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Schinken der Hoffnung | Quelle: Pixabay

Etwa 27.000 Personen, so sagen es nicht ganz brandaktuelle Quellen, arbeiten für das Pentagon – damit die US-Armee und ihre politische Vertretung einen guten Eindruck in den Medien machen. Noch mehr arbeiten, wenn auch hier eher nachvollziehbar, zu diesem Zweck für das US-Außenministerium. Dann haben wir eben noch Think Tanks, die Clubs der Atlantiker und all diejenigen, die aus diesen Strukturen in die Medien selbst sickern.

Man muss sich nur anschauen, welche hochrangigen deutschen Journalisten dort geschult wurden, wenn sie irgendetwas mit Außen- oder Sicherheitspolitik zu tun haben. Kurzum: Das Medienkonglomerat, das am wertewestlichen Meinungskanon arbeitet, ist keine Verschwörung im Hinterzimmer, es ist eine Armee.

Geowas?

Gleichwohl erfahren wir von ihnen und den von ihnen wiederum rekrutierten Lohnschreibern nichts über Hegemonie, Geostrategie oder nationale Interessen. Letzteres kann man vielleicht noch verstehen, wurden diese doch äußerst erfolgreich durch das stärkste Machtmittel der USA untergraben: Ihre Macht über Medien und sogenannte (inzwischen meist von den USA als Staat finanzierte) 'NGOs'.

Zum Thema "Hegemonie" ist es ganz erstaunlich, dass Boris Johnson es sogar offen ausgesprochen hat, dass es im Ukraine-Krieg um die "westliche Hegemonie" geht, die "unwiederbringlich verloren" sei, wenn man ihn verlöre. Die Reaktion der Medien? Mir ist keine bekannt. Geostrategie, wie sie durch die USA in Reinform auf allen denkbaren Ebenen geplant und hemmungslos exekutiert wird, ist in Europa eine völlig unbekannte Vokabel.

Derart von keiner relevanten Realität beeinflusst, ist jede Basis der Diplomatie zerstört. Die Wahrnehmung der Interessen anderer – auch und gerade des Gegners, Rationalität, Kenntnisse gleicher und gegensätzlicher Interessen, ein Hinwirken auf gemeinsame Vorteile und das Vermeiden von Nachteilen, werden zugunsten einer kruden Erzählung von Freiheit®, Menschenrechten®, den Guten und den Bösen geopfert.

La Le Lu

Dabei ist die Erzählung der US-Neocons, die schon seit Reagan die Regierungen begleiten, seit den Zeiten von Wolfowitz und Cheney, bis hin eben zu Nuland, Blinken, Sullivan und Konsorten, so durchsichtig, dass einem der Kaffee gefriert. Aber sie haben eben die mediale Macht gebündelt, mit der sie jeden Stuss so lange wiederholen können, dass wenigstens der Kern der Mittelschichten daran glaubt.

Wo früher Diplomatie war, plappern heute Gestalten wie Borbeck aus einen Bunker unterhalb der Bodenlosigkeit. Während Infrastrukturen wie die NED (National Endowment for Democracy) und ähnliche philanthropische Mächte überall auf der Welt für Krieg und Chaos sorgen und dafür, dass gepäppelte Minderheiten gegen die Interessen der jeweiligen Bevölkerungen US-Interessen durchsetzen, erfahren wir hier nur mehr, was Held Selenski sagt und was Dämon Putin entgegen eigenen Worten wirklich in Echt denkt.

Übrigens wusste etwa der "Spiegel" 2008 noch, dass das Pentagon Meinung "gekauft" hat und nannte das Ergebnis "Pseudo-Journalismus". In Frühzeiten eines Journalismus wusste man auch noch, dass es auf Produktionskapazitäten, Ausrüstung, Entwicklung und strategische Aufstellung ankommt, um Machtverhältnisse einzuschätzen. Heute wird uns nur noch erzählt, wer angeblich was will und warum sich allein daraus ergebe, was politisch zu tun sei. Politik als Gutenachtgeschichte.

   
dt

Wenn ich verstehen will, was im Krieg in der Ukraine im Groben passiert, muss ich mir folgende Fragen beantworten können:

Wie viele Waffen welcher Gattungen und wie viel Munition haben die beiden Seiten bislang ungefähr eingesetzt? ?

Wie viel(e) davon setzen sie davon aktuell pro Tag/Woche/Monat ein?

Wie sind die Produktionskapazitäten, wie haben sich diese im Verlauf des Krieges entwickelt?

Was waren bislang der Erfolge der von der NATO gelieferten Waffen? In welchem Verhältnis stehen die Erfahrungen zu den zuvor kommunizierten Erwartungen?

Was versprechen sich die Befürworter von der Lieferung bestimmter Waffen, wie äußern sich neutrale Militärexperten dazu?

Was sind die expliziten Kriegsziele der Russen? in welchem Verhältnis dazu steht ihre bisherige Taktik und Strategie? Was haben sie erreicht?

Was sind die expliziten Kriegsziele der Ukrainer/NATO? in welchem Verhältnis dazu steht ihre bisherige Taktik und Strategie? Was haben sie erreicht?

Wer legt die Taktik und Strategie der Ukraine fest? Wer setzt sie um?

Welche Interessen haben die Russen explizit in diesem Krieg?

Welche Interessen haben die Ukrainer/hat die NATO explizit in diesem Krieg?

Welche Interessen haben die beiden Seiten explizit, die sie nicht explizit in Verbindung mit dem Krieg kommunizieren (mithin nachweisbare Interessen, die sie nicht als Kriegsgrund erwähnen)?

Wie haben sich die Aussichten der Kriegsparteien, ihre Ziele zu erreichen, im Verlauf des Krieges verändert?

Was sagt die russische Propaganda, was sagt die westliche Propaganda, wie ist der Verlauf der Aussagen über den Verlauf des Krieges, welche haben sich bestätigt, welche wurden widerlegt?

Welche Ereignisse vor 2022 können zum Ausbruch des Krieges beigetragen haben? In welcher Beziehung stehen sie zum Handeln der späteren Kriegsparteien?

Was ist Minsk II?

Was wurde im Frühjahr 2022 verhandelt?

Welche Quellen haben sich im Verlauf des Krieges als zuverlässig erwiesen im Hinblick auf Analysen und Prognosen? Welche haben sich geirrt, in welcher Beziehung stehen erkennbare Irrtümer zu Korrektur und Kritik?

Wenn man das nicht weiß, ist man nicht annähernd dazu imstande, sich qualifiziert dazu zu äußern. Schließlich, am Rande: Was erfahre ich von den Massenmedien zu den genannten Fragen? Welches Schmerzmittel ist angesichts dieses Befundes zu empfehlen?

 
dt

Ich möchte es einfach einmal aufschreiben, weil es mich nervt. Es sind keine neuen Erkenntnisse, es ist nicht vollständig und auch nicht die Quintessenz, vielmehr sind es ein paar Binsenweisheiten, die man beachten muss, um sich nicht zum publizistischen Vollhorst zu machen. Kann aber scheinbar niemand mehr. Die Journaille, die sich für ihr grottiges Ejakulat noch mit Medaillen behängt, ebenso wenig wie die ach so alternativen Fuzzis aus jedem Krawallblog, die glauben, es genau so gut zu können. Dabei könnten die wenigstens an der Stelle, wo sie damit recht haben, einmal kurz innehalten.

Es gibt so einiges, das ist von der Sorte 'Tut man nicht', und das heißt so, weil man es nicht tut. Das ist zum Beispiel abschreiben. Tut man nicht. Niemals. Wenn ich eine Meldung lese, habe ich der gefälligst zu misstrauen. Wenn sie nicht in mein Weltbild passt, bin ich misstrauisch, weil ich mir das nicht zufällig zusammengebaut habe. Ich halte Dinge für wahr, möglich, wahrscheinlich, unwahrscheinlich, unmöglich oder unwahr. Was da weiter rechts angesiedelt ist, macht mich stutzig.

Cogito ergo sum

Wenn ich etwas erfahre, das mein Weltbild stark bestätigt, – HALLO, ZUHÖREN! – dann macht mich das stutzig. Weil ich mir nicht traue. Ich bin ein Mensch, ich habe Neigungen, die meinen Verstand beeinträchtigen. Kritisch bin ich, wenn ich mich selbst anzweifle. Was mich bestätigt, hat daher geprüft zu werden, als sei es unmöglich. Gibt es noch andere Quellen? Hat meine einen Grund, das so und nicht anders darzustellen? Haben die, auf die ich mich beziehe, schon einmal gelogen? Ja, das ist ein anderes Geschäft als irgendwen zu zitieren, nicht wahr? Da ist der Copy and Paste-Hanswurst schon lange fertig, wo die Arbeit eigentlich beginnt.

Propaganda zum Beispiel, macht man nicht! Wenn ich eine öffentliche Meinung verstärke, dann ist das Propaganda, nichts anderes. Wenn die Medien voll sind mit Meldungen, dass Loriot ein furchtbarer Schurke ist, dann habe ich alles Mögliche im Sinn, aber nicht zu erzählen, wie furchtbar der Superschurke Loriot ist. Ich schreibe keine Anti-Loriot-Appelle¹, niemals, denn das ist Propaganda. Ich äußere mich niemals über Schurkereien von Loriot, die ich nicht für zweifelsfrei bewiesen halte, denn das wäre üble Propaganda. Im Gegenteil habe ich den Anspruch, nur etwas zu sagen, wenn es eine Sache aus einer neuen Perspektive beschreibt oder neue Fakten enthält. Sei es auch nur mein Ärger, dann habe ich das aber genau so deklarieren.

Womit wir bei Transparenz sind: Das Einzige, das nicht zur Informationspflicht gehört, sind Quellen, deren Wohlergehen sonst gefährdet wäre. Alles andere wird offengelegt, vor allem von mir selbst: was mich bewegt, warum ich etwas sage, wie ich denke, wie ich dazu komme, was mich treibt, wer mich beeinflusst, wer mich bezahlt. Alles andere läuft auf Propaganda hinaus. Ich kann mich auch irren, dann sage ich auch das, und zwar sobald ich meinen Irrtum feststelle. Das ist ganz einfach, wenn man sich selbst nicht für wichtiger hält als die Nachricht oder den Kommentar.

Das Urteil

Womit wir abschließend bei dem sind. Ein Kommentar darf fast alles, aber nur, wenn das da oben beachtet wird. Sonst ist er Propaganda. Der Kommentar ist die höchste Kunst, die das höchste Risiko birgt, in miserabelste Propaganda abzurutschen. Ein Kommentar ist ein Urteil, meist sogar eine Sammlung von Urteilen. Die lässt man nicht ab, wenn man sich nicht in die blutigen Abgründe des Zweifels begeben hat. Was zweifelhaft ist, muss zweifelhaft bleiben, der Rest ist die Wahrheit. Wenn einer dann ein verurteilter Hanswurst ist, darf man ihn so nennen. Wenn etwas skandalös ist, darf man Konsequenzen fordern.

Aber gerade hier gilt: Wenn ich mich geirrt habe, muss ich meinen Irrtum lauter beklagen als ich vorher andere angeklagt habe. Ich muss deutlich machen, dass, worin und warum ich mich geirrt habe. Ich muss mir und anderen die Gelegenheit geben, aus solchen Fehlern zu lernen, und ich selbst habe die verdammte Pflicht dazu.

So, und dann sagt mir mal, wo diese Maßstäbe gelten? Ich weiß, es ist traurig, aber wenn wir sie aufgeben, bleibt irgendwann nichts mehr außer Hetze und Geschrei.

¹: Für Schlaumeier ergänzend angemerkt: selbstverständlich schreibe ich auch keine Pro-Appelle oder Elogen jedweder Art. Muss ich erwähnen, dass das Propaganda wäre?

November 2014

 
xx

Ein Blogger schrieb vor Jahren einmal, wenn die Bioläden im Kiez auftauchen, sei es Zeit, seinen Umzug zu planen. Als nächstes kommen die Schwaben Lastenfahrräder, dann die Grünen und die Linken, dann die Mieterhöhungen und dann die Säuberung von den Ureinwohnern. Wer von denen noch bleibt, wird rausgeekelt, weil sie alle rechts® sind.

Ein ähnlicher Prozess betrifft die Redaktionen, bei denen, die die Stirn haben, sich Journalist:*_Innen zu nennen. Man kann das derzeit mit adäquatem Ekel bei Telepolis beobachten, wo nicht nur zunehmend Atlantiker ihren Propagandamüll auskippen, sondern sie jetzt auch noch Lifestyle-Gülle verklappen: "Joggen leicht gemacht: So überwinden Sie mentale Blockaden" R.I.P.

Wenn die Lastenräder kommen

Nun, wie kömmt derartiges? Einen deutlichen Hinweis gibt eine Umfrage unter Journalisten, in der 41% der Befragten sich als Grünen-nah bezeichnen und weitere 16% als SPD-nah. Fast zwei Drittel hängen also den atlantisch-woken Umfallerparteien an. Dabei muss man noch beachten, dass die 23% der Überparteilichen mit Vorsicht zu genießen sind, da diese Antwort aus Opportunismus gegeben worden sein kann.

Auch der Altersschnitt (46) ist interessant. Er liegt mitten im Spektrum der Spanne zwischen 25 und 67. Gehen wir von einer Normalverteilung aus, liegt das Gros also ebenfalls zwischen 40 und 50. Selbst die Ältesten aus dieser Gruppe kennen die Grünen nur mehr als Mix aus Ost-Protestanten und Atlantiker-Wessis; inhaltlich als die Partei der Laufzeitverlängerung, Angriffskriege und Hartz IV.

Ich weise immer wieder darauf hin, dass es keine gute Idee war, den Kannkeinmathes und verwöhnten Mittelschichtsgören den Journalismus zu überlassen. Das sind übrigens keine Linken, auch das in Endlosschleife: Links ist Klassenkampf für unten, nicht das Gegenteil.

Kein Wünschdirwas

Würde ich mir als linker Klassenkämpfer eine Redaktion unter Leitung des säzzers backen, hätte ich natürlich zuerst diejenigen, die schreiben können – prägnante, stilsichere Texte, aus denen ich etwas lerne oder nach deren Lektüre ich mir zumindest Fragen stelle. Sicherlich keine Geschichten, die mich einlullen. Eine Seltenheit in der echten Welt.

Politisch würde ich sie eher mit Konservativen besetzen, die mich von ihrer Sicht überzeugen oder es zumindest versuchen müssten. Was niemand braucht, sind Schwurbler, die schreiben, was die Chefs hören wollen, und die ihre Leser mit Geschichten für Kleinkinder versorgen.

So viel zum Wünschdirwas. Wieder in der echten Welt, hat das BVerfG just geurteilt, dass das BAföG nicht den Lebensunterhalt sichern muss. Die Praxis hält schon lange die Proleten von den Unis fern und wird in Zukunft noch zuverlässiger dafür sorgen. Deren Interessen kennen wir dann als die von Nichtsnutzen und Faulpelzen.

 
zara

Abb.: Arbeitsplätzchen hassischer Rucker

Die folgende Kollage besteht aus Zitaten des deutschen Qualitätsjournalismus. Kämpfen wir gemeinsam für die Wahrheit und gegen die feindliche Propaganda!

Als Machthaber Putin unprovoziert die brutale volle Invasion gegen das demokratische Nachbarland befahl, haben russische Hacker den hybriden Cyberkrieg ausgerufen. Unterstützt wird Russland vor allem durch das Regime von Machthaber Assad, die Diktatur des Kim Jong Un und Xi Jinping, dem Parteisekretär und überzeugten Kommunisten.

Mit dem Diktator von Belalalaruss, Machthaber Lukaschenko, ist Putin gar verbündet. Wer sind also die Getreuen des brutalen Zars von Moskau, was zeichnet sie aus? Dem mächtigsten unter ihnen, Xi, geht es vor allem um ideologische Treue und nationale Sicherheit. Dafür unterdrückt er Volksgruppen wie die Uiguren und will Taiwan annektieren. Der Reichtum in seinem Land ist höchst ungleich verteilt.

Who Is Who

Lukaschenko ist der letzte Diktator Europas. Regierungsgegner werden bei ihm von Polizisten und Gefängniswärtern geschlagen, misshandelt und gefoltert. Die Schreie sind bis auf die Straße vor dem Gefängnis zu hören. Man kann das Knirschen der Knochen hören.

Über Kim Jong Un ist nicht viel bekannt, da er sein Land aus einer Geheimbasis regiert. Er soll Gegner regelmäßig hinrichten lassen. Dazu bindet er sie vor Kanonen, lässt sie totschlagen oder verfüttert sie – sogar die eigenen Verwandten – lebendig an Hunde. Oft werden dabei auch die Familien der Opfer hingerichtet, einschließlich der Kinder, die er dabei zusehen lässt.

Die unheimliche Weltgefahr

Am wichtigsten aber sind Putins Hacker von der Cyberarmee, die sich für seinen Cyberkrieg gerüstet haben und die ganze Welt manipulieren wollen. Aber auch díe prorussische Hackermafia von Putins Gnaden gehört dazu. In ihrem weltweiten Cyberkrieg greifen die gefährlichsten Hacker der Welt Microsoft, den Bundestag, die SPD, deutsche Kommunen oder das Schienennetz an. Sogar mit DDoS und Phishing. Sie können auch die Strom- und Wasserversorgung lahmlegen. Das macht Angst, verständlicherweise.

Sie verbreiten außerdem als Putins Lügenmaschine Desinformationen, zum Beispiel, die Ukraine werde von einem Neonazi-Regime regiert. Dabei vertritt die demokratisch gewählte ukrainische Regierung mit einem Präsidenten jüdischer Herkunft keine neonazistische Ideologie. Mit solchen und anderen Verschwörungstheorien manipulieren sie sogar die Wahlen im Westen, einschließlich der US-Präsidentenwahl.

 
zara

Kann man sich einen Meinungsaustausch vorstellen, der auf Moral und emotionalisierende Appelle verzichtet? Wohl kaum. Der Wissenschaftliche Diskurs, sofern er sich – was man im Betrieb wahrlich auch nicht durchgängig vorfindet – an die eigenen Regeln der Wissenschaftlichkeit hält, ist der Disput eben um das, was ist, was möglich ist, wahrscheinlich oder unwahrscheinlich. Darin besteht das Ziel des Austauschs.

Bei entsprechend strenger Auslegung der Regeln ist gesichert, dass vor allem stets geklärt ist, worin der Gegenstand der Betrachtung besteht, was es über ihn zu wissen gibt und was nicht. Es darf in diesem Diskurs keinen Vorteil versprechen, eine Beschreibung der Realität gegenüber einer andern vorzuziehen oder abzulehnen, und emotionale Prioritäten haben darin schon überhaupt nichts zu suchen. Wo derartiges auch nur toleriert wird, ist der wissenschaftliche Erkenntnisprozess am Ende.

Ereignis, Erkenntnis, Glaube

Produkte, die aus solchen Strukturen hervorgehen, können dann ggf. noch auf dem Meinungsmarkt verklappt werden, schlimmstenfalls entstehen sogar Zweige nur so genannter Wissenschaft, die nur darauf ausgerichtet sind, zumal in 'Geisteswissenschaften', in denen es als "Forschung" gilt, Texte auf Basis von politischen Glaubenssätzen zu produzieren. Ihnen ist gemein, dass sie entweder schon nicht falsifizierbar und damit hinfällig sind, oder sogenannte Wahrheiten behaupten, die sich nicht reproduzieren lassen. Insofern liefern sie eben statt Erkenntnissen selbst nur Meinungen.

Der Journalismus hatte sich – zumindest in seinen ideologischen Selbstbeschreibungen – Regeln auferlegt, die der Wissenschaftlichkeit ähnlich und an diese angelehnt sind. Im Fokus dieser Regeln lag vor allem das Berichten und Beschreiben von Ereignissen, die Wahrhaftigkeit und Prüfbarkeit der Reportage. Man kann also sagen, dass ein Journalismus der höchsten Qualitätsstufe dem Ereignis so viel Respekt zollt wie die Wissenschaft der Erkenntnis. Meinung und die mit ihr transportierte Moral – ebenso wie umgekehrt – machen solche Qualität zunichte und verkehren das Bemühen in sein Gegenteil.

 
ss

Migrationsursache Nummer eins

In meiner ersten Reaktion auf das Wahlergebnis sagte ich gestern u.a.: "Putin hat manipuliert", und prompt liefert heute der Kuhjournalismus: "Sieg für Putin". Zwar ist die Quelle la Repubblica, aber der Tagesschaum ließ es sich nicht nehmen, das mit Freuden zu zitieren. Was der extremen Mitte nicht passt, ist eben Putin. So denkt man halt, wenn man aus dem Mittelalter nicht herauskommt.

Die Verblödung ist vollständig, wenn man an die eigene Propaganda glaubt. Das, was als "KI-Demenz" bezeichnet wird, wenn Large Language Models mit ihren eigenen Auswürfen gefüttert werden, ist dasselbe. Man rotiert um ein Nichts aus hohlen Phrasen. Wo das zum Weltbild wird, ist man in der Chefredaktion herzlich willkommen.

Propagandademenz

Ich wiederhole aus den Kommentaren ein paar Bemerkungen zu den Wahlen: Es ist keine Revolution, es ist Rebellion, und die ist primitiv, mithin politisch tendenziell 'rechts'. Aber die unreflektierte Ablehnung des Bestehenden ist immer noch Ablehnung. Auch wenn sie nicht wissen, dass es der Kapitalismus ist, lehnen sie diesen m.E. ab – wenn auch unbewusst. Konkrete Negation auf diesem fatalen emotionalen Niveau. Aber war es je anders?

Sie benörgeln den Ist-Zustand, und der ist ein Kapitalismus. Die Ideen in ihrem Programm, vertreten durch einen Teil ihrer Funktionäre, so sie durchgesetzt würden, würden keinen ihrer Wähler zufriedener machen. Dass sie nicht wissen, dass sie mit dem Kapitalismus als solchem unzufrieden sind, ändert das nicht.

Man stelle sich vor, die Funktionäre der AfD würden ihre neoliberalen und umfassend diskriminierenden Pläne umsetzen. Wie würde sich das wohl aufs Wahlverhalten auswirken? Das gilt ähnlich für das BSW: Die versprechen, sozialer zu sein, würden mit ihrem Firlefanz aber gar nichts ändern. Sie sind ja eine SPD. Man betrachte nur deren Versprechungen, deren Handeln und das Resultat bei den Wahlen.

Verbrennt die Hexe!

Wer mit den Zuständen im Endstadium des Kapitalismus unzufrieden ist, ist eben mit diesem unzufrieden. Weil sie es aber nicht verstehen, rebellieren die Wähler auf unterschiedliche Weise. Sie wenden sich intellektuell nicht explizit und konkret gegen das System, sondern gegen ihre Lage, ihr Gefühl und vermeintlich Schuldige.

Das wäre mein Alternativangebot zu den Modellen "Putin ist schuld", "alles Nazis", "Hassbotschaften härter betrafen" und "die Ukraine muss gewinnen". Mithin das eines Putinverstehers, der so linksextrem ist, dass er als Nazi auf der anderen Seite wieder herauskommt. Ich plädiere für eine Internetsperre.

 
ss

Qualitätsjournalismus ist Kopfsache.

Ich gebe bekanntlich nicht allzu viel auf Umfragen, nicht zuletzt, weil diejenigen, die sie noch beantworten, durch ihre Willigkeit bereits einen Filter bilden, der das Weltbild der extremen Mitte, um das es in der Regel geht, schon dadurch bestätigt. Radikale Kritik oder Abwendung vom politischen und medialen Theater wird dadurch schwer messbar.

Umso lauter schlägt eine Granate ein, die der gemeine deutsche Medienkonsument seinen Lieferanten ins Dach geschossen hat. Ich gehe davon aus, dass der Trend sich fortsetzen und verstetigen wird, denn die Einzigen, die den Sturzflug einer schon lange erbarmungswürdigen Qualität nicht bemerken, sind diejenigen, die dafür verantwortlich zeichnen. Die Reaktion der Staatsfunker auf die Nachricht fällt erwartungsgemäß danach aus:

Der Makel der Anderen

"ARD-Chefredakteur Oliver Köhr findet die Zahlen erschreckend – auch wenn er betont, dass deutsche Medien als Ganzes beurteilt wurden, nicht allein der öffentlich-rechtliche Rundfunk. "Insgesamt ist es aber tatsächlich beängstigend, dass so viele Menschen kein Vertrauen in die Berichterstattung haben."

Ich habe das in den Kommentaren bereits wie folgt gewürdigt:

Speichel-Chefredakteur Markus Mumps findet die Zahlen erschreckend – auch wenn er betont, dass deutsche Medien als Ganzes beurteilt wurden, nicht allein der Speichel.
FAX-Chefredakteur Michi Masern findet die Zahlen erschreckend – auch wenn er betont, dass deutsche Medien als Ganzes beurteilt wurden, nicht allein die FAX.

Die Bewohner der Blase können gar nicht mehr erkennen, wo das Problem liegt, denn sie verkörpern es. Ihr Glaube, ihr Lebensstil, ihre vermeintlichen Werte, ihre Umgangsformen, ihre Statussymbole, ihre auf einen Schlitz verengte politische Perspektive, die Anpassungsstrategien an ihre Peergroup, das alles ist unsichtbar für sie, gerade weil es den Inhalt ihrer Produkte ausmacht. Sie verwechseln die Welt mit ihrem Weltbild, weil sie keine Prozeduren mehr haben, die den Unterschied offenlegen.

Die Selbstkontraktion ist schon mindestens in der zweiten Generation in ihre Bildungssysteme übergegangen; die Filter bestehen noch viel länger, sodass es keine objektiven Kriterien für Kompetenz mehr gibt, sondern stets und immer nur die reaktionäre Bestätigung des Status Quo, ideologischer Beton.

Krise? Welche Krise?

Deshalb folgt der komplette Betrieb einer routinierten und gut geölten Meinungsproduktion – wohlgemerkt innerhalb der Blase der Medienproduzenten. So ist es auch zu erklären, dass die durchaus vorliegenden Informationen wie Strategien aus Think Tanks, nicht-westliche Medien oder schlicht die allerjüngste Geschichte im Nu so feingefiltert werden, dass die absurdesten Konstrukte als einzig wahre Wahrheit Verbreitung finden und sich offenbar niemand mehr findet, der etwa die merkwürdige Übereinstimmung mit den Verlautbarungen des Weißen Hauses zur Kenntnis nimmt.

Im Gegenteil werden ausgerechnet Abweichler, die jene Diskursverengung und Einseitigkeit kritisieren oder Kriterien heranziehen, die in den Filtern der extremen Mitte hängen bleiben., reflexhaft als Verschwörungstheoretiker markiert – nicht wegen der Qualität ihrer Äußerungen, sondern wegen abweichender Wertungen.

Daraus ergibt sich die Erkenntnis, dass da absolut nichts mehr zu retten ist. Das muss bis auf die Grundmauern abbrennen und von der nächsten Flut davongeschwemmt werden. Tröstlich, dass sie sich konsequent selbst einmauern und das Gros ihres orthodoxen Gemurmels hinter Paywalls sperren. Auch, wenn ich dann nie erfahren werde, warum ein Orgasmus Kopfsache ist. Na immerhin der.

 
ss

Abb.: Rechte schlagen auf ein Opfer ein.

Im Vereinigten Königreich sind die Knäste voll. Resultat: zu wenig Platz für Rechtsradikale®. Wir erinnern uns: Das sind die, die im wohl unsozialsten Staat Europas Randale machen. Einem Staat, dessen Auswahl politischer Charaktermasken gleich welchen Schnitts die Steuern für Reiche und ihre Unternehmen nicht niedrig genug sein kann.

Leute, die seit Thatcher und Blair nur die Armen mehr hassen als ihre Armut und die für den Rest Milliarden verschenken, um Ukrainer bis zum Völkerselbstmord in einem Stellvertreterkrieg Hegemonie des Wertewestens vs. Russland verbluten zu lassen, erklären alle, die gegen die Wirklichkeit in ihrem hässlichen Staat rebellieren, zu Rechtsradikalen. Im Zweifelsfall ist es ihnen auch nicht zu peinlich, wen auch sonst, Putin dafür verantwortlich zu machen.

Das Böse ist überall

Woher kommen die ganzen Nazis eigentlich so plötzlich? Überhaupt: Diese Erklärungen, die tagesaktuell aus dem Nichts geschöpft werden, Kräfte, die nie wer hat kommen sehen, Akteure wie Ereignisse, die geradezu darauf angewiesen sind, einem mystischen Bösen (Rechte/Putin) zu entstammen, das sie nach Gusto erscheinen und auch wieder verschwinden lassen kann – das müssen wir dann glauben?

Das letzte Aufgebot der, von Boris Johnson ausdrücklich beklagt, schwindenden Hegemonie hat eines vermeintlich richtig gemacht: Sie beherrschen die Medien des ganzen Westens wie keine Elite zuvor. Was gedruckt und gesendet wird – ich empfehle, dies sporadisch zu prüfen – kann man wortgleich auf den Seiten des Weißen Hauses lesen, wo es nicht Regierungspropaganda der Vasallen, ihrer Geheimdienste oder das Geplapper der PR-Bude ISW, Eigentum der Familie Nuland, ist.

Täglich frisch

Das Erstaunliche an diesem journalistischen Ödland, das sich bis in die Sportberichte erstreckt, ist, dass es überhaupt noch existiert. Niemand will dafür zahlen. Das Gros der Abonnenten stirbt sprichwörtlich aus, keine neuen in Sicht. Derweil kommen sie uns mit Plus-Content, in dem alte Schinken in vierter Auflage erscheinen, weil damals etwas los war, das sogar noch wer aufgeschrieben hatte, der etwas davon verstand.

Allerdings unterliegt auch das noch der Einschränkung, dass es in die täglich frische Geschichtsschreibung passen muss. Das dürfte derweil noch das Spannendste sein an dem ganzen exjournalistischen Gammelfleisch: die Frage, welche hirnpürierende Geschichtsklitterung sie sich als nächste aus dem Rektum ziehen.

 
ss

Ich hatte dieser Tage einige Gespräche mit jemandem, der sich erklärtermaßen nicht sonderlich "für Politik interessiert". Der Mann hat hier und da seltsame Ansichten, und als ich jung war, hätte ich ihm vermutlich Tiernamen gegeben und ihn für hoffnungslos unwürdig erklärt. Stattdessen nahm ich seine Erlaubnis über uninteressante Dinge zu sprechen wahr, um ihm einige interessante Informationen zu geben; prüfbare Informationen, die er dann tatsächlich auch ganz interessiert aufnahm.

Derselbe sprach mich heute ganz von selbst auf das Thema Ukraine und Konvoi an; da hatte ich noch gar nicht zur Kenntnis genommen, was gleich noch folgen wird. Ehrlicherweise sagte ich, dass ich nur zwei Quellen hätte, aus denen ich Informationen dazu hätte, nämlich das, was die versammelte Journaille so recherchiert hatte: Die Ukrainische Regierung und Ria Novosti. Was soll ich mit solchen 'Informationen'? Die meisten benennen dabei nicht einmal Poroschenkos Kriegspartei, und im Internet Zeitung lesen kann ich eh selber. Dazu brauche ich keine Zweitverwerter.

Abschreiben, verkünden, vollstrecken

Einen Schritt zurück kurz: Ich hatte mir eh gestern schon folgendes notiert:
"In Spanien gibt es einen Ebola-Verdachtsfall", meldete die FR. Soso, einen "Verdachtsfall", und das ist dann eine Meldung? Wieso? Es kann nur einen Grund geben: Klingt gefährlich, erregt Aufmerksamkeit. Hat aber null Inhalt. Kann man da nicht warten, bis sich das bestätigt hat oder eben nicht? So geht Qualitätsjournalismus.

Die nächste: "IS-Miliz soll 700 Stammesangehörige getötet haben", steht in der Sueddeutschen und einem Dutzend anderer Medien, wird auch im Radio erzählt. "Soll", könnte, hat vielleicht, vielleicht auch nicht. Ist das eine Meldung? Und was habt ihr für mich dahinter? Waren es vielleicht mehr oder weniger als 700? Vielleicht hat das gar nicht stattgefunden? Oder es hat etwas stattgefunden, man weiß aber nicht, wer, wo und was genau? Q-Journalismus halt.

Derweil hört man nach der gespielten Empörung der Propaganda überhaupt nichts mehr vom Flugzeugabsturz in der Ukraine. Nicht einmal Fragen. Der "Spiegel", das Hetzblatt für transatlantische Gemütlichkeit, hatte doch so auf die Trommel gehauen. Was ist denn nun, ihr Superreporter? Kuhjournalismus ist, und die Viecher wieder im Stall. Auf jedem Dorf kriegst du Watschen, wenn du so einen Mist verzapfst und dann so tust, als hättest du nie etwas gesagt.

Suche nach dem Tiefpunkt

So ist es auch derselbe Stall, aus dem ernsthaft ein zweifelnder Leser, der nach Belegen für Behauptungen fragt, abgespeist wird mit der Gegenfrage: "Gibt es eigentlich konkrete Belege, dass dem nicht so ist?"
So denken sie da. Es wird etwas verkündet, in der Regel auf Befehl aufgeschrieben oder stumpf abgeschrieben, und daran hat man gefälligst nicht zu zweifeln, bis das Gegenteil bewiesen ist. Der Leser ist hier dummer Untertan, sonst nichts.

In Grunde kann man sich solche Beispiele schon schenken, denn es gibt keinen Journalismus mehr. Wahrscheinlich wird dieser Nützliche Idiot noch einen Preis verliehen bekommen für seine treuen Dienste, so wie Obama den Friedensnobelpreis und Kleber den Hans-Joachim-Friedrichs-Preis. Diese Farce kann nämlich kein Ende finden, solange kulturell und intellektuell noch ein Stein auf dem anderen steht. Da gibt es immer etwas, das man noch nicht ganz ruiniert hat. Am Montag. Am Kiosk.

August 2014

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