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Je nach Region, Autorität und Bevölkerung wurden Sünden gegen die Sexualmoral unterschiedlich behandelt. Vor allem mit der Entwicklung hin zur Moderne wurde der Umgang toleranter, die meisten Vergehen verschwanden aus den Gesetzbüchern und die Tendenz ging eindeutig in Richtung einer liberalen Handhabung. Interessanterweise hat sich aber Sexualität nie von Moral gelöst, ebenso wenig wie umgekehrt.

Das betrifft nicht nur Verbrechen und konkrete Vergehen, sondern auch und gerade die Grundausrichtung der Kulturen und Subkulturen. Der Spontispruch: "Wer zweimal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment" ist zwar keineswegs frei von Ironie, aber er bringt eine typische Umkehrung zum Ausdruck, die die Strukturen nicht verlässt, sondern lediglich eine Umwertung vornimmt. Das einstige Treuegebot stellt in der Peergroup dieselbe jetzt unter Verdacht. Treue ist reaktionär und etwas für Versager.

Vom Sünder zum Täter

Die ’Befreiung’ der Sexualität, die ohne Verzögerung in ihre Vermarktung überging, war zumindest mit einem latenten Druck verbunden. Vor allem aber konnte sie sich selbst an der Oberfläche nicht vom Bezug auf Moral und das Treuegebot lösen. Das Phänomen blieb dabei ein urbanes, insbesondere in akademischen Kreisen. Auf dem Land hat sich diese Ideologie nie durchgesetzt; sie wäre auch mangels Angebot und ob der Notwendigkeit des Dorffriedens nicht realisierbar gewesen. Zudem ist die ländliche Kultur viel stärker von christlichen Original geprägt und beeinflusst.

Im Übergang zum 21. Jahrhundert stellte sich in den liberalen Kreisen eine weitere Umwertung, sprich: Umkehrung ein. Die liberale akademische Mittelschicht, die die entsprechenden politischen und vor allem Medien schaffenden Kreise beherrscht, hat die christliche Sexualmoral Komplett auf den Kopf gestellt und sich ursprünglich klerikale Herrschaftstechniken zu eigen gemacht: Sprachregelungen, Regelungen der Verschriftlichung, Verwalten der gültigen Wahrheit.

Dabei hat sie die alte Hierarchie der sexualmoralischen Werte nicht etwa überwunden, sondern schlicht auf den Kopf gestellt. Zunächst ist es die Frau, die aufgewertet und über den Mann gestellt wird. Grundlage solcher Umwertungen ist stets ein Täter-Opfer-Verhältnis, das der sexualisierten Moral zugrunde liegt. Anstatt das alte Herrschaftsverhältnis durch ein partnerschaftliches zu ersetzen, wurde es eben auf diese Art nur umgekehrt. Der Geschlechtsakt ist selbst außerhalb der Ehe keine Sünde mehr, aber stets eine potentielle Vergewaltigung.