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Es ist sicherlich so, dass die Erinnerung sich gern in einen farbigen Nebel von Nostalgie begibt und sowieso die schlimmen Erlebnisse verdrängt und zugekleistert werden, während das Leiden der Gegenwart nicht laut genug bejammert werden kann und die Freuden immer so schnell vergehen. Das kann so weit gehen, dass Revisionisten sich vormachen, es sei "ja nicht alles schlecht gewesen" unterm Führer.

Ich rede vornehmlich von Politik an dieser Stelle, und da war es damals tatsächlich und systembedingt besser. Warum? Vor allem, weil man glauben musste, es sei so, und (vermeintlich) reale Möglichkeiten sah, die heute nur noch als Luftschlösser in der Propaganda vorkommen.

Vom Redner zur Sprechpuppe

Nehmen wir mal die Soziale Marktwirtschaft®, damals noch ohne Markenkennung. Es schien, als könne man ein bisschen Kapitalismus machen und ein bisschen Sozialismus, alles in Eintracht und Harmonie der Demokraten® und unter dem Primat des Politischen über die Ökonomie. Es wurde darüber gestritten, wie das gehen solle – zunächst unter Parteien, die den Sozialismus dem Kapitalismus vorzogen, einschließlich der CDU.

Diese kehrte schon recht zügig unter ihrem ersten Endboss Adenauer von der Idee ab und verortete Sozialismus nur mehr im Marxismus der DDR und der Kommunistenfreunde aus der SPD. Die wiederum hielten es programmatisch noch mit Marx, wo sie faktisch längst von ihm abgefallen waren, immerhin aber sollte es noch Sozialismus sein und ein bisschen vom Anderen.

Die Personalisierung in der Politik funktionierte auch deshalb so gut, weil es eine Schar rhetorisch begabter und leidenschaftlicher Vertreter der jeweiligen Geschmacksrichtungen gab: Strauß, Wehner, Brandt, Schmidt, Schiller, Genscher und weitere, die der Erwartung jederzeit gerecht wurden, nicht bloß "meine Damen und Herren" und die aktuellen Buzzwords in ein quälendes Gestammel einzupflegen, sondern regulär reden zu können.

Hohl, leer

Auch das hat sich vollständig abgeschliffen in einer Republik, die sich schleichend von allen Elementen eines Sozialismus nicht bloß befreit hat, sondern deren Establishment sich nicht weniger als die Vernichtung dieser Denkrichtung ankreiden lassen muss und noch jeden Gedanken daran verfolgt, wo sie längst irrelevant wurde. 'Diskussionen' sind nur noch die Simulation der Wiederholungsschleifen, exekutiert von intellektuell maroden Sprechpuppen ohne jedes Talent.

Das System selbst liegt derweil in einer Dauerschleife der Konkursverschleppung. In einer Wirtschaft, in der das Kapital um ein Vielfaches den Wert der Substanz übersteigt, ist Wachstum® – Profite, Steigerung des Kapitals – das einzige Ziel. Es ist eine deprimierende surreale Situation, gegen die im echten Leben eine hochdosierte Medikation verabreicht würde. Im Betrieb geht es derweil noch immer um alles: Posten, Pfründe, Diäten. Und alle machen mit.