pn

Neun Jahre ist es jetzt her, da der 'Spiegel' seinen erfolgreichsten Titel designt hat: "Stoppt Putin jetzt!". Tja; bis heute ist der Hintergrund ungeklärt, aber germanischer Spitzenjournalismus mit heißestem Draht zu den Diensten® ist schneller als jeder andere. Wir sind Weltspitze (im vor-die-Wand-Rasen und gleich die nächste Ansteuern)!

Wir erinnern uns: Über einem Bürgerkriegsgebiet, dass hie von der NATO und dort von Russland mit Mordspielzeugs versorgt wird, wird ein Linienjet abgeschossen. Nun könnte man so etwas titeln wie "Obacht bei der Routenplanung" oder "Shortcut to Hell", aber nein: Erst mal einen Schuldigen hängen, dann eine Klickstrecke einrichten und seine eigene Airline in der Nase explodieren lassen. Willkommen in der Ericusspitze!

Überholspur, Lichthupe

Dass sie, um Putin zu bespucken, ungefragt Fotos der Absturzopfer missbraucht haben, trug ihnen dann obendrein hochwillkommene Publicity durch den Presserat ein.
"Hahaha, friss das, 'Bild!' ist noch Koks da? Ich bin so geil, ich könnte mich selbst von hinten ficken. Genial!" soll mutmaßlich offenbar ein Insasse gesagt haben, der als Redakteur gilt. Protokolle der nämlichen Redaktionssitzung konnten auf dem Weg in die Botschaft Ecuadors abgefangen und rechtzeitig neutralisiert werden.

Aber auch in anderen Redaktionen wird feste gefeiert. Schließlich wird journalistisches Spitzenpersonal herumgereicht wie ein Wanderpokal und bringt daher entsprechende Ressourcen an den je neuen Arbeitsort mit. Nie wieder nüchtern! Die Schreibroboter aus der Etappe werden mit billigem Fusel versorgt, der gute Stoff ("Atlantiker-Popcorn") ist nur für die Erwachsenen.

Neuland über alles

Die Kriterien für Qualitätsjournalismus® haben sich kaum geändert: Brauchte es einst eine hervorragende Orthographie und Interpunktion, sind heute die Bedienung einer Office-Software und souveränes Auftreten gegenüber Praktikanten die entscheidenden Skills. Wer trotz hohen Bildungsgrades das Mobbing der Kollegen überlebt, wird Sportredakteur. Nutzer mehrerer unabhängiger Quellen (Gras, Rum, Zigarren, Weiber) mit guten Beziehungen zum Chef werden befristet als Kolumnisten gehalten.

Am schwersten zu leiden hat die Branche nach wie vor unter den hektischen Anpassungen an das komplexe und weitgehend unbekannte Medium "KI". Während todesmutige und komplett abgefuckte Exschreiber sich vorauseilend unter Zuhilfenahme des Laberkastens selbst abschaffen, müssen Kollegen noch ihr erschütterndes Unverständnis der Technik mit demselben Ende in Beiträge gießen. Auch die Hoffnung, der Chatbot möge sich angesichts dieser unsagbar deprimierenden Dummheit suizidieren, hat sich nicht erfüllt.

Dings, äh …

Um die Deutungshoheit nicht an Kriminelle und Diktatoren zu verlieren, werden mithilfe von Bundeswehr, BND und T-Systems derzeit 'Zentren für Fairness in der Meinungsfreiheit' eingerichtet. Hier sorgen Fachkräfte dafür, dass die öffentlichen Meinungsäußerungen einem repräsentativen Querschnitt entsprechen. Außerdem bereichert dieses Angebot die Kommunikation durch interessante Produktinformationen, die zwanglos in Kommentare eingeflochten werden.

Wie ein Sprecher aus gut unterrichteten Kreisen gegenüber Medienvertretern nach Berichten zuverlässiger Quellen gemäßigter Rebellen verlautbaren ließ, hat der Machthaber ein Regime. Bundeserweißesauchnichtsogenau Hebestreit wiederholte vor Pressevertretern, er kaufe nichts an der Haustür es lägen ihm keine neuen Erkenntnisse vor als solche, die der Bevölkerung nicht zuzumuten seien.

Erstaufführung: 26.07.2018