® sind.

Ein ähnlicher Prozess betrifft die Redaktionen, bei denen, die die Stirn haben, sich Journalist:*_Innen zu nennen. Man kann das derzeit mit adäquatem Ekel bei Telepolis beobachten, wo nicht nur zunehmend Atlantiker ihren Propagandamüll auskippen, sondern sie jetzt auch noch Lifestyle-Gülle verklappen: "Joggen leicht gemacht: So überwinden Sie mentale Blockaden" R.I.P.

Wenn die Lastenräder kommen

Nun, wie kömmt derartiges? Einen deutlichen Hinweis gibt eine Umfrage unter Journalisten, in der 41% der Befragten sich als Grünen-nah bezeichnen und weitere 16% als SPD-nah. Fast zwei Drittel hängen also den atlantisch-woken Umfallerparteien an. Dabei muss man noch beachten, dass die 23% der Überparteilichen mit Vorsicht zu genießen sind, da diese Antwort aus Opportunismus gegeben worden sein kann.

Auch der Altersschnitt (46) ist interessant. Er liegt mitten im Spektrum der Spanne zwischen 25 und 67. Gehen wir von einer Normalverteilung aus, liegt das Gros also ebenfalls zwischen 40 und 50. Selbst die Ältesten aus dieser Gruppe kennen die Grünen nur mehr als Mix aus Ost-Protestanten und Atlantiker-Wessis; inhaltlich als die Partei der Laufzeitverlängerung, Angriffskriege und Hartz IV.

Ich weise immer wieder darauf hin, dass es keine gute Idee war, den Kannkeinmathes und verwöhnten Mittelschichtsgören den Journalismus zu überlassen. Das sind übrigens keine Linken, auch das in Endlosschleife: Links ist Klassenkampf für unten, nicht das Gegenteil.

Kein Wünschdirwas

Würde ich mir als linker Klassenkämpfer eine Redaktion unter Leitung des säzzers backen, hätte ich natürlich zuerst diejenigen, die schreiben können – prägnante, stilsichere Texte, aus denen ich etwas lerne oder nach deren Lektüre ich mir zumindest Fragen stelle. Sicherlich keine Geschichten, die mich einlullen. Eine Seltenheit in der echten Welt.

Politisch würde ich sie eher mit Konservativen besetzen, die mich von ihrer Sicht überzeugen oder es zumindest versuchen müssten. Was niemand braucht, sind Schwurbler, die schreiben, was die Chefs hören wollen, und die ihre Leser mit Geschichten für Kleinkinder versorgen.

So viel zum Wünschdirwas. Wieder in der echten Welt, hat das BVerfG just geurteilt, dass das BAföG nicht den Lebensunterhalt sichern muss. Die Praxis hält schon lange die Proleten von den Unis fern und wird in Zukunft noch zuverlässiger dafür sorgen. Deren Interessen kennen wir dann als die von Nichtsnutzen und Faulpelzen.

 
zara

Abb.: Arbeitsplätzchen hassischer Rucker

Die folgende Kollage besteht aus Zitaten des deutschen Qualitätsjournalismus. Kämpfen wir gemeinsam für die Wahrheit und gegen die feindliche Propaganda!

Als Machthaber Putin unprovoziert die brutale volle Invasion gegen das demokratische Nachbarland befahl, haben russische Hacker den hybriden Cyberkrieg ausgerufen. Unterstützt wird Russland vor allem durch das Regime von Machthaber Assad, die Diktatur des Kim Jong Un und Xi Jinping, dem Parteisekretär und überzeugten Kommunisten.

Mit dem Diktator von Belalalaruss, Machthaber Lukaschenko, ist Putin gar verbündet. Wer sind also die Getreuen des brutalen Zars von Moskau, was zeichnet sie aus? Dem mächtigsten unter ihnen, Xi, geht es vor allem um ideologische Treue und nationale Sicherheit. Dafür unterdrückt er Volksgruppen wie die Uiguren und will Taiwan annektieren. Der Reichtum in seinem Land ist höchst ungleich verteilt.

Who Is Who

Lukaschenko ist der letzte Diktator Europas. Regierungsgegner werden bei ihm von Polizisten und Gefängniswärtern geschlagen, misshandelt und gefoltert. Die Schreie sind bis auf die Straße vor dem Gefängnis zu hören. Man kann das Knirschen der Knochen hören.

Über Kim Jong Un ist nicht viel bekannt, da er sein Land aus einer Geheimbasis regiert. Er soll Gegner regelmäßig hinrichten lassen. Dazu bindet er sie vor Kanonen, lässt sie totschlagen oder verfüttert sie – sogar die eigenen Verwandten – lebendig an Hunde. Oft werden dabei auch die Familien der Opfer hingerichtet, einschließlich der Kinder, die er dabei zusehen lässt.

Die unheimliche Weltgefahr

Am wichtigsten aber sind Putins Hacker von der Cyberarmee, die sich für seinen Cyberkrieg gerüstet haben und die ganze Welt manipulieren wollen. Aber auch díe prorussische Hackermafia von Putins Gnaden gehört dazu. In ihrem weltweiten Cyberkrieg greifen die gefährlichsten Hacker der Welt Microsoft, den Bundestag, die SPD, deutsche Kommunen oder das Schienennetz an. Sogar mit DDoS und Phishing. Sie können auch die Strom- und Wasserversorgung lahmlegen. Das macht Angst, verständlicherweise.

Sie verbreiten außerdem als Putins Lügenmaschine Desinformationen, zum Beispiel, die Ukraine werde von einem Neonazi-Regime regiert. Dabei vertritt die demokratisch gewählte ukrainische Regierung mit einem Präsidenten jüdischer Herkunft keine neonazistische Ideologie. Mit solchen und anderen Verschwörungstheorien manipulieren sie sogar die Wahlen im Westen, einschließlich der US-Präsidentenwahl.

 
zara

Kann man sich einen Meinungsaustausch vorstellen, der auf Moral und emotionalisierende Appelle verzichtet? Wohl kaum. Der Wissenschaftliche Diskurs, sofern er sich – was man im Betrieb wahrlich auch nicht durchgängig vorfindet – an die eigenen Regeln der Wissenschaftlichkeit hält, ist der Disput eben um das, was ist, was möglich ist, wahrscheinlich oder unwahrscheinlich. Darin besteht das Ziel des Austauschs.

Bei entsprechend strenger Auslegung der Regeln ist gesichert, dass vor allem stets geklärt ist, worin der Gegenstand der Betrachtung besteht, was es über ihn zu wissen gibt und was nicht. Es darf in diesem Diskurs keinen Vorteil versprechen, eine Beschreibung der Realität gegenüber einer andern vorzuziehen oder abzulehnen, und emotionale Prioritäten haben darin schon überhaupt nichts zu suchen. Wo derartiges auch nur toleriert wird, ist der wissenschaftliche Erkenntnisprozess am Ende.

Ereignis, Erkenntnis, Glaube

Produkte, die aus solchen Strukturen hervorgehen, können dann ggf. noch auf dem Meinungsmarkt verklappt werden, schlimmstenfalls entstehen sogar Zweige nur so genannter Wissenschaft, die nur darauf ausgerichtet sind, zumal in 'Geisteswissenschaften', in denen es als "Forschung" gilt, Texte auf Basis von politischen Glaubenssätzen zu produzieren. Ihnen ist gemein, dass sie entweder schon nicht falsifizierbar und damit hinfällig sind, oder sogenannte Wahrheiten behaupten, die sich nicht reproduzieren lassen. Insofern liefern sie eben statt Erkenntnissen selbst nur Meinungen.

Der Journalismus hatte sich – zumindest in seinen ideologischen Selbstbeschreibungen – Regeln auferlegt, die der Wissenschaftlichkeit ähnlich und an diese angelehnt sind. Im Fokus dieser Regeln lag vor allem das Berichten und Beschreiben von Ereignissen, die Wahrhaftigkeit und Prüfbarkeit der Reportage. Man kann also sagen, dass ein Journalismus der höchsten Qualitätsstufe dem Ereignis so viel Respekt zollt wie die Wissenschaft der Erkenntnis. Meinung und die mit ihr transportierte Moral – ebenso wie umgekehrt – machen solche Qualität zunichte und verkehren das Bemühen in sein Gegenteil.

 
ss

Migrationsursache Nummer eins

In meiner ersten Reaktion auf das Wahlergebnis sagte ich gestern u.a.: "Putin hat manipuliert", und prompt liefert heute der Kuhjournalismus: "Sieg für Putin". Zwar ist die Quelle la Repubblica, aber der Tagesschaum ließ es sich nicht nehmen, das mit Freuden zu zitieren. Was der extremen Mitte nicht passt, ist eben Putin. So denkt man halt, wenn man aus dem Mittelalter nicht herauskommt.

Die Verblödung ist vollständig, wenn man an die eigene Propaganda glaubt. Das, was als "KI-Demenz" bezeichnet wird, wenn Large Language Models mit ihren eigenen Auswürfen gefüttert werden, ist dasselbe. Man rotiert um ein Nichts aus hohlen Phrasen. Wo das zum Weltbild wird, ist man in der Chefredaktion herzlich willkommen.

Propagandademenz

Ich wiederhole aus den Kommentaren ein paar Bemerkungen zu den Wahlen: Es ist keine Revolution, es ist Rebellion, und die ist primitiv, mithin politisch tendenziell 'rechts'. Aber die unreflektierte Ablehnung des Bestehenden ist immer noch Ablehnung. Auch wenn sie nicht wissen, dass es der Kapitalismus ist, lehnen sie diesen m.E. ab – wenn auch unbewusst. Konkrete Negation auf diesem fatalen emotionalen Niveau. Aber war es je anders?

Sie benörgeln den Ist-Zustand, und der ist ein Kapitalismus. Die Ideen in ihrem Programm, vertreten durch einen Teil ihrer Funktionäre, so sie durchgesetzt würden, würden keinen ihrer Wähler zufriedener machen. Dass sie nicht wissen, dass sie mit dem Kapitalismus als solchem unzufrieden sind, ändert das nicht.

Man stelle sich vor, die Funktionäre der AfD würden ihre neoliberalen und umfassend diskriminierenden Pläne umsetzen. Wie würde sich das wohl aufs Wahlverhalten auswirken? Das gilt ähnlich für das BSW: Die versprechen, sozialer zu sein, würden mit ihrem Firlefanz aber gar nichts ändern. Sie sind ja eine SPD. Man betrachte nur deren Versprechungen, deren Handeln und das Resultat bei den Wahlen.

Verbrennt die Hexe!

Wer mit den Zuständen im Endstadium des Kapitalismus unzufrieden ist, ist eben mit diesem unzufrieden. Weil sie es aber nicht verstehen, rebellieren die Wähler auf unterschiedliche Weise. Sie wenden sich intellektuell nicht explizit und konkret gegen das System, sondern gegen ihre Lage, ihr Gefühl und vermeintlich Schuldige.

Das wäre mein Alternativangebot zu den Modellen "Putin ist schuld", "alles Nazis", "Hassbotschaften härter betrafen" und "die Ukraine muss gewinnen". Mithin das eines Putinverstehers, der so linksextrem ist, dass er als Nazi auf der anderen Seite wieder herauskommt. Ich plädiere für eine Internetsperre.

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