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Manche Texte entstehen durch Reflexion, manche aus Erfahrung, manche aus Mitteilungsbedürfnis; andere entstehen aus Eitelkeit, aus Geschwätzigkeit oder auf Befehl. Der folgende Text hat sich selbst geschrieben und der Autor beteuert nicht nur, dass er daran so wenig Anteil hatte, wie es noch gerade denkbar ist, wenn man überhaupt noch eine Autorschaft behaupten kann, sondern er gibt zu Protokoll, dass er selbst kaum ahnt, was er bedeutet. Manche Texte brauchen eine Einleitung.

Ein Gastbeitrag von Greta Leo

Man sah es ihr vom ersten Augenblick an, dass sie ein Stück aufführte. Sie wollte auch nichts anderes und versprach nichts anderes, und sie spielte äußerst virtuos. Sie lebte jedes Stück, das sie darbot. Jeder sah es ihr an. Es war ihr egal, ob sie auf der Bühne, auf dem Küchentisch oder vor versammelter Mannschaft in einer Kneipe glänzte. Nichts an ihr war real. Der Schein strahlte ihr gleißend aus allen Poren.

Du musst ihr zuschauen, ihr zuhören, ihr folgen, an ihren Lippen hängen, bist ganz fixiert auf sie, wie hypnotisiert. Sie zieht dich an und hinein, reißt dich nach links, nach rechts, vor und zurück, hoch empor, bis die Luft fast zu dünn wird. Du musst unbedingt wissen, wie es weitergeht, wie es endet, dabei weißt du es von Anfang an. Also kreist du um sie wie ein Satellit, bis du endlich am Boden zerschellst. Und jedes Mal bist du um eine Illusion ärmer über das, was du Liebe nennst.

Aber im Gegensatz zu den Schweinen, die dir den Schädel spalten wollen, nur um nachzusehen, was drin ist, lässt sie dich auferstehen, immer und immer wieder. Also folgst du ihr, jeder Miene, jeder Geste, jedem Ton, wohin auch immer sie dich treibt. Bis zu dem Tag, an dem du soweit bist. An diesem Tag wirst du dich abwenden und sagen: „Ich bin jetzt vernünftig.“ Du wirst dich abwenden, du wirst gehen und du wirst niemals zurückkehren.