Als Schuldmanagement der Einzelnen, einem der wichtigsten Herrschaftsinstrumente, setzt Moral auf Vereinzelung, Bewertung und damit Konkurrenz. Sie ist wichtig, um die Hierarchien zu rechtfertigen und um als Machtmittel zu bestehen. Nur in gegenseitiger Bewertung, Aufwertung und Abwertung kann Moral ihre volle Wirkung entfalten.
Die Mitglieder von Gruppen, in der eine Moral als gültig anerkannt wird, müssen diese verinnerlichen und sie im Wirken ihrer selbst und anderer wiedererkennen. Jeder persönliche Erfolg korrespondiert mit Tugenden, Eigenheiten und Identitäten. In der extremsten Ausprägung ist unter solcher Moral jeder "seines Glückes Schmied". Jeder kriegt, was er verdient.
Eine auf Solidarität und gemeinsamen Erfolg ausgerichtete Gesellschaft hingegen kann solche Konkurrenz, Individualisierung und Hierarchiebildung nicht gebrauchen. Unmittelbar kontraproduktiv wirken sich Hierarchien aus, die auf verkrusteten Strukturen beruhen, deren Ursache wiederum in einer Moral zu finden ist, die es sich zur Aufgabe macht, das Bestehende je zu rechtfertigen.
Korrupte Hierarchien
Auf Kompetenz beruhende, temporäre Hierarchien ermöglichen starke Organisationsstrukturen. Wo aber solche Hierarchien, die funktional eben auf Kompetenz angewiesen sind, durch Erbfolgen und Seilschaften ersetzt werden, gerät der Vorteil der Hierarchie zum Nachteil. Hier wirkt Moral unmittelbar kontraproduktiv, weil sie eben bar aller vernünftigen Kriterien wertet. Nicht Wissen und Können bestimmen hier, sondern der Platz, den jemand aufgrund seiner Identität einnimmt.
Es bilden sich 'Eliten' ohne Kompetenz, die sich schlimmstenfalls nicht aufbrechen lassen, weil es keine Selbstbestimmung aller gibt, am Ende nicht einmal reale Mitbestimmung. Wenn die große Mehrheit nur mehr aus den verkrusteten Eliten auswählen darf, hat sie keinen Einfluss mehr. In Arbeitsprozessen hatte sie ohnehin nie ein Recht auf Selbstbestimmung, und selbst die schwache Mitbestimmung, die ihr teils zugebilligt wurde, wurde längst weitgehend wieder abgebaut.
Unter solchen Bedingungen wird es langfristig schwer, auch nur Profite zu generieren, weil Kompetenz in solchen Systemen zwar noch möglich ist, aber immer unwahrscheinlicher wird. Umso unwahrscheinlicher, je mehr Moral und PR-Sauce über den Status Quo gekippt werden, um wenigstens den Schein eines gesellschaftlichen Zusammenhalts zu wahren. Wo auch das scheitert, wird dieser umso lauter eingefordert, am Ende mit Gewalt.
Januar 16th, 2025 at 14:36
Wo auf Kompetenz beruhende Hierarchien durch Erbfolgen und Seilschaften ersetzt werden, da geht die Sache irgendwann den Bach runter, so siehts aus. (Auch) deswegen ist auch die DDR krepiert, meine ich. Es saßen eben eher loyale Genossen in den entscheidenden Positionen und nicht Leute mit Kompetenz (die es ja durchaus gab). Am Ende war der ganze Laden so marode und so schwach, dass er nicht mehr in der Lage war, den "gesellschaftlichen Zusammenhalt" aufrecht aufrechtzuerhalten, noch nicht mal mit Gewalt. Die sozialistische Moral war komplett am Arsch. Wenn es die denn jemals gegeben hat.
Januar 16th, 2025 at 14:52
Der Wertewesten überholt sie gerade – ohne sie einzuholen, versteht sich.
Januar 16th, 2025 at 19:12
Noch-POTUS Biden warnt zum Ende seiner Amtszeit vor dem Entstehen einer Oligarchie in den USA. Im Vorzeigeland der Politdynastien von Gouverneuren, Senatoren, Präsidenten und Beratern, der Verwandtschaftsconnections und -begnadigungen, dem Kongress und Senat voller Millionäre und Milliadäre. Warnen. Entstehen. Bizarr!
Januar 16th, 2025 at 19:28
Ist schon ulkig, aber nix Neues, dass Bordellbetreiber Bordellbetreiber Bordellbetreiber nennen.
Januar 16th, 2025 at 20:01
@2
Allerdings, von selbst. Den Wertewesten in seinem Lauf halten weder Marx noch Engels auf. Vorwärts immer, rückwärts nimmer!
PS. zur sozialistischen Moral: Die gabs manchmal doch. Einer, der kein Schwachkopf war und sie trotzdem ernstgenommen hat, war der hohe SED-Wirtschaftsfunktionär Erich Apel. Als er als Vorsitzender der Staatlichen Plankommission der DDR politische Entscheidungen mittragen sollte, die nach seiner Ansicht sein Land über kurz oder lang in den Ruin treiben würden, da hat er sich lieber erschossen. Und nun stelle man sich bloß mal vor, so ein Wirtschaftsminister von heute verfügte über Moral, ökonomischen Sachverstand und eine Dienstwaffe.
Januar 16th, 2025 at 20:26
@3.: Oligarchie? Da klingelt es bei mir, das hatte der Nachbar Herr Mersmann vor kurzem auf den Punkt gebracht: Gute und schlechte Oligarchen?
Januar 17th, 2025 at 09:13
Anmerkung: Die „Arschlochgesellschaft“, so bezeichnet es der Klima-Aktivist Tadzio Müller, ist demnach so gut im Verdrängen, weil in Deutschland selbst Arbeiter und eben nicht nur die Reichen Profiteure des fossilen Lebensstils sind. Diese Komplizenschaft überdecke den Klassencharakter der Krise.
Januar 17th, 2025 at 09:33
Ganz wichtig ist es auch den Verfall sprachlich zu kaschieren. Neueste Stilblüte liefert SpaceX nach der Explosion ihrer Rakete: "Rapid Unscheduled Disassembly".
Als Wessi werde ich mich hüten, mich irgendwie zur Wendezeit zu äußern, aber mir scheint, dass das Unterhaltungsprogramm zur kommenden Katastrophe heutzutage etwas mehr Pep hat.
Januar 17th, 2025 at 10:14
Als ehemaliger Staatsbürger der DDR* stimme ich dir zu. Heutzutage ist irgendwie viel mehr Lametta.
*Mein realsozialistisches Vaterland hat sich ja übrigens auch relativ kurzfristig und ungeplant demontiert. Die Stilblüte dazu hieß "friedliche Revolution". Auch den Begriff "Heldenstadt" find ich noch immer sehr lustig. Leningrad war vorgestern, das Heldentum von Leipzig, es lebe hoch!
Januar 17th, 2025 at 13:53
Das Ende des Verfalls: Jon Stewart Calls Out GOP Hypocrisy with L.A. Wildfire Disaster Relief | The Daily Show (yt, 20 Min.)
Fakten sind überbewertet. Wer sagt den Kindern, dass viele einflussreiche 'Erwachsene' komplette Vollidioten sind?
Januar 17th, 2025 at 18:34
Für alle, die wissen möchten, woher der Orange-Man seine Ideen mit Grönland und Kanada hat, dem sei diese Karte vom 31.03.1942 empfohlen, diese zeigt, wie sich die USA die Nachkriegswelt vorstellten. Kongress-Bibliothek
Januar 17th, 2025 at 19:04
@11
“Ozeanien besteht aus den früheren Staaten Amerikas, den Inseln des Atlantiks, einschließlich der Britischen Inseln, Australasien und dem südlichen Teil von Afrika. […] Ozeanien befindet sich stets mit mindestens einer der beiden anderen Mächte im Krieg.“
Wenn man den ehemaligen Commonwealth auf der Karte als jetziges faktisches Protektorat (siehe Five Eyes, Koalition der Willigen, Neoliberale Hardliner) umfärbt, kommts ziemlich gut hin. Das Buch entstand 1946-48. Die dystopische Vision und die konkrete Ausgestaltung war kein Zufall.
Januar 17th, 2025 at 19:31
OT:
Das immer wieder thematisierte Dumbing-Down bei Heise, die erkennbar minderqualitativen Artikel und die Frage, welche Honks da jetzt so unglaublich fachlich unqualifiziert herumdilettieren, ist beantwortet. Wir haben den gehegten Verdacht jetzt amtlich bestätigt: “KI“-Schrott.
Januar 17th, 2025 at 23:34
@11.: Sehr interessante Karte, die auch (in Teilen) die Meinung von Pepe Escobar stützt (Opener "Kein Kommentar, #20.).
Washington has been trying to grab Greenland from Denmark since 1946. There’s a deal with Copenhagen in place guaranteeing military control – mostly naval. Now Greenland is being revamped as the ideal U.S. entry point into the Arctic Great Game against Russia.
Januar 17th, 2025 at 23:38
@13.: Ja, den gehegten Verdacht haben sie jetzt bestätigt. Dabei teilten sie u.a. auch studengenau mit, dass es um die Einsparung menschlicher Ressourcen geht. Ich denke, das dient dem Wohl der Mitarbeiter damit die nicht mehr so viel arbeiten müssen.
Januar 18th, 2025 at 09:47
Aber sicher doch ist heutzutage jeder seines Glückes Schmied (m/w/d) bzw. kriegt, was er verdient. Zum Beispiel die EUrselvdL den Karlspreis für ihre Verdienste um die europäische Einigung, welche – was muss, das muss – herzliche Faschist*innenumarmungen einschließt. Ob wohl bald auch ein anderer prominenter europäischer Einiger, der mit dem Oberlippenbärtchen, dieser schönen Ehrung (die wäre dann allerdings posthum) für würdig befunden wird?
Januar 18th, 2025 at 10:07
@16
Würden sie sich für ihre gegenseitige Belobhudelung nicht des Geldes bedienen, das sie uns abpressen, könnte man die Ordensbehängerei innerhalb der Nomenklatura einfach ignorieren. Das ist ein Eitelkeitsritual und ein Selbstbestärkungswerkzeug in deren Echokammer. Inflationär eingesetzt. Muß man außerhalb von deren Irrenhaus nicht für voll nehmen. Wenn wir dafür nicht aufkommen müßten.
Über den Ordenssammler Mielke und das sich gleichermaßen mit Auszeichnungen selbst feiernde Politbüro oder auch die ordenstapezierten Militärs bei russischen Militärparaden haben wir damals gelacht. Und hier sind wir nun.