Die kapitalistische Gesellschaft ist ein einziges Paradoxon. Das liegt nicht zuletzt an der bürgerlichen Ideenwelt, die den gleichnamigen Staat hat entstehen lassen. Die idealistischen Vorstellungen des Bürgertums waren nicht nur falsch – was sich auch aus dem historischen Stand des Wissens ergibt – sie hatten vor allem nicht einmal die blasseste Idee, welches Monster sie mit dem Kapitalismus losgelassen haben.
Die Dynamik, die dieser entfaltet, hat spätestens Marx erkannt, aber damit fällt auch schon das Signalwort: spät, wie in "zu spät". Marx hat erkannt, dass man ihn nur überwinden und nicht zähmen kann, dass es nicht ein bisschen Kapitalismus gibt, sondern eben ganz oder gar nicht. Seitdem erkennen Generationen von Sozialdemokraten nicht den Grund ihres Scheiterns und sogenannte Liberale erzählen Märchen, mit deren Hilfe sie ihre Herrschaft sichern.
Kann man nix machen
Auch und gerade in den Subsystemen kann man das große Paradoxon erkennen, das zwischen Systemzwang und der Illusion von Individualität: Wir setzen Systeme auf, in denen niemand mehr persönlich verantwortlich gemacht werden kann, während aber das Rechtssystem genau darauf beruht. Der Kalauer "das ist Software, da kann man nichts machen" steht prototypisch dafür, aber im Grunde ist schon jeder Arbeitsprozess beispielhaft dafür.
Es gibt einen Rahmen, in dem jeder weiß, was er zu tun hat, es gibt ein Produkt oder eine Dienstleistung, für die gearbeitet wird, verschiedene Menschen interpretieren auf verschiedene Art und Weise ihre Aufgabe. Es gibt grobe Stellenbeschreibungen, ab und an eine Anweisung und Meetings, in denen an der Oberfläche das eine oder andere abgestimmt wird. Im Grunde hat aber niemand wirklich Verantwortung für seinen Bereich, und die Abläufe wurden in der Regel von Menschen geplant, die längst nicht mehr vor Ort sind.
Menschen werden für Tätigkeiten bezahlt oder unter der Drohung, nicht bezahlt zu werden, gezwungen, sie werden psychisch und physisch unter Druck gesetzt, manipuliert und durch Bedingungen eingeschränkt. Bestes Beispiel für die Perversion dieser Erkenntnisse ist die sog. "Eigenverantwortung", als hätte Arbeitslose einen maßgeblichen Einfluss darauf, wie viele von ihnen beschäftigt werden.
Deine Schuld
Entweder verhindern wir also die Eigendynamik von System oder wir passen das Rechtssystem an. Wie kann man Einzelne rechtlich verantwortlich machen, wenn ihr Handlungsrahmen sie extrem einengt, während man aber den Handlungsrahmen nicht beeinflusst, ja, ihn kaum je berücksichtigt?
Stattdessen besorgen unsere Ideologen die Illusion der individuellen Verantwortung, finden immer wen, der (selbst) schuld ist und verteidigen das System gegen jede Vernunft. Das ist eine durchweg religiöse Weltsicht, und zwar wieder die protestantische, die eben Gottgefälligkeit im einzelnen Christenmenschen verortet. Wüster Geisterglaube.
Januar 6th, 2023 at 19:42
Die politische Klasse des Westens ist, dank der räuberischen Erpressung der sogenannten Entwicklungsländer, der gnadenlosen Ausplünderung dieser Staaten, immer noch in der Lage "The Golden Billion" soweit zu sedieren, dass Fragen gar nicht erst aufkommen oder wenn sie doch mal auftauchen, einfach ignoriert werden können.
Erst wenn der Wertewesten seine wohlverdiente postsowjetische Katharsis, eben noch Supermacht, jetzt nicht mal mehr Kartoffeln im Laden, durchgemacht hat, könnte etwas Neues entstehen.
Vielleicht sogar etwas mit Interesse an den eigenen Lebensverhältnissen anstatt Tik-Tok.
Der globale Süden schüttelt gerade das neokoloniale Joch ab und offenbart sofort das Gewicht der "White Man's Burden".
Kaum nimmt man den Stiefel aus dem Gesicht dieser Undankbaren, gründen sie Institute und reden von Sozialismus.
Brasilien, Argentinien, Südafrika und Indien mit etwas weniger Weltuntergang, etwas mehr Perspektive.
"What We Do
At Tricontinental: Institute for Social Research, our work is about building knowledge from the experience of social and cultural transformations wrought by popular struggles. The main epistemological basis for such an approach to knowledge is derived from Karl Marx’s ‘11th Thesis on Feuerbach’: ‘philosophers have hitherto only interpreted the world in various ways; the point is to change it’. Our understanding of this axiom is that those who are trying to change the world have a sharp assessment of its contradictions, vulnerabilities, and possibilities. The movements and struggles for social transformation teach immense lessons about the character of power, privilege, and property and about the possibility of building a different kind of world."
Januar 7th, 2023 at 09:01
Wenn ich mir in den letzten Tagen im TV Nachrichtensendungen ansehe, werde ich mit Bildern von rollenden Panzern geflutet. Die TV-Medien befinden sich in einem regelrechten Rausch aus Filmsequenzen mit schweren Kriegswaffen. Ich bin mir sicher, dass diese Berichterstattung die Mehrheit der Zuschauenden eher abschreckt.
Und dank Hofreiter, Strack-Zimmermann und SPIEGEL dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis Leopard-Panzer in die Ukraine geliefert werden. (Gibt es Widerspruch?)Läuft alles unter "Nachbarschaftshilfe".
PS: Strack-Zimmermann ist Mitglied des Präsidiums des Förderkreis Deutsches Heer e.V. sowie der Deutschen Wehrtechnischen Gesellschaft e.V., Vizepräsidentin der Deutschen Atlantischen Gesellschaft und Mitglied des Beirats der Bundesakademie für Sicherheitspolitik. Mithin eine Hardcore-Lobbyistin.
Januar 7th, 2023 at 12:44
"das ist Software, da kann man nichts machen" YMMD
Es geht in diesem Sinne weiter: Digitalisiert man dieses Schoißsystem, was ist das Ergebnis? Ein digitalisiertes Schoißsystem!
Neben der Eigenverantwortung gibt es ja auch noch die "freiwillige Lösung", eine beliebte Metapher (und Abschiebung der Verantwortung) aus liberalen und christlichen Kreisen.
Januar 8th, 2023 at 09:16
Das System will die Klimakatastrophe mit massiven Polizeieinsatz aus dem ganzen Bundessgebiet bei der anstehenden Räumung von Lützerath durchprügeln: "Baden-Württemberg (GRÜNE), Bayern oder Hamburg werden beispielsweise jeweils eine Bereitschaftspolizeihundertschaft schicken, Berlin (LINKE) und Niedersachsen drei" Ramelow (LINKE) schickt aus Thüringen einen Toilettenkraftwagen.
Januar 8th, 2023 at 09:46
Zu 2: Ich erhöhe auf Göring-Eckardt, ehemaliges Mitglied der Atlantik-Brücke e. V. (ausgetreten 2013).
Januar 9th, 2023 at 09:08
Dass der Kapitalismus ein Monster ist, ist klar. Aber es gibt auch eine Staatsmacht, die ihn bewusst ins Werk setzt und auch mit allen bekannten Konsequenzen.
Da mischen sich dann staatliches Weltmachtstreben mit einem expansionistischen Wirtschaftssystem und geben ein tolles Psychopathenpaar ab, um die eigenen Bürger und den Rest der Welt zu terrorisieren.
So zeigt dann auch der Fall Russland, dass es gar kein Kampf der Systeme im kalten Krieg war, sondern ein Kampf gegen die Sowjetunion als Weltmacht und heute ein Kampf gegen Russland als Regionalmacht. Mensch, was haben die Politiker im Westen über Gorbi gelacht. Ein Welpe steigt ins Haifischbecken und ruft "Frieden!"
Januar 9th, 2023 at 13:56
Übrigens, wer es nicht auf dem Schirm hat: hat am Samstag ist die Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin. Karten sind noch erhältlich und es gibt auch einen Live-Stream. Das Programm findet man hier:
https://www.jungewelt.de/rlk/de/node/161.programm.html
Copy&Paste aus der Webseite:
Vorträge von
– Anne Morelli, Historikerin (Belgien): Kriegspropaganda der NATO
– Wen Tiejun, Ökonom (VR China): Entwicklungsmodell China. Wovor hat der Westen Angst?
– Aminata D. Traoré, Exministerin (Mali): Folgen der westlichen Kriegspolitik für arme Länder
– Nikolai Platoschkin, Exdiplomat, Buchautor und Politiker (Russische Föderation): Zur sozialen Lage in Russland
– Jack Rasmus, Ökonom (USA), Deglobalisierung und der Zwang zum Krieg
– Aleida Guevara, Politikerin und Kinderärztin (Kuba, Grußbotschaft)
– Rosa Miriam Elizalde, Journalistin (Havanna, Kuba), erste Vizepräsidentin des kubanischen Journalistenverbandes, Sozialismus als Voraussetzung für Frieden: Das Beispiel Kuba
– Mumia Abu-Jamal, politischer Gefangener (USA, Grußbotschaft), präsentiert von Noelle Hanrahan (Prison Radio)
Januar 9th, 2023 at 14:06
Chris Hedges liefert eine treffende Beschreibung dessen, was nicht nur in den USA mittlerweile als Politik durchgeht.
Januar 9th, 2023 at 18:51
@8 Übersetzung hier, ist 21 Tage zur Verfügung:
https://pastebin.mozilla.org/hiYPwYVG
Januar 9th, 2023 at 22:07
Isso:
"Es bleibt uns keine Wahl. Wenn wir Zustände wie in anderen Staaten nicht haben wollen – dass Menschen wild auf die Straße gehen, dass Unruhen entstehen -, dann müssen Regeln auch eingehalten werden".