Ich hatte dieser Tage einige Gespräche mit jemandem, der sich erklärtermaßen nicht sonderlich "für Politik interessiert". Der Mann hat hier und da seltsame Ansichten, und als ich jung war, hätte ich ihm vermutlich Tiernamen gegeben und ihn für hoffnungslos unwürdig erklärt. Stattdessen nahm ich seine Erlaubnis über uninteressante Dinge zu sprechen wahr, um ihm einige interessante Informationen zu geben; prüfbare Informationen, die er dann tatsächlich auch ganz interessiert aufnahm.
Derselbe sprach mich heute ganz von selbst auf das Thema Ukraine und Konvoi an; da hatte ich noch gar nicht zur Kenntnis genommen, was gleich noch folgen wird. Ehrlicherweise sagte ich, dass ich nur zwei Quellen hätte, aus denen ich Informationen dazu hätte, nämlich das, was die versammelte Journaille so recherchiert hatte: Die Ukrainische Regierung und Ria Novosti. Was soll ich mit solchen 'Informationen'? Die meisten benennen dabei nicht einmal Poroschenkos Kriegspartei, und im Internet Zeitung lesen kann ich eh selber. Dazu brauche ich keine Zweitverwerter.
Abschreiben, verkünden, vollstrecken
Einen Schritt zurück kurz: Ich hatte mir eh gestern schon folgendes notiert:
"In Spanien gibt es einen Ebola-Verdachtsfall", meldete die FR. Soso, einen "Verdachtsfall", und das ist dann eine Meldung? Wieso? Es kann nur einen Grund geben: Klingt gefährlich, erregt Aufmerksamkeit. Hat aber null Inhalt. Kann man da nicht warten, bis sich das bestätigt hat oder eben nicht? So geht Qualitätsjournalismus.
Die nächste: "IS-Miliz soll 700 Stammesangehörige getötet haben", steht in der Sueddeutschen und einem Dutzend anderer Medien, wird auch im Radio erzählt. "Soll", könnte, hat vielleicht, vielleicht auch nicht. Ist das eine Meldung? Und was habt ihr für mich dahinter? Waren es vielleicht mehr oder weniger als 700? Vielleicht hat das gar nicht stattgefunden? Oder es hat etwas stattgefunden, man weiß aber nicht, wer, wo und was genau? Q-Journalismus halt.
Derweil hört man nach der gespielten Empörung der Propaganda überhaupt nichts mehr vom Flugzeugabsturz in der Ukraine. Nicht einmal Fragen. Der "Spiegel", das Hetzblatt für transatlantische Gemütlichkeit, hatte doch so auf die Trommel gehauen. Was ist denn nun, ihr Superreporter? Kuhjournalismus ist, und die Viecher wieder im Stall. Auf jedem Dorf kriegst du Watschen, wenn du so einen Mist verzapfst und dann so tust, als hättest du nie etwas gesagt.
Suche nach dem Tiefpunkt
So ist es auch derselbe Stall, aus dem ernsthaft ein zweifelnder Leser, der nach Belegen für Behauptungen fragt, abgespeist wird mit der Gegenfrage: "Gibt es eigentlich konkrete Belege, dass dem nicht so ist?"
So denken sie da. Es wird etwas verkündet, in der Regel auf Befehl aufgeschrieben oder stumpf abgeschrieben, und daran hat man gefälligst nicht zu zweifeln, bis das Gegenteil bewiesen ist. Der Leser ist hier dummer Untertan, sonst nichts.
In Grunde kann man sich solche Beispiele schon schenken, denn es gibt keinen Journalismus mehr. Wahrscheinlich wird dieser Nützliche Idiot noch einen Preis verliehen bekommen für seine treuen Dienste, so wie Obama den Friedensnobelpreis und Kleber den Hans-Joachim-Friedrichs-Preis. Diese Farce kann nämlich kein Ende finden, solange kulturell und intellektuell noch ein Stein auf dem anderen steht. Da gibt es immer etwas, das man noch nicht ganz ruiniert hat. Am Montag. Am Kiosk.
August 2014
August 16th, 2024 at 14:41
Dieses Relotius Schmierblättchen ist seit der
Jahrtausendwende nicht mehr ernst zu nehmen.
Eine Lügengeschichte nach der nächsten.
Copy&Paste 1:1 der erfundenen Mainstream
Geschichten. Wozu prüfbare Quellen angeben,
"wir wollen dass sie uns glauben", das Selbe
bei der Propagandashow vom Tagesschaum. Dem
willigen Zuhöher und Seher reicht das.
Die werden uns doch nicht etwa belügen,
niemals. Demnächst als Wahrheitsbeweis,
malen nach Zahlen, in einfacher und
verblödeter Sprache.
August 16th, 2024 at 14:46
@1: Neuerdings hat das Sumpfblatt immerhin christliche Moralinsäure für sich entdeckt: Ein Fiktionsfilm sei "unlauter". Darauf drei Avemaria!
August 16th, 2024 at 15:01
Mir ist in den letzten Monaten aufgefallen, dass Spon viele Artikel aus der BLUT übernimmt. Beispiele sind so zahlreich, dass es nicht lohnt,sie zu erwähnen
August 16th, 2024 at 15:34
@2
Plus sicherheitshalber noch drei Relotius-Premium-Kränze! Und da die hiesigen christlichen Großkirchen wohl über kurz oder lang sanft entschlafen werden ist es gut, dass wenigstens noch der SPIEGEL für uns betet. Ach, der geht auch bald ein? Nun, so lasset alle Hoffnung fahren, ihr armen Sünder!
August 16th, 2024 at 20:32
Wir halten aber gerne das Maul, säzzer.
Ich hatte gestern das zweifelhafte Vergnügen "Ohrenzeuge" einer Unterhaltung etwa von 5 Personen zu werden. Es ging um Meinungsfreiheit innerhalb der FDGO, alle Teilnehmer outeten sich als aufrechte CDUSPDFDPGRÜNE-Wähler.
Der Eintänzer, sich selbst als CDU-Wähler bezeichnend, ließ zuerst noch einzelne Widersprüche des Sagbaren zu, brachte sein Auditorium dann aber mit der Aussage "er habe mittlerweile Probleme mit dem Recht auf Meinung" auf Kurs, und führte als Beispiel die Witze über die Optik von Ricarda Lang an, "so etwas gehe gar nicht".
Nach und verstummte jeder Widerspruch.
Nach ungefähr 20 Minuten war für mich eins klar, mittlerweile ist das Land wieder reif für die Diktatur, mehr als genug Menschen hätten keine Probleme damit, jeden Morgen um 8 Uhr per E-Mail die tagesaktuelle Meinung verordnet zu bekommen und noch schlimmer, sie empfänden das als Erleichterung.
August 17th, 2024 at 08:02
Nein, es geht natürlich gar nicht, dumme Witzchen über Frau Langs eindrucksvolle Körperfülle zu machen. Die Russen als mordgierige Untermenschen zu bezeichnen geht aber z.B. schon. Wenn Ihnen das nicht zu eklig ist, dann schaun Sie doch gelegentlich mal in die Kommentarspalten von ZEIT-Online rein, wenns dort wieder mal um die neuesten Erfolge der ukrainischen Freiheitskämpfenden geht.
PS. Einen hab ich noch, den kann ich mir einfach nicht verkneifen, bitte um Vergebung:
Ein Talkshowmoderator spricht seine Gäste an, zu denen auch Ricarda Lang gehört: "Ich hab da mal eine Frage an die Runde …" – Ricarda Lang: "Ich heiße Ricarda, du Nazi!"
August 18th, 2024 at 23:06
"Der Leser ist hier dummer Untertan, sonst nichts."
"… denn es gibt keinen Journalismus mehr."
Bereits vor 10 Jahren ganz richtig festgestellt.
Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.
August 20th, 2024 at 11:58
Das Sprallotum bei den NDS erfindet eine "strukturelle Kindeswohlgefährdung". Kann man ja mal so sagen. Wenn man gar keine Ahnung hat.
August 20th, 2024 at 13:57
Guter Beitrag zu "Bedenken second". Am besten macht man das alles mit Ka Ih.
August 20th, 2024 at 14:46
Seid Ihr auch alle Friedenspopulisten?
August 20th, 2024 at 15:12
@10:
Laut TAZ wohl jeder, der sich für Frieden einsetzt und Putin nicht als neuen Hitler sieht.
Erschreckend sind jedenfalls mehrheitlich auch die Kommentare zu dem Artikel.
Mir scheint, da gibt's kein Zurück mehr auf der Abwärtsskala.
August 20th, 2024 at 17:26
Frau Lehmann, wenn ein Artikel so anfängt: "Kanzler Olaf Scholz verkündete im Februar 2022 die Zeitenwende, die Aufrüstung der Bundeswehr und Waffenlieferungen an Kyjiw. Es sprach für die Weitsicht von Scholz, dass er die Risiken dieses Kurswechsels sah."
Und so weitergeht: "Dieses Bild ist zertrümmert und das der Friedenspartei[!!!] SPD auch."…"Scholz’ kluge[😂] diplomatische Offensive, mit der er 2022 Staaten des Globalen Südens für die Position des Westens gewinnen wollte, scheint auch an Schwung verloren zu haben."…usw. u. blabla.
Dann ist deren Stammkommentariat genau so und nicht anders.
August 20th, 2024 at 18:16
Euch gefällt die taz? Noch mehr von jemandem mit der Lizenz zum Taxifahren: Zu den Waffen, Genossen!
Ich bin jung, finde Staatssozialismus prima und würde für eine bessere Welt kämpfen. Und wenn ich dereinst groß bin, dann arbeite ich vielleicht für Axel Springer, wo ich dann die "KI" instruiere, die Artikel zu schreiben.
Amen!
August 20th, 2024 at 19:03
Ach, R@iner,
das führt doch zu Schütteltrauma, weil man aus dem Kopf schütteln nicht mehr rauskommt.
Da denkt man immer, schlimmer geht's nicht, aber offensichtlich ist der Tiefpunkt noch immer nicht erreicht.
Mein armer Kopf.
August 20th, 2024 at 19:21
Früher hätte man den Praktikanten in solchem Mist eingewickelt und ihn auf dem Fischmarkt verkauft. Was glauben diese Sektierer, wen sie mit derlei Gewäsch erreichen? Und dann heulen sie wieder rum: "Kauft mehr TAZ, wir sind doch wichtig. Halt, wartet, ihr macht einen Fehler …!"
August 20th, 2024 at 19:38
@13 / R@iner:
in meinen Augen die wichtigste Passage in dem Geschreibsel:
Man kämpft nicht für etwas, sondern gegen etwas.
Da haben wir's doch wieder, das alte Feindbild, das alle zusammenschweißt. DAS soll das "verbindende Element" sein.
Schade ums Abendbrot, ich suche dann mal wieder den Eimer.
August 20th, 2024 at 19:55
Das ist dann wohl das neue Links®: Die Rechten kämpfen für Deutschland, die Linken gegen die Feinde Deutschlands. Da hat jeder was Eigenes.
August 20th, 2024 at 20:33
@15: Als die taz in den Neunzigern bettelte, hätte ich sie fast abonniert. Aber nur fast. Ich habe gar kein Herz für Journalisten, stellte ich fest.
@16: Auch Tote auferstehen zu lassen und genau zu wissen, gegen wen sie kämpfen würden, ist eine infame aber gleichzeitig dümmliche Volte.
Im Kapitalismus hat kein Lohnabhängiger eine Heimat, geschweige denn wirkliche Freiheit. Die Kunst, sich in dieser Scheiße wohlzufühlen, besteht darin, nichts zu kapieren und die eigene Situation schönzureden.
August 20th, 2024 at 20:38
@9:
Ka Ih war gestern, heute heißt es Äi Ei.
August 20th, 2024 at 21:30
@18:
"Die Kunst, sich in dieser Scheiße wohlzufühlen, besteht darin, nichts zu kapieren und die eigene Situation schönzureden."
Verdrängung und Positivismus = Selbstoptimierung.
Wem das ohne "Hilfe" gelingt, dem sind die Gehirnzellen schon abgestorben oder er/sie/es/… hat nie welche besessen.
Ich hab auch schon darüber nachgedacht, mir einige Windungen entfernen zu lassen. Bestimmt findet KI eine Lösung für all die Unglücklichen.
@17:
Dann stimmt das also mit der "links-grün versifften" Regierung. Und Faschismus ist irgendwie doch auch links.
August 20th, 2024 at 21:49
@20
"Ich hab auch schon darüber nachgedacht, mir einige Windungen entfernen zu lassen. Bestimmt findet KI eine Lösung für all die Unglücklichen."
Och, dazu brauchen wir keine KI: Ich empfehle als Therapie drei Mal täglich Fernsehen, mindestens ein Besuch im Sozialen Medium deiner Wahl, etwa eine ununterbrochene Stunde Helene Fischer und dazu eine nicht unbeträchtliche Menge Alkohol, 5 Dosen (hihi) über den Tag verteilt.
So machen es die anderen, und es scheint zu funktionieren.
August 21st, 2024 at 05:11
"Kriege überall und die Frage, wer sich in Deutschland im Angriffsfall in den Schützengraben legen würde. Unser Autor sagt: Ich!"
R@iner, nach lektüre des Artikels habe ich unweigerlich bei diesem Teaser gedacht. Krieg? Warum nicht?
Ich kann mich nicht erinnern wann ich jemals so etwas ekeliges gelesen habe. Da ist es nur konsequent, dass dieser Schnösel eine "sozialistische Utopie" mit der BRD gleichsetzt.
PS: Ich habe mir den Kommentarbereich gespart, habe nämlich lecker gegessen.
August 21st, 2024 at 10:18
@R@iner: danke, stimmt, zu behaupten, man wisse, wofür Tote einstehen würden, ist preisverdächtig blöde.
Naja, mit Freiheiten sind immer die FDP-Freiheiten gemeint.
Die Freiheit, zu hungern.
Die Freiheit, unter einer Brücke zu schlafen.
Die Freiheit, an (behandelbaren, aber die Behandlung zahlt keiner) Krankheiten zu leiden und zu sterben.
Mir persönlich gehts ja gut, aber diese Gesellschaft mit Kapitalismus und Kriegsgeilheit gehen mir zunehmend an die Substanz. Mit 52 muss ich eher nicht mehr an die Front (wobei …), aber mein Sohn ist 19.
August 21st, 2024 at 12:50
Nachdem ich euch mit der taz geärgert habe, hier ein Gegenbeispiel eines ebenfalls jungen Menschen: Gegen den Heldentod
Eine bessere Welt entsteht nicht durch den Tod von Märtyern. Unser Ziel sollte eine Zukunft sein, in der niemand für ein politisches Ziel zu sterben bereit ist.
August 21st, 2024 at 19:18
Sorry Leute, aber das Sommerloch ist die Zeit der Volontäre, wie mir scheint: Will ich für mein Land kämpfen?
Einfach nur *lol*.
Wenn irgendwo jemand schreibt, in der Ukraine werde für mich gekämpft, dann stirbt irgendwo anders auf der Welt eine Hirnzelle ab.
Aber er hat ein Buch gelesen. Das ist schön.
August 21st, 2024 at 19:59
Wer hält diese Arschlöcher denn davon ab, an die Front zu gehen? Sie können auch zum Üben zu mir kommen, mal ganz niederschwellig eins auf Maul kriegen, ohne gleich zu sterben; vielleicht hilft das ja schon.
August 21st, 2024 at 20:18
Was mich erstaunt: Wenn jemand 'politische Ökonomie' studiert, dann dachte ich, er könnte Ross und Reiter beim Namen nennen oder hätte zumindest eine Vorstellung davon, wie die Welt funktioniert. Das scheint aber gar nicht der Fall zu sein. Und wenn dann noch die Eltern oder die Großeltern mit ihren Geschichten aus dem Krieg fehlen, dann haben die Leute offensichtlich überhaupt keine Idee davon, was das bedeutet.
Es ist nicht lange her, dass es hier einen Kaiser und danach einen 'Führer' gab. Aber es ist für diese Generation anscheinend gar kein Thema über das diskutiert wird. Schade eigentlich.
August 21st, 2024 at 21:29
Aus dem Artikel: "Klar ist: Die ukrainischen Soldaten verteidigen unsere Freiheit, die Freiheit Europas, die Freiheit Deutschlands, die freie Lebensweise."
Ach, ist das klar? Gut, dass wir darüber geredet haben! Und es muss natürlich gleich die ganz grosse Kelle sein: die "freie Lebensweise", die da verteidigt wird.
Aber das Beste ist ja, dass einfach behauptet wird, dass für die Freiheiten gestorben wurde, im Sinne von, im Krieg. Und das ist – man möge mich korrigieren! – barer Schwachsinn. Die Freiheiten, die ich aktuell geniessen kann, wurden von Gewerkschaften erkämpft. Gegen das Kapital.
Sorry. Ich bin müde und angesäuselt. Und wieder auf der Suche nach dem Eimer.
August 21st, 2024 at 21:45
Das Gefasel glaubt doch kein Mensch mehr. Pareteien verboten, Medien verboten, Kirchen verboten, ein Präsident, der als Friedensengel gewählt wurde und nach Ablauf seiner Amtszeit illegal mit Kriegsrecht weitermacht, Nazis an der Spitze von Polizei und Armee. Diese "Freiheit"? Ja, das klingt wie unsere – unsere ureigene.
August 21st, 2024 at 21:50
OK, vielleicht ist mit "Freiheit" einfach "die Freiheit, ein Arschloch zu sein" gemeint. Das könnte hinkommen.
August 21st, 2024 at 22:41
@R@iner (27):
Meine Großeltern haben den Krieg erlebt und nicht darüber geredet. Wenn einer meiner Großväter sehr spät mal davon angefangen hat, hat seine Frau ihn immer davon abgehalten. Mein Vater ist als Kind (8 Jahre) Mutter und Schwester aus Ostpreußen (jetzt Russland) geflohen. Er hat nie davon erzählt und wollte und will auch nie mehr dorthin.
Diese Traumata sind nie wirklich aufge- und verarbeitet worden. Was ich als Kind vom Krieg wußte, wußte ich aus der Schule.
Einzig meine Mutter hat immer mal Anekdoten erzählt, die gezeigt haben, dass sie als Kinder auch in der Nachkriegszeit noch gehungert haben müssen.
In der DDR sind in Thüringen alle Jugendlichen nach Buchenwald ins ehemalige KZ gefahren. Was wir dort gesehen und gehört haben, war sehr abgemildert. Das Grauen konnte ich mir damals nicht wirklich vorstellen.
Am meisten beeindruckt und erschüttert hat mich als Jugendliche ein Buch mit dem Titel "Ghetto", dass ich aus der BiBo ausgeliehen hatte. In dem Buch wurde das Leben und Sterben im Warschauer Ghetto beschrieben, alles Geschichten, die von Ghettoinsassen geschrieben und versteckt wurden.
Was Schlimmeres hab ich nie wieder gelesen. "Im Westen nichts Neues" war nichts dagegen.
Heute erzählt meine Mutter mehr, weil sie diese Kriegesgeilheit einfach nicht verstehen kann.
Was ich damit sagen will: Das im Krieg Erlebte ist nicht wirklich erzählt worden von denen, die den Krieg überlenbt haben. Übrig geblieben sind eher Rituale, die es nicht schaffen, das Unfassbare begreiflich zu machen.
Vielleicht mag ich darum Tucholsky so sehr und, was die menschlichen Abgründe angeht, Büchner und Kafka.
Sorry für die Länge.
August 21st, 2024 at 23:41
@31 / Frau Lehmann: meine Mutter ist auch aus Ostpreussen geflohen (als Kind) und hat davon niemals wirklich erzählt. Ich denke, genau das macht das Grauen des Krieges aus: dass man das nicht als Heldenerzählung verpackt kriegt.
Und genau das kriegt man nicht in die Köpfe heutzutage. Dass Krieg nichts ist, was "geil" ist. Sondern entsetzlich.
August 21st, 2024 at 23:51
Was haben wir für ein Glück, dass wir seit fast 80 Jahren ignorieren dürfen, wie der Wertewesten die Welt mit Napalm, Phosphor- und Clusterbomben überzogen hat sowie (Wachstum und Wohlstand) exportweilmeisterlich sich an jedem Grauen gelabt hat, von Proxywars bis hin zu Kindersoldaten. Das wurde doch durchaus berichtet. Da aber rückwirkend Putin schuld ist … okay, der Eimer ist voll.
August 22nd, 2024 at 00:39
Wissen kann man so vieles, aber wenn es niemanden interessiert oder, um Gottes Willen, auch noch berührt, weil hier ja alles die reine Glücksseligkeit ist und nur die anderen böse sind und uns um diese Glücksseligkeit beneiden, nützt dieses Wissen nichts.
Ich mach mir meine Welt, wiediewiediewie sie mir gefällt.
Und wems zu langweilig wird, der suche das Abenteuer, denn nach drüben kann man ihn ja auch nicht mehr schicken.
Du hast Recht, der Eimer ist längst voll.
Gute Nacht.
August 22nd, 2024 at 10:02
@Frau Lehmann: Der eine meiner Opas war noch im 19 Jhdt. geboren und meine Eltern in den Zwanzigern. Ich kenne daher Geschichten von der 'Kristallnacht' und von Kriegsgefangenschaft. Ich nehme an, das hat mich stark beeinflusst.
Spulen wir vor zu den Ursachen. Flatter hat natürlich recht, dass die ollen Kamellen nicht unbedingt notwendig sind, kann man doch beim täglichen Blick in die Gazetten dabei zusehen, wie der Mensch mit dem Menschen verfährt.
Wenn Herr Müntefering entschlossen in die Kamera sagt "Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen", dann ist er für mich formal ein Faschist.
Kaum jemand würde unsere "Werte" wie Fleiß und Konkurrenz à la "Ich arbeite besser und schneller als der da, deshalb verdiene ich mehr Achtung und demzufolge auch mehr Lohn" mit F. in Verbindung bringen, denn dann fiele auf, dass cxuspdgrüne allesamt Scheiße sind.
Aber nein, genau das sind ja die guten Demokraten, die uns schützen.
Nein wirklich – Der Eimer ist schon lange voll.
Nochmal zu dem Artikel in #13: Wer sagt denn, das Eric Blair die Mitarbeiter der Jobcenter nicht gehasst und Franz Müntefering nicht ins Gesicht geschossen hätte?
Man weiß es ja nicht.
Aber das alles lässt sich sicher durch ein paar Reformen zum Guten neigen. Vielleicht morgen, ganz sicher aber übermorgen.
August 22nd, 2024 at 10:51
p.s.: Korrektur: Das Zitat lautet „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen“. Ich Dummerle.
August 22nd, 2024 at 12:36
Meinem Großvater wurde im Alter von 22 Jahren in Russland das Bein weg geschossen. Vermutlich durch friendly fire. Das Bein wurde amputiert und er lebte den Rest seines Lebens mit einer Prothese. Der Mann war mit 13 Vollwaise und hat später vier Kinder gezeugt. Er war Zeit seines Lebens alkoholabhängig, war sehr jähzornig und oft ungehalten, hat seine Kinder geprügelt und traumatisiert. Über den Krieg gesprochen hat er fast nie. Es hat auch keiner gefragt.
Mein Nachbar war 5 Jahre in russischer Kriegsgefangenschaft, er durfte erst '49 nach Deutschland zurück kehren. Er war sehr schweigsam, hat generell fast nie geredet. Das Thema wurde aber auch einfach tot geschwiegen. Ich kann mich noch gut erinnern, wie er bei Feierlichkeiten immer am Tisch saß: Einsam, klein, still, unbeachtet, in seine eigene Welt versunken.
Mein zweiter Opa war begeisterter Hitler-Anhänger und Waffennarr, das konnte ich ihm nie austreiben. Er hatte sehr viel Glück, aufgrund seines Alters musste er nicht zum Einsatz, seine Fliegerausbildung war erst kurz vor dem Kriegsende abgeschlossen und Flugzeuge gab es zu diesem Zeitpunkt keine mehr in Deutschland. Bis zu seinem Tod hat er Sätze gesagt wie: "Unter Hitler hätte es das nicht gegeben."
Für mich ergeben diese drei Beispiele ein sehr deutliches Bild: Wer den Krieg nicht erlebt hat, hat keine Ahnung. Und diejenigen, die ihn erlebt haben, sind gebrochen für ihr Leben.
Alle drei sind inzwischen tot. Gelernt haben wir nichts daraus.
Heute gucken wir Filme wie "Im Westen nichts neues" oder "Game of Thrones", verleihen Oscars ob der guten Inszenierung, aber eine Wirkung bei den Zuschauern kann ich nicht feststellen. Die Menschen um mich herum leben ihr Leben, als sei nichts gewesen. Man regt sich auf über niedrige Zinsen oder den blöden Chef bei der Arbeit, oder dass die Kinder nicht spuren. Die Ampel ist doof und Putin noch doofer. Gelernt haben wir nichts.
Wann immer ich jemanden gegen die Unterstützung der Ukraine protestieren höre, ist die Begründung die, dass WIR das Geld in Deutschland bräuchten und nicht DIE. Einen pazifistischen Gedanken kann ich da nicht erkennen. Das ist reiner AFD-Sprech.
Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich. Der Mensch kann es nicht. Ich bin inzwischen sehr resigniert…
August 22nd, 2024 at 15:32
@R@iner (35,36):
Das Originalzitat von Müntefering ist tatsächlich noch abscheulicher als das erste, weil da eingeschlossen auch Kinder, Kranke, Rentner etc.
Diese Denkweise, dass der Fleißigere, der mit besserem Abschluss, der härter Arbeitende mehr verdiene als andere, kotzt mich an. Wer bewertet, was wertvoller ist und wertvoll für wen oder was?
Dieses Konkurrenzdenken, das mit Wettbewerb nichts zu tun hat, fördert nichts als puren Egoismus. Wo soll da ein Gemeinsinn herkommen, wenn das verinnerlicht ist? Und dann beschweren sich die Egoisten noch, dass sie zum Egoismus gezwungen würden.
Ich kann damit nichts anfangen, dass prinzipiell immer der andere der Faule sei, der Gewalttätige, der Unmotivierte, Lügner oder Dumme.
Dieses Menschenbild, dass Menschen ausschließlich von außen zu Handlungen "motiviert" werden könnten und müssten,durch Belohnung und/oder Bestrafung, ist für mich arrogant, abgehoben, absurd. Alle Schuld wird immer beim anderen abgeladen, heute sehr gerne bei allen Geflüchteten und natürlich bei Putin.
Wo bleibt da Selbstreflektion, wo sowas wie Empathie, wo die wirkliche Suche nach den Gründen für Probleme und Konflikte?
Mir scheint, Zivilisation ist nichts anderes als Zähmung, Kontrolle, Zwang zur Anpassung. Und dafür braucht es Instanzen, die sich als Herren auserwählt sehen. Mit Stellvertretung für den angeblichen Souverän hat all das längst nichts mehr zu tun, wenn überhaupt jemals. Alles nur Illusion, Theater.
Flatter hat Recht. Es kann nur menschlicher werden, wenn es beides nicht mehr gibt: Herren und Sklaven.
August 22nd, 2024 at 15:44
@DasNarf:
Ja, Ähnliches erlebe ich auch ständig. Das ist der pure Neid, der da geschürt wird, und er richtet sich immer gegen die noch Schwächeren.
Ich bin mir aber noch nicht so sicher, ob Mensch es nicht doch besser könnte, unter anderen Umständen vielleicht, oder wenn er es wollte.
August 22nd, 2024 at 18:48
@Frau Lehmann
Der Mensch könnte es besser, aber nur, wenn er es muss. Das haben bereits Studien aus den 80ern gezeigt. So gesehen liegst du richtig, es hat was mit den Umständen zu tun.
Ich befürchte, dieser Gemeinsinn wird erst dann wieder zutage treten, wenn eine Gesellschaft mal 2 Jahre lang Brennnesselsuppe fressen muss, alles in Trümmern liegt und Netflix kaputt ist. Aber wir arbeiten ja mit Hochdruck daran… das wird schon. Ist ja auch nix neues für die Menschheit. Leider müssen jedes Mal ein paar Millionen über die Klinge springen, damit der Rest kapiert, was Sache ist.
Das hält dann 2-3 Generationen lang, und dann geht der ganze Quatsch wieder von vorne los. Sieht man aktuell.
Zum Thema Wollen fällt mir nur Schopenhauer ein: Der Mensch kann tun, was er will, aber nicht wollen, was er will.
Wäre es anders, würden wir nicht in so einer Welt wie heute leben. Unsere moderne Welt ist alles, nur nicht das Resultat von Empathie, vorausschauender Weisheit oder Selbstreflektion.
August 22nd, 2024 at 19:44
Wie soll der Kapitalismus auch an "Empathie, vorausschauende Weisheit oder Selbstreflektion" kommen – kann man das profitabler machen als die bislang bekannten Strategien?
August 22nd, 2024 at 20:03
@DasNarf:
Du hast Recht. Das mit dem Wollen war von mir unglücklich formuliert.
Besser müsste es heißen: wenn er es mehrheitlich für richtig und wichtig hält.
August 22nd, 2024 at 20:05
@flatter:
Darum muss der Kapitalismus weg. Mensch sollte sich solche Fragen nicht stellen.
August 22nd, 2024 at 23:04
Frau Lehmann ab:" Dieses Menschenbild…"(38), sprichst Du mir so aus der Seele.
Ich gehe gerne in die Natur, auch gerne alleine, und hänge gedanklich bei schõner Umgegung in solchen Fragen, wie von Dir beschrieben. Nur fällt mir sehr oft die Formulierung nicht richtig ein bzw. das in Worte fassen die mich letztendlich selber zufrieden stellen.
So wie Du das in schriftlicher Form hier teilst, macht das jetzt auch Sinn.
Zum Gedanken "Zähmung, Kontrolle, Zwang zur Anpassung", fand ich den Begriff "Zivilisation" sehr zutreffend, da davon auszugehen ist das seit der Existenz der Menschheit in die Entwicklung zum Menschsein, sich Kooperation und Konkurrenz die Waage gehalten haben.*
* Natürlich immer im epochalen Rahmen, mal mehr Kooperation (wie in anderen Kommentaren oben beschrieben) oder eben in Konkurrenz, aber nie kann das eine, nicht ohne das andere.
Ich bin, was das letztere anbelangt, sehr pessimistisch wenn in einer Epoche sich die Menschheit am entwickelsten hält.
August 23rd, 2024 at 12:58
Am Ende ist alles Spieltheorie. Den Kapitalismus werden wir nur dann überwinden können, wenn er nicht mehr funktioniert wie bisher. Ob etwas und was danach kommt, kann kein Mensch vorhersagen.
August 23rd, 2024 at 13:15
Passend an dieser Stelle: Noch Zeit für eine Einheit, für einen Neuanfang?