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Wir Niederrheiner sprechen drei Sprachen fließend: Deutsch, Platt und über andere Leute. Letzteres beruht auf einem Bedürfnis, das sich wiederum aus zwei Quellen speist: der Lust zu urteilen und dem Glauben, der Wille und die Entscheidung Einzelner bestimmten das Sein. Als Marxianer muss man das nur noch vom Kopf auf die Füße stellen.
Als ich 2005 mit der Bloggerei begann, habe ich mich großenteils mit den konkreten Äußerungen von Politikern und Journalisten befasst und sie mit der Realität konfrontiert, mit dem, was ist. Blogs waren damals angesagt; ebenso angesagt ist es immer, über andere Leute zu reden. Der Leser mag das und es brachte mir einige tausend täglich ein.
Über die Kreidestriche
Ich habe mich bis zur inhaltlichen Erschöpfung an diesem Betrieb und seinen Sichtweisen abgearbeitet, bis zu dem Punkt, an dem es für mich nichts Zielführendes mehr zu sagen gab. Es gibt wahrscheinlich auch andere Wege, an diesen Punkt zu kommen, aber dieser besticht durch eine gewisse Gründlichkeit. Allemal ist man danach endgültig davor gefeit, sich Geschichten erzählen zu lassen oder, noch wichtiger, selber welche zu verbrämen.
Ein Kollateraleffekt auf diesem Weg ist die Trennung von Weggefährten, die sich nicht haben lösen können und die den Märchen der anderen ihr eigenes entgegenhalten. Das Spiel ist äußerst attraktiv, bietet es doch neben vermeintlicher Informiertheit stets auch die Unterhaltung über andere Leute, die Welt als Willen und Phantasie.
Unterhaltung ist ihrerseits gut und schön, sie soll und muss leben, aber als exotisches Tierchen lässt man sie besser in ihrem Reservat, hier auch unter "kunstlyriklamauk" bekannt. Man genießt sie besser nicht über dem teuren Teppich. Für alle anderen Texte, die eigenen wie die anderer, gilt: Wenn es nichts zu lernen gibt, kann man sie getrost unverzüglich vergessen.
Juli 17th, 2025 at 21:50
Steht die Metapher "teurer Teppich" für ein mühsam über die Jahre konstruiertes Weltbild, das durch den Genuss von "Fremdmärchen" Schaden nehmen könnte?
Da hab ich es einfacher. Mein Teppich ist sehr fadenscheinig, fleckig und billig gewebt. Bin immer erfreut über Gäste, die drüber latschen und ihre Spuren hinterlassen. Kann nur besser werden.
Danke trotzdem für die konsequente Produktion von Texten hier im Blog. Es wirkt…
Juli 17th, 2025 at 22:54
Hm. Klingt nach Abschied. Würde mich aber freuen, wenn ich das falsch verstanden habe.
Dichtung schließt mitnichten Wahrheit aus, weil sie nichts mit den schon immer und heutzutage gehäuft verbreiteten "Märchen" gemein hat. Letztere sollte man als das bezeichnen, was sie sind: Lügen.
Da du sozusagen auf den Spuren Goethes wandelst: Die Beschäftigung mit dessen Werken (mehr noch die Schillers) hat mich auch viel gelehrt, nicht nur über seine Zeit und den Idealismus, sondern auch über Menschen, Menschenbilder und unsere Zeit.
Wenn Dichtung den Leser dazu anregt, nachzudenken, sich mit dem Geschriebenen auseinanderzusetzen, hat sie etwas erreicht.
Alle deine Texte, die ich gelesen habe, haben für mich genauso funktioniert. Darum schließe ich mich dem Dank von Zoni an.
Ich habe auch an mir bemerkt, dass ich eigentlich nicht mehr viel zu sagen habe, weil irgendwie alles schon gesagt ist, die Realität mich oft einfach sprachlos macht und ich mich regelrecht schützen muss, um nicht an ihr zu verzweifeln.
Was macht dein Buchprojekt?
Kleiner Korrekturvorschlag:
2. Absatz, letztes Wort in der 3. Zeile:
mit statt mir.
Juli 17th, 2025 at 23:11
Zum Thema "Märchen" hab ich selbst mal ein paar Zeilen verfasst:
modernes märchen
die schneekönigin schwingt ihr zepter.
wenn sie lächelt, gefrieren die
tränen,
klirrend zerbrechen die herzen.
gerda ist fort
und kai
muss erfrieren.
Juli 18th, 2025 at 00:05
@Frau Lehmann (2): Danke fürs Horsten und nein, der Punkt, von dem ich da rede, war Ende 2013. Gut 5 Jahre muss ich noch, versprach ich doch irgendwo irgendwann, dass ich meine 25 absitze, ehe ich mich frühestens in die Büsche schlage. Ich bin so ein Prinzipienreiter … :-P
Juli 18th, 2025 at 05:46
Apropos Reitsport: Schon die alten Chinesen wussten, dass, wer ein Prinzip reitet, das Absteigen schwerfindet, oder so ähnlich. Weswegen man sich sein Prinzip sorgfältig aussuchen sollte, bevor man draufsteigt. Und dann sollte man es keinesfalls mitten im Fluss wechseln. Ebenso sorgfältig sollte man sich den Busch aussuchen, in den man sich schlägt, sollte man totz aller Reitkunst doch mal vom Prinzip gefallen sein. Manchmal ist es sogar besser, überhaupt nirgendwo draufzusteigen, sondern erstmal im sicheren Busch zu bleiben und darauf zu warten, wer da so alles vorbeireitet.
Apropos Bodenbelag: Wer braucht schon teure Teppiche? Die sind doch eigentlich bloß für eins gut: fürs drastische Draufreihern bei feierlichen Festlichkeiten. Oder vielleicht noch fürs eilige Einrollen resp. für den abrupten Abtransport lästiger Leichen.
Apropos Absitzen: noch fünf Jahre find ich gut. Das lässt mir reichlich Zeit, diese Kommentarspalte weiterhin mit allerlei albernen Alliterationen zu befüllen, wenn ich mal wieder unter präseniler Bettflucht leide. Und immer wieder was zu lernen, gern auch aus Märchen und Gedichten.
Juli 18th, 2025 at 08:06
PS.
Es muss natürlich "Pettflucht" heißen, Pardon!
Juli 18th, 2025 at 09:27
@flatter #4.: Prinzipienreiter? Ich würde sagen, du bist verlässlich so wie deine Texte. Wer will kann da immer was lernen. Ich finde es sehr schön, dass ich weiterhin was lernen kann, weil du dich noch nicht in die Büsche schlägst.
Juli 18th, 2025 at 11:21
OT: Habt ihr das mitbekommen, dass in BaWü eine stattliche Anzahl von Lehrern nicht eingestellt wurde, weil eine Software der Meinung war, man bräuchte sie nicht? Das kommt dem Fefe-Satz "Softwareproblem, da kann man nix machen" schon mehr als nahe.
Ich finde das interessant, weil es mir sagt, wie sehr auf die Aussagen der Leute geschissen wird.
Unser Gejammer bringt uns also nicht weiter und dann wundern sich alle, wenn mal ein Bank brennt oder so ähnlich.
Juli 18th, 2025 at 11:26
Konfiskazius warnt: Zünde nicht die Bank an, auf der du sitzt!
Juli 18th, 2025 at 11:34
Stimmt, wenn es sich um die Friedhofsbank handelt. Das wäre echt doof.
Juli 18th, 2025 at 12:05
Neben Bänken in Parks, die das hiesige Grünflächenamt schon lange aufgegeben hat, sind Friedhofsbänke meine Lieblingsbänke. Wer sie anzündet, dem soll die Hand verdorren!
Bei Friedhofsbanken sieht es natürlich anders aus: Natürlich kann angezündet werden.