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Längst ist es für die gesamte westliche Politik, die bis zur Ununterschiedbarkeit mit ihren Medien verwoben ist, wichtiger, Geschichten zu erzählen als Ereignisse zu beherrschen. So wie der Kapitalismus nur das Ziel Profit kennt und dem alles unterordnet, ist das Geschäft der Medien, vor allem unter der Ägide der Atlantiker und Neocons, das, Wahrheit zu produzieren – ohne Rücksicht auf die Realität.

Die kann man aktuell oder rückwirkend kurz- und mittelfristig darstellen, wie es einem gefällt, und die langfristige Geschichtsschreibung, die diese Fraktion immer(!) beim Lügen erwischt hat, ist in diesem Spiel keine relevante Kraft. Bemerkenswert, dass selbst das Wissen um diese Lügen (Brutkastenlüge, Saddams Chemiewaffen, Massaker von Rugowa) nicht dazu führt, dass die Lügenproduktion als solche erkannt wird.

In diesem Zusammenhang braucht man keine Verschwörungstheorie, um am Ende doch wieder nach Henne oder Ei zu fragen, um zu erkennen, wie fatal das Standard gewordene "Storytelling" im Restjournalismus wirkt. Dass einer der größten Lügner des Journalismus – Klaas Relotius – einer der meist ausgezeichneten ist, ist jedenfalls kein Zufall. Information und Wahrheit werden zwischen den Mühlsteinen Profit und Ideologie zerrieben.

Geschichtenerzähler

Nicht weniger klar wird das anhand der inzwischen längst völlig üblichen Praxis, Geheimdienste als Quellen zu verwenden. Deren Kernaufgabe, egal, welchen es betrifft, ist ausdrücklich Desinformation. Die Dilettanten in den Redaktionen bilden sich vermutlich ein, das beträfe deren Abwehr. Nein, die 'Dienste' sind Propagandaschmieden, und jeder, der sich mit deren Geschichte auch nur wenige Minuten lang beschäftigt, weiß das.

Wir werden also ganz ungeniert mit netten Geschichten und Desinformation beliefert. Das reicht aber ja noch nicht. Es wird, wie in jeder Religion und jeder Sekte der Vergangenheit, unter Drohung der Exkommunikation aufgefordert, dem Glauben beizutreten und ihn zu verbreiten. Die schlimmste Blasphemie ist dabei die, einem anderen anzuhängen. Das tun nur Ketzer und Lumpen.

Politik und Journalismus sind wie alle Kulturphänomene bisher religiösen Ursprungs und radikalisieren sich in Krisenzeiten. Die Begleiterscheinungen sind Aggression, Fanatismus und Barbarei. Die reaktionären Kräfte, denen die Anpassung an Veränderungen nicht mehr gelingt, treiben mit Eifer den Untergang voran und erkennen wie immer zu spät, dass es ihr eigener ist.