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Identitäre mögen Fantasy, weil es da noch einfach und geordnet zugeht: Fantasy, das ist Pferde, Schwerter, Burgen und Fabeltiere. Und im Norden ist es immer kalt. Verkitschtes Mittelalter, europäische Gemütlichkeit und ein Kult der Härte, wo das Wetter eben immer grimmig ist, und egal, auf welchem Planeten oder in welcher Parallelwelt das stattfindet, es ist eben wie im Wertewesten, als die aus Süd und Ost noch Barbaren genannt werden durften.

Die komplexe postmoderne Welt überfordert die Menschen. Die Anpassungsprozesse sind stets in Beschleunigung begriffen. Nehmen wir mal die Arbeit: Die 40er Jahrgänge hatten noch einen Job fürs Leben, die 50er mussten am Ende ihres Arbeitslebens noch einmal umlernen, die 60er/70er kennen nur mehr Unsicherheit und die später Geborenen machen sich keine Vorstellung mehr davon, wie ihr Leben in zehn Jahren aussehen wird. Da braucht es Orientierung, und die findet man wohl am Besten in radikaler Weltflucht.

Wo Gott dich hinstellt

Hartmut Finkeldey (Grüße!) hat einmal wunderbar auf den Punkt gebracht, was Konservativismus ausmacht: "Alles ist an seinem Platz." Jeder weiß, wohin er gehört und stellt das nicht infrage. Niemand muss nach Höherem streben und keiner wird gestürzt (es sei denn, er bedroht die Ordnung, indem er sich an ihr versündigt).

Die Identitären von rechts bis pseudolinks haben das inhaliert. Rechts ist der Revanchismus und die Restauration, die Pseudolinken stellen eine neue Hierarchie auf, aus der ebenfalls kein Entrinnen ist. Hie die Guten, die Opfer, da die bösen Täter. Wird ein bisschen komplizierter, wenn definierte Opfergruppen in Konflikt geraten, aber da diese Ideologie sich in keiner Praxis bewähren muss, kann sie nach belieben zündeln und weiterziehen, bis sie sich endlich überall unmöglich gemacht hat.

Dabei profitieren diese identitären Strukturen vom Bedarf der Neocons und Neoliberalen, der Kapitalisten und Kriegstreiber, die es gern moralisch und unumstößlich haben. Jeder an seinem Platz: Die Guten, die Bösen, die Faulen und die Leistungsträger. Die Ordnung ist gottgewollt oder doch zumindest aus der Warte höherer Gerechtigkeit in Kraft. Kein Zweifel, keine Differenzierung.

Zu viel Stress

Wo die Moderne mit ihren tief in die Geschichte reichenden Erzählungen gescheitert ist, weil alle die Ziele, alle die Enden der Geschichten, sich als unzutreffend erwiesen haben, hat sich nicht etwa ein Materialismus durchgesetzt, der seinerseits auf ein Ende der Geschichte verzichtet hätte – wie etwa ein Marxismus ohne das Versprechen einer Befreiung des Proletariats.

Es hat sich kein wissenschaftlicher Blick etabliert in der öffentlichen Wahrnehmung, die Frage nach dem, was ist, wie es wurde und welche Optionen sich daraus ergeben. Das würde ja in permanenten Stress ausarten. Vielmehr hat sich Narrativ noch von Historie getrennt und erzählt uns wieder was vom Pferd. Folgerichtig ging Journalismus längst vom Storytelling zum Fairytaling über.