Manche Texte entstehen durch Reflexion, manche aus Erfahrung, manche aus Mitteilungsbedürfnis; andere entstehen aus Eitelkeit, aus Geschwätzigkeit oder auf Befehl. Der folgende Text hat sich selbst geschrieben und der Autor beteuert nicht nur, dass er daran so wenig Anteil hatte, wie es noch gerade denkbar ist, wenn man überhaupt noch eine Autorschaft behaupten kann, sondern er gibt zu Protokoll, dass er selbst kaum ahnt, was er bedeutet. Manche Texte brauchen eine Einleitung.
Ein Gastbeitrag von Greta Leo
Man sah es ihr vom ersten Augenblick an, dass sie ein Stück aufführte. Sie wollte auch nichts anderes und versprach nichts anderes, und sie spielte äußerst virtuos. Sie lebte jedes Stück, das sie darbot. Jeder sah es ihr an. Es war ihr egal, ob sie auf der Bühne, auf dem Küchentisch oder vor versammelter Mannschaft in einer Kneipe glänzte. Nichts an ihr war real. Der Schein strahlte ihr gleißend aus allen Poren.
Du musst ihr zuschauen, ihr zuhören, ihr folgen, an ihren Lippen hängen, bist ganz fixiert auf sie, wie hypnotisiert. Sie zieht dich an und hinein, reißt dich nach links, nach rechts, vor und zurück, hoch empor, bis die Luft fast zu dünn wird. Du musst unbedingt wissen, wie es weitergeht, wie es endet, dabei weißt du es von Anfang an. Also kreist du um sie wie ein Satellit, bis du endlich am Boden zerschellst. Und jedes Mal bist du um eine Illusion ärmer über das, was du Liebe nennst.
Aber im Gegensatz zu den Schweinen, die dir den Schädel spalten wollen, nur um nachzusehen, was drin ist, lässt sie dich auferstehen, immer und immer wieder. Also folgst du ihr, jeder Miene, jeder Geste, jedem Ton, wohin auch immer sie dich treibt. Bis zu dem Tag, an dem du soweit bist. An diesem Tag wirst du dich abwenden und sagen: „Ich bin jetzt vernünftig.“ Du wirst dich abwenden, du wirst gehen und du wirst niemals zurückkehren.
Dezember 19th, 2024 at 10:06
Die Geschichte erinnert mich ein wenig an Udo Lindenbergs "Cello":
https://youtu.be/MTveMR0wxT0?t=66
Dezember 19th, 2024 at 19:02
Mag sein, dass Liebe nichts als Illusion ist, aber die schönsten Liebesgedichte sind die, die vom Liebesschmerz "erzählen". Offensichtlich scheinen sie irgendwie miteinander verbunden zu sein: Liebe und Schmerz.
Unerfüllte Liebe ist doch oft die, die alle Zeiten überdauert, so nach dem Motto: Was wäre aus Romeo und Julia geworden, wären sie nicht vor der Zeit gestorben?
Auch solche Assoziationen zu dem Monolog: "Und ewig lockt das Weib."
Was ist Schein, was wahr?
Dennoch ist Liebe sowas wie ein Sehnsuchtsort, dem sich wohl niemand entziehen kann und will. Wirklich arm ist, wer nie Liebe erfahren durfte, ebenso wie der, der nicht lieben kann.
Und mit Vernunft ist dem Phänomen nicht beizukommen.
Insofern ist das Ende des Monologs schon einleuchtend. Ich nehm's dem Protagonisten aber nicht wirklich ab.
Ich stelle mir die Frage, ob er es tatsächlich will – vernünftig werden?
So ist es, das Leben: Es hält mehr Fragen und Ungewissheiten bereit als es Antworten bietet. (alles nur meine Annahmen)
Der Monolog hat mich berührt, erinnert mich etwas an Heine und hat mich an dieser Stelle völlig überrascht.
Dezember 19th, 2024 at 20:59
Ist es nicht folgerichtig, vernünftig werden zu wollen, wenn einen die Leidenschaft mal wieder niederschmettert? Aber es ist auch gar nicht gesagt, dass wer es will, weil man nicht weiß, ob der Zeitpunkt je kommt. Vielleicht ist er die Einwilligung ins Unvermeidliche, wenn es 'soweit ist'. Ich ahne, dass der Text auch etwas mit Sterben zu tun hat.
"An dieser Stelle" stehen sonst Dinge über das da draußen, das ich immer öfter zu demprimierend finde, um mich dazu zu äußern.
Dezember 19th, 2024 at 21:40
Ja, hat sicher was mit Sterben zu tun, zumindest mit einem Ende des Bestehenden, weil kaum mehr auszuhalten.
Vernunft sozusagen als Zuflucht.
Man nennt das wohl Burn Out.
Dezember 19th, 2024 at 23:44
Oder auch Phönixsyndrom. Ich lebe ja noch.
Dezember 19th, 2024 at 23:52
War ja auch nie die Rede von deinem Sterben.
Phönix klingt gut.
Ich find den Text sehr schön und überhaupt nicht niederschmetternd.
Dezember 20th, 2024 at 05:48
Cluster B: Oh weh oh weh! So jemand wirft dein Herz in den Mixer.
Dezember 20th, 2024 at 08:11
Der Tod ist unvermeidlich. Er kommt zu uns allen. Diese Unvermeidlichkeit nimmt dem Tod die Bedeutung. Wichtig sind daher die Dinge, die nicht unvermeidlich sind. Zum Beispiel die Liebe. Und wessen Herz nicht wenigstens mal in Mixernähe war, der weiß nicht, was Liebe ist.
(Das Kursive hab ich beim Maschinisten geklaut.)
Dezember 20th, 2024 at 23:33
Wenn "Sie" die Leidenschaft symbolisiert, ist Vernunft eine schlüssige Alternative.
Aber Leidenschaft und Liebe sind nicht dasselbe, oder?
Dezember 21st, 2024 at 07:50
Wohl nicht. Da gibts aber manchmal eine Schnittmenge. Und obwohl ich ein immer älterer Sack werde, weiß ich zunehmend weniger, was Vernunft sein bzw. wofür sie gut sein soll.
PS. Aus einem Roman von Tom Wolfe, ich weiß nicht mehr, aus welchem: "Du liebst Pizza? Dann heirate sie doch!"
Dezember 21st, 2024 at 17:14
Auch interessant: ein Beitrag wie dieser, in dem es u.a. um Liebe geht, hat nach auch nach ein paar Tagen gerade mal zehn Kommentare. Die Beiträge davor (Krieg, Zensur, dämliche Verbote und sonstiges Elend) hatten ein Vielfaches davon.
Dezember 21st, 2024 at 18:35
Naja, das mit der "Zielgruppe" ist ja nicht völlig irrelevant.
Dezember 21st, 2024 at 18:48
@12.: Das stimmt!
Aber im ernst, der Kommentar #8. hat mir gut gefallen und mir aus dem Herzen gesprochen. Wenn man nicht schreibt, heißt das ja nicht, dass man nicht darüber nachdenkt. Ich finde z.B. das Leidenschaft und Liebe nicht dasselbe sind aber sie ergänzen sich. Vielleicht ein bisschen kitschig, aber eine große Liebe fängt mit Leidenschaft an, die dann vielleicht nachlässt aber die Liebe bleibt im Herzen.
Jedenfalls sind Leidenschaft und Liebe sehr starke Gefühle. Die Vernunft ist kein Gefühl, sie wird vom Verstand gesteuert und wenn die Vernunft siegt ist es aus mit der Leidenschaft und der Liebe. Meine Frage währe hierzu: Ist es denn wirklich Liebe wenn die Vernunft siegt? Und hat die Leidenschaft dann nicht zu der Täuschung geführt, dass man glaubte zu lieben?
Nun, es ist ein sehr umfangreiches Thema. Liebe und Leidenschaft kann ja auch Hass sein bzw. das die Gefühle zum Hass umschlagen.
Dezember 21st, 2024 at 21:16
Ich werfe mein Herz freiwillig in den Mixer. Vernunft? Nein danke- nicht in der Liebe.
Wo sonst, wenn nicht in der Liebe, findet man Wahrhaftigkeit. Liebe ist das Aufgeben von Sicherheit und die Entscheidung, zu vertrauen. Ein Refugium im besten Fall, ein sicherer Ort.
Die Unvermeidlichkeit des Todes ist gar nicht so wichtig für denjenigen, der liebt. Momente, die Ewigkeit suggerieren, sind zwar eine Täuschung, eine wertvolle aber immerhin.
Ja, es kann schiefgehen. Menschen verändern sich, Beziehungen entwickeln sich- und das nicht immer in die erwünschte Richtung. Bis dahin hat es sich aber allemal gelohnt, wenn man aufrichtig geliebt hat.
Schöner Text, Flatter…
Dezember 21st, 2024 at 23:22
@Nanny (13):
die Gefühle in Hass umschlagen
Hass ist ja wohl auch eine Art Leidenschaft. Oft wird behauptet, Hass sei das Gegenteil von Liebe.
Ich denke aber, dass das Gegenteil von Liebe nicht Hass, sondern Gleichgültigkeit ist.
Dass Liebe mit Vernunft nicht zu fassen ist, zeigt sich ja auch darin, dass sie "wissenschaftlich" nicht analysiert werden kann, anders als das Phänomen des Verliebt-Seins.
Ich glaube auch, dass Liebe aus Leidenschaft entstehen kann. Dennoch ist Leidenschaft nicht grundsätzlich Voraussetzung von Liebe.
Es gibt ja verschiedene Arten der Liebe. Ich liebe auch meine Söhne, meinen Hund … .
Vielleicht ist sie mehr eine Einstellung als ein Gefühl?
Dezember 22nd, 2024 at 08:41
Was immer die Liebe ist, ohne sie ist alles andere nichts. Oder erbärmlich wenig.
Dezember 22nd, 2024 at 11:57
@keine ahnung: Das ist Liebe: Chico & the gypsies Pharaon (yt, 6:14 Min.)
Musik ist die einzige allumfassende Sprache.
Dezember 22nd, 2024 at 12:11
@R@iner (17.): Wunderschön. Würde sagen, Liebe und auch Leidenschaft.
Dezember 22nd, 2024 at 12:20
Und dann isch over: Somebody that I used to know
Dezember 22nd, 2024 at 13:56
Ich finde Musik ist die beste Sprache und bei Kommentar #19. ein richtiger Genuss.
Lassen wir einfach noch eine "Sie" sprechen Ida Nielsen – One of the worlds best bassists
Dezember 22nd, 2024 at 13:57
Wenn Weiber hier weas zu sagen hamm, sach ich Bescheid, ne?
Dezember 22nd, 2024 at 14:17
Sorry, kommt nicht mehr vor. Ich weiß ja das es ein Männerblog ist.
Dezember 22nd, 2024 at 14:26
So macht das keinen Spaß …
Dezember 22nd, 2024 at 14:34
@flatter # 21 – Wovon träumst du nachts :-P
Dezember 22nd, 2024 at 14:41
Äußerungen wie die unter der lfd. Nr. 21 getätigte machen schmerzhaft deutlich, dass es allerhöchste Zeit wird, auch die deutsche Innenpolitik feministisch auszugestalten. Und dann hört der Spaß auf!
Dezember 22nd, 2024 at 16:16
@flatter (21.): Richtig, so macht das auch keinen Spaß. Ich wollte weder dir noch dem Blog insgesamt zu nahe treten. Mein Kommentar war eine freche und nicht ernst gemeinte Replik auf #21.. Wie kann ich (als Frau), die hier schreibt, im ernst behaupten dein Blog wäre ein Männerblog. Es ist einfach ein Missverständnis. Mit einem ;-) wäre das vielleicht nicht passiert. Nun, ich lerne auch nicht aus.
Im Übrigen wollte ich mit der "Sie" bei #20. nur einen Bezug zu deinem Opener herstellen. Es war freundlich und würdigend gemeint. Mit einen von mir vertretenden Feminismus hat das nichts zu tun. Ich vertrete keinen Feminismus. Dachte, ich hätte mich dazu im Blog schon deutlich genug geäussert. Klar, man kann nicht erwarten, dass das Geschriebene auch immer gelesen wird.
Hoffe sehr, dass meine Erklärung überzeugend ist und sage aufrichtig Entschuldigung!
Dezember 22nd, 2024 at 16:59
Ach @Nanny, dieses Blog hat über Jahre die geballte Ladung @Wat. ausgehalten, mach Dir da mal bitte keine Sorgen ;-)
Dezember 22nd, 2024 at 17:14
Danke @Wat. fürs Verständnis. Die schreibende Kommunikation ist halt nicht so einfach. Es entstehen schnell Missverständnisse. Man kann ja leider auch nicht an den Gesichtszügen erkennen, wie es gemeint ist ;-)
Dezember 22nd, 2024 at 17:24
Im Nachhinein betrachtet, war es ganz gut, dass von meinen Reaktionen nur alphanumerische Zeichen hier landeten, die Bißspuren in meiner Tastatur hat deshalb niemand sehen können und mein Gefluche auch nicht hören :-D
Dezember 22nd, 2024 at 17:51
Was ich zu deiner Zeit im Archiv gelesen habe, ist ja viel schwieriger, weil viel stärker von Grundsatzdiskussionen geprägt. Da glaube ich gerne das die Tastatur sehr gelitten hat. Die alphanumerische Zeichen finde ich allerdings sehr wertvoll.
Dezember 22nd, 2024 at 17:57
The Science Behind Why People Are Unkind to Those They Love
So, jetzt wisst ihr Bescheid.
Dezember 22nd, 2024 at 18:18
@Nanny: Entschuldigen? Willst du mich in Depressionen stürzen? Meine Weiber hauen mich mit dem, was sie gerade in der Hand haben, wenn ich ihnen so komme. Darum guck ich immer vorher hin. :-P
Dezember 22nd, 2024 at 18:57
42 Jahre durfte ich mit der Liebe meines Lebens verbringen, Morgen jährt sich zum ersten Mal der Todestag.
Zum Abschluss seiner Konzerte spielte Hannes Wader fast immer die Internationale und kündigte das mit den Worten "Danach kann nichts mehr kommen" an. Dem habe ich nichts beizufügen.
Dezember 22nd, 2024 at 19:53
@flatter (32.): "Willst du mich in Depressionen stürzen?"
Nein, ganz im Gegenteil. Wie ich deinem Kommentar entnehmen konnte, sind die Weiber heute ganz anders. Ich bin wohl noch vom alten Schlag ;-)
Dezember 22nd, 2024 at 19:54
@BerndH60 (33.): Ich durfte auch 42 Jahre mit der Liebe meines Lebens verbringen, bis 2023 das Unvermeidliche kam. Ich finde es schön, wenn man das Glück hatte, 42 Jahre eine große Liebe zu leben. Was danach kommt ist nicht so wichtig.
Dezember 22nd, 2024 at 21:04
@R@iner (31.): Lustiger Artikel zum Thema Liebe. Bei genauer Betrachtung komme ich zu dem Schluss, irgendwie ist da was dran.
Dezember 22nd, 2024 at 22:34
@BerndH60, Nanny: Eine Freundin war 28 Jahre verheiratet, bis ihr Mann an Krebs starb. Sie hat ca. 4 Jahre getrauert und die Urne stand bis letztes Jahr in ihrer Wohnung. Dann machte sie sich auf und hat kürzlich in Portugal eine Wohnung zusammen mit einem alten Freund aus Liverpool bezogen. Sie wird nächstes Jahr 74 Jahre alt. Schon klar – Das kann nicht jeder und das macht auch nicht jeder. Beide stehen zudem gesundheitlich gut da und ihre zusammengeworfenen Renten sind völlig ausreichend. Ich will nur sagen: Manchmal gibt es doch noch schöne Wendungen im Leben.
Dezember 22nd, 2024 at 23:19
Danke R@iner! Schöne Wendungen im Leben sind fein. Das zu erkennen und zu nutzen ist sinnvoll und ein Teil des Lebens. Ich hab da auch noch nicht ganz aufgegeben. Dafür bin ich eigentlich noch zu fit (meint zumindest mein soziales Umfeld) ;-). Es braucht halt Zeit, das richtig Loslassen.
Dezember 23rd, 2024 at 13:03
Immerhin sinds jetzt doch schon fast 40 Kommentare zum Thema Liebe geworden, auch wenn sich dabei leider wieder mal der Tod eingemischt hat. Aber so sind sie halt, das Leben und die Liebe. Nix ist für ewig.