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Vor zehn Jahren schrub ich: Es gibt keine Geschichte, weder wahr noch gelogen, der die Menschen folgen könnten. Es gibt keine Wünsche, die jemand erfüllt. Es gibt keine Zukunft, auf die sich irgendwer freuen könnte, nicht einmal irgend eine Aussicht auf ein Ende der "Krisen". Genau so sehen sie dann auch aus, die Verwalter dieser aschgrauen Welt. Jeder neue Promi, den die Zombies in Kostüm oder Krawatte hervorbringen, ist ein größerer Lügner als der zuvor, den sein eigenes Geschwätz noch weniger schert.

Es herrscht das Vakuum. Es herrscht, weil es keine Geschichte gibt, die dem mit allerletzter Konsequenz wütenden Kapitalismus noch eine ansehnliche Fassade überstülpen könnte. Es herrscht, weil es noch niemanden gibt, der eine andere Geschichte erzählt, die man ihm glaubt, die ein anderes Ende verspricht, an dem man noch leben möchte. Immerhin: Noch ist es nicht die alte Platte, die immer wieder aufgelegt wird, wenn sonst nichts geht, die von Volkssturm und Feindvolk. Es ist daher noch ein wenig Zeit, eine neue zu schreiben.

Autoritäre Mitte

Heute ist es die radikale Mitte, die nichts anderes mehr zulässt als dieses Nichts im Rahmen des je aktuellen Feindbilds, das gleichbedeutend ist mit der Bestätigung, dass sie – die Autorität – alles richtig macht. Es herrscht die schiere magische Notwendigkeit. Magisch, weil es keine plausiblen Gründe gibt für das, was die Autorität als notwendig deklariert. Die Massen haben sich abgewandt von diesem Hokuspokus und suchen verzweifelt nach alternativen Angeboten. Sie nehmen jedes, und sei es das einer AfD.

Derweil werden Abweichler überwacht, zensuriert, gemaßregelt und kriminalisiert. Zensur und Meinungsverbote sind aber langfristig nur durchsetzbar in einem Spektrum, das die Sicherheitskräfte und ein großer Teil der Bevölkerung vertreten. Allein erstere sorgen dafür, dass das immer nur rechtsextreme Haltungen sein können. Die radikale Mitte schafft daher gerade die Infrastruktur für eine rechte Diktatur.

Risse im Konzept

Die Rechten triumphieren, weil für sie Unterdrückung immer gerechte Rache ist und sie ohnehin nicht gegen Unterdrückung sind; der pseudolinke Teil der radikalen Mitte ist derweil dem religiösen Glauben verfallen, es gebe eine überlegene Moral, die allein solche Maßnahmen rechtfertigt und daher göttlichen Schutz vor Missbrauch genießt. Sie glauben wirklich, die autoritären Maßnahmen seien ein Mittel gegen Rechts®.

Was uns vor dem Marsch in einen Faschismus schützt, der extreme Ähnlichkeit hat mit dem der Nazis, ist dasselbe, das Kriegstüchtigkeit verhindert: die Sozialisation der jungen Generation. Diese hat nicht die Härte und Gewaltbereitschaft, die es braucht, um genügend Stiefel und Fäuste zusammen zu bringen. Was uns ebenfalls schützt, ist die Korruption des Kapitals, das kein effizientes Militär aufstellen will, sondern reibungslos Kasse machen. Zuverlässig schützt das allerdings nicht, am wenigsten vor der Willkür der Macht.

p.s.: Achnes Streisand-Zimmerflak klagt Zensur ein. Wer's blöder kann, werfe sich den ersten Stein in die Fresse.

 
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Mein Podcast trägt seit einiger Zeit den Untertitel "Chronik der Verblödung", was zunehmend zur Hauptaufgabe des Chronisten wurde. Es stellt sich die Frage, ob und wie die Nämliche aufzuhalten, einzugrenzen oder umzukehren wäre. Vor allem auf dem Terrain der internationalen politischen Kommunikation hat sich ein Niveau eingestellt, das wenig Grund zur Hoffnung lässt.

Gibt es noch eine Möglichkeit, so etwas wie Diplomatie wieder aufzunehmen? Die Schwierigkeit besteht darin, dass die politische 'Elite' (der Schmerz, der mit dieser Bezeichnung einhergeht, ist ein deutliches Symptom) sich so in die Narrative ihrer Propaganda verwickelt hat, dass sie längst das, was sie als Realität noch anzuerkennen bereit ist, ihren bizarren Märchen anpasst.

Es war einmal

Diesen Zwang entsprechend haben sie sich von rationalen Kriterien wie Zahlen, Verhältnissen, historischen Erfahrungen und Analysen vollständig abgewendet. Nur so konnte es schon allein gelingen, sich einen militärischen Sieg gegen Russland herbei zu phantasieren. Doch auch das muss noch gesteigert werden, indem die europäische Charge dieser Bildungsversager sich ernsthaft vormacht, sie könne das jetzt ohne die USA bewerkstelligen.

Es musste schon die ganz untere Schublade ausgekratzt werden, um Diplomatie à la Baerbock, Macron oder Starmer hervorzuzaubern. Was ist, gilt ihnen nichts. Nur das, was sein soll, was ihrem wirren Wünschdirwas genügt, wird noch kommuniziert. Auf dieser Basis handeln sie dann. Unter Merz, Pistorius und Kiesewetter wird das kein Stück besser.

Daraus folgt unmittelbar, dass diese Charge mit niemandem verhandeln oder sich auch nur austauschen kann, denn wer rational denkt, definiert Realität eben völlig anders, und wer ebenfalls derart irrational wäre, hielte eine ebenso inkompatible Scheinwelt der ihren entgegen.

Absolut sicher

Befragt, was wohl die Folgen wären, würden etwa Starmer und Macron Truppen in die Ukraine schicken, erinnerte Alexander Mercouris jüngst an die Anekdote, der Kaiser habe Bismarck einmal gefragt, wie der auf eine Invasion der Engländer reagieren würde. Die Antwort: "Ich schicke die Polizei und lasse sie verhaften."

Es endet meist schrecklich, wenn Entscheidungen mit geschlossenen Augen und unter lautem Gebrüll getroffen werden. Wenn nicht irgendwie doch noch die Realität Einzug in die Wahrnehmung der Europäer hält, ist dieser Schrecken vorprogrammiert. Die Mauern aber sind hoch und die Gräben tief. Vor dem Einfluss von Verstand weiß man sich bestens geschützt.

 
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Grob die Hälfte der wahlberechtigten Deutschen hat Parteien gewählt, deren Wahlwerbung noch vor wenigen Jahren als offen rechtsextrem bezeichnet worden wäre. Bei der einen ist das nach wie vor der Fall, aber das sind halt die, die noch nicht mitspielen dürfen. Im Übrigen fehlt mir der Unterschied.

Ich hatte vor einigen Tagen den Fehler gemacht, kurz das Radio einzuschalten, wobei mir das Glück zuteil wurde, nacheinander die Wahlwerbespots von AfD und CDU hören zu dürfen. Weidel erklärte sinngemäß, dass die Ausländer uns alles wegnehmen, was wir früher hatten, und Merz machte deutlich, dass er für "Recht und Ordnung" sorgt, damit unsere Frauen wieder sicher sind – insbesondere vor den Ausländern.

Wähle deinen Schlächter

Dass die anderen sich dabei überbieten, denselben rassistischen Dung zu bedienen (im Großen Stil abschieben, Grenzen sichern, oder, die mir widerlichste, weil neusprechlich gestaltete grüne Phrase "Migration gestalten"), machte weiterhin deutlich, dass dieses System fertig hat. Niemand hat mehr eine Idee, wie relevante Probleme zu lösen sind, also muss der Sündenbock her. Neger, Jude, Ausländer, Migrant.

Für den Rest trampeln wir auf denen herum, die schon ohnmächtig sind und am Boden liegen. Die "kürzen wir auf null", eine anderes Wort für "eliminieren". Schon die Absicht ist verfassungswidrig, aber was interessiert die Mittelschicht mit Privatflugzeug oder Flugbereitschaft schon ihr Gesetz von gestern – und sei es das am Grund?

No, We Can't

Von daher hat die Wahl folgendes hervorgebracht: Die Mieten werden steigen, die Lebensmittelpreise werden steigen, die Infrastruktur wird weiter verkommen, die Wirtschaft wird schrumpfen und zur Abhilfe werden tausend Ausländer rausgeworfen. Da man die anderen eh nicht loswird, braucht man noch mehr Schuldige, das erledigt dann die Gefahr von links® und …

Nein, ich habe ihn nicht vergessen, den Russen. Um dessen Plan zu vereiteln, gemeinsam mit den Ausländern unsere Frauen zu schänden, unsere Kinder zu stehlen und unsere Städte zu zerstören, müssen wir alles, was wir noch haben, in Waffen und Kriege stecken. Da kann man nichts machen, das müssen wir tun. Aber gut, dass wir das Schlimmste verhindert haben.

23.02. 2025 15:34

 
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Durch Trumps wilde Milliardärsmeute wurde der Name Gonzalo Lira auch außerhalb gut informierter Kreise® jüngst bekannt. Was nicht zur Sprache kam: Warum wurde Russland wegen des Applizierens des tödlichen Gifts aller Zeiten, das fast alle Opfer überlebt haben, auf Nawalnys Unterhose 'sanktioniert', die USA aber nie für die Komplizenschaft beim Mord an Lira?

Was das mit der Wahl zu tun hat? Nun, ich würde vielleicht jemanden wählen, der den Fall schon publik gemacht hätte, als er noch relevant war und Lira noch lebte. Er war immerhin kein Russe, sein Leben mithin nicht völlig wertlos.

100 Butschas

Oder was ist mit den offenbar massenhaft begangenen Greueltaten von Ukronazis und ihren Befehlsempfängern an russischen Zivilisten in Kursk? Die Gerüchte aus Butscha, die bis heute nicht ernsthaft als Fakten durchgehen können, haben immerhin ausgereicht, die Friedensvereinbarungen zwischen Russland und der Ukraine zu torpedieren – das ist zumindest die offizielle Version.

Jetzt aber, wo der UNO Belege über 100 Butschas vorliegen, passiert im Westen und den eingebetteten Bundesparteien was? Wenn jemand aus diesem feinsten Material purer Demokratie und Menschenrechtlichkeit auch nur gefragt hätte, was da passiert sein könnte, wäre er vielleicht wählbar.

Haben wir nicht gewusst

Oder die neueste Entwicklung als solche: Wie wirkt sich der Regierungswechsel in den USA auf die Möglichkeit aus, das Morden in der Ukraine endlich zu beenden? Und nochmal überhaupt: Zählen eigentlich wenigstens die Ukrainer, die dort immer noch massenhaft sterben, etwas? Wie ist es mit den politischen Zielen unserer edelsten Vertreter – oder auch nur mit dem Grundgesetz – vereinbar, dass wir ihr Verbluten weiterhin nach Kräften befördern?

Es ist ja ohnehin so, dass man seinen Verstand vor der Wahlkabine abgeben muss, um zu dokumentieren, dass man den schon rituellen Lügnern irgendetwas von dem abnimmt, was sie vor einer Wahl behaupten. Heute aber macht man sich mit Mördern, Komplizen und Ignoranten gemein, wenn man das System legitimiert, das sie hervorbringt. Das kleinere Übel, das ihr wählt, ist immer noch Faschismus.

 
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Nehmen wir für einen Augenblick an, die Bevölkerung einer Bürgerlichen Demokratie wäre mehrheitlich gegen das politische System, das sie beherrscht. Beginnend damit, dass sich die Mehrheit durch keine der zur Wahl stehenden Parteien vertreten fühlt, bis hin zu der allgemeinen Einstellung, dass in den Funktionärsapparaten, die jene Parteien leiten, das Mindestmaß an Kompetenz fehlt, um überhaupt die aktuellen Probleme zu verstehen, geschweige denn sie zu lösen.

Wir hätten also eine Situation, in der die Mehrheit der Bevölkerung erkennt, dass ihre Interessen nicht vertreten werden, weil die Vertretung dies nicht kann und auch gar nicht die Absicht hat. Welche Möglichkeiten hätten die Bürger dann, die Situation zu ändern?

Endzeitenwende

Immer wieder wurde und wird in solchen Situationen der Versuch gemacht, dem durch die Gründung neuer Parteien abzuhelfen. Diese sind aber wiederum immer nur – zudem meist kurzfristig und vermeintlich – Vertretungen anderer Minderheiten. Zudem ist ein System, das zu solchen Zuständen geführt hat, nicht veränderbar, indem andere Personen dasselbe unter einer anderen Flagge tun. Ohnehin zeichnen sich verkrustete Systeme durch Prozesse aus, die Innovation schlicht ausfiltern.

Es gäbe also eine Mehrheit, die sich vermutlich gar nicht einig darüber ist, welche Probleme vorrangig sind und wie sie zu lösen wären, sie sind sich aber dahingehend einig, dass in den bestehenden Strukturen jede wünschenswerte Veränderung unmöglich ist. Was können sie dann tun? Betrachten wir das kurz am Fall BRD:

Zunächst stehen sie vor dem Problem, dass die Erkenntnis, das System selbst sei der Kern des Problems, nicht einmal öffentlich diskutiert werden darf, denn das wäre verfassungsfeindlich, zielte notwendigerweise auf die Abschaffung des Systems ab und wäre damit eine Straftat. Den Ausgang aus dem Dilemma versperrt sich das System an dem Punkt, in dem sein Scheitern sichtbar wird, selbst.

No Way Out

Denselben Fehler haben schon frühere Systeme gemacht, in denen jeweils eine andere Struktur nicht nur undenkbar war, sondern mit Gewalt unterdrückt wurde. Diese Systeme waren gemeinhin religiös begründet. Das Bündnis, das der Bürgerliche Staat mit der Vernunft einmal oberflächlich eingegangen ist, endet aber spätestens an der Stelle, an der die neuen Machthaber und ihre Macht selbst infrage stehen.

Wo selbst der Kapitalismus eine gescheiterte Körperschaft in die geordnete Insolvenz schickt, fehlt dem Staat, der dessen Eigentumsordnung schützen soll, für den Umgang mit dem eigenen Scheitern jede Idee. Rien ne va plus.

 
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Eine Umfrage sagt, junge Leute wünschen sich starke Führer. Nicht überliefert ist, ob sie so etwas meinen oder überhaupt jemand sie darauf aufmerksam gemacht hat, dass die Beklopptenquote unter den politisch Autoritären gegen eins geht.

Es nimmt nicht wunder, es ist einmal wieder so weit, der Kapitalismus im Endstadium schlägt in Faschismus um. Er hat sich über einige Jahrzehnte hinweg zunächst unschuldig stabil gehalten, dann kam das Übliche und Altbekannte.

Extrarunde

Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs gab es eine lange Extrarunde, in der das Kapital West fleißig Leichen fleddern durfte. Das Aufholen in der ehemaligen Peripherie (vor allem China und Indien) wurde zunächst auch begrüßt. Ausbeuten, Outsourcen, Profit Hurra. Nachdem auch dieser Corpus ausgelutscht war, kam der vorletzte Schritt in Richtung Hölle – Konkursverschleppung mittels allem, was erlaubt und verboten ist.

Die 'US-Hypothekenkrise', die 'Subprimekrise', die 'Eurokrise', 'Finanzkrisen' aller Art, Betrug durch Ratings, Betrug durch Verbriefung, Betrug durch Kryptowährungen, Betrug durch LLMs, Krieg, Korruption, Genozid. Die treibende Kraft, das Zentrum der Macht, die US-Neocons, hatten vor Jahrzehnten beschlossen, es sei eine gute Idee, das alles im Namen von Demokratie und Menschenrechten zu tun.

Da sie sich seitdem weigern zu bemerken, dass der Drops längst gelutscht ist, hat die Basis ihrer politischen Ordnung folgerichtig das Zeitliche gesegnet. "Demokratie" ist eine so hohle gammelige Frucht, dass niemand mehr etwas damit anfangen kann. Sie ist eine Simulation, vielmehr nur noch die Behauptung einer Simulation. Sie ist ein stumpfes korrodiertes Werkzeug für die Profiteure und die Nützlichen Idioten ihrer Mittelschichten, um die Eigentumsordnung zu erhalten.

Same Procedure

Die dazu beherrscht werden müssen, können mit dem Schwachsinn, der ihnen aus diesem Anlass täglich erzählt wird, nichts mehr anfangen. Sie haben aber keinerlei Option, etwas am Zustand zu ändern. Schließlich geschieht das alles bereits in ihrem Namen. Selbst eine Revolution kommt nicht infrage, nicht bloß, weil das "Subjekt" fehlt, sondern weil der Feind nicht greifbar ist.

Das Gegebene ist genauso falsch wie sein Gegenteil. Die wertewestliche Demokratie ist Dantes Hölle. Es gibt kein Entrinnen und keine Hoffnung. Es bräuchte also eine quasi göttliche Gewalt, die alles zerstört und den Weg für etwas Neues freimacht. Irgendwie erkenne ich hier ein Muster.

 
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Lediglich SpOn befaßt sich am Rande mit einem Plan des Verteidigungsmininsters, einen weiteren Meilenstein zur Militarisierung Deutschlands zu setzen. Eine “Militärstaatsanwaltschaft” hätte er gern, Leute, die “vom Fach” sind und wohl aus der Perspektive des Metzgers den Tierschutz betrachten. Der stille Abschied vom “Bürger in Uniform” und der Parlamentsarmee, die Schritt für Schritt zum Staat im Staate wird, kommt im Schatten der humanistischen NATO hervorragend voran.

Die Bundeswehr als militärische Exekutive unterstand bislang der Kontrolle ziviler Gerichtsbarkeit und der Legislative in Form des Deutschen Bundestags. Das Bestehen der Wehrpflicht war zudem bislang immer dadurch legitimiert, dass durch die Wehrdienstleistenden ein deutlicher Anteil an Zivilgesellschaft in der Truppe selbst präsent sein sollte.

Es sollte eine andere Armee sein, eine demokratische, die eben der Zivilgesellschaft unterstand. Der Parlamentsvorbehalt und alle diese Einschränkungen waren ganz bewusst eine hohe Hürde, die zu nehmen war, ehe jemand Soldaten in einen Kampf schickte. Es sollte knirschen im Gebälk, die anstehenden Bedenken sollten ausgesprochen und berücksichtigt werden können.

Ein Blick ins Gesetz …

Was Deutschland nicht mehr haben wollte, war eine Armee, die allzeit marschbereit ist und ausschließlich militärischen Zielen und Vorgaben folgen würde. Dies wurde u.a. im Grundgesetz, Artikel 87a (2) verankert:
Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zulässt.”

Eine strengere gesetzliche Einschränkung kann es kaum geben. Was nützt dies aber, wenn unter der Hand eine Armee für reibungslose Auslandseinsätze ohne lange Diskussion zurecht “reformiert” wird, die zunehmend einer zivilen Kontrolle entzogen wird? Obendrein wird inzwischen von Gegnern der verfassungsmäßigen Einschränkungen stetig der Einsatz im Inneren gefordert. Man kann sich nicht weiter vom ursprünglichen Geist des Grundgesetzes entfernen, der aus der Erfahrung dessen resultierte, was deutsche Soldaten zu tun imstande sind, wenn man sie solch strenger Kontrolle entzieht.

Von all dem wollen die Großmäuler des transatlantischen Bellizismus nichts mehr wissen. Im Gegenteil wird ein schneidiges Gehabe gepflegt, werden Tapferkeitsorden aufgelegt und schnelle Eingreiftruppen zum Gebot der Stunde verklärt. Dabei ist es sehr zu begrüßen, dass die Bevölkerung sich in bemerkenswerter Weise diesem Stechschritt durch die Institutionen verweigert und die Demokratie einfordert, an der den leidenschaftlichen Befehlshabern in den Bundesregierungen nichts mehr liegt. So geht man auf deren Seite mit der Meinung des obersten Souveräns um: Wenn die Propaganda einmal nicht anschlägt, zieht man das Ding eben mit brutaler Ignoranz durch.

Januar 2010

 
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Als Schuldmanagement der Einzelnen, einem der wichtigsten Herrschaftsinstrumente, setzt Moral auf Vereinzelung, Bewertung und damit Konkurrenz. Sie ist wichtig, um die Hierarchien zu rechtfertigen und um als Machtmittel zu bestehen. Nur in gegenseitiger Bewertung, Aufwertung und Abwertung kann Moral ihre volle Wirkung entfalten.

Die Mitglieder von Gruppen, in der eine Moral als gültig anerkannt wird, müssen diese verinnerlichen und sie im Wirken ihrer selbst und anderer wiedererkennen. Jeder persönliche Erfolg korrespondiert mit Tugenden, Eigenheiten und Identitäten. In der extremsten Ausprägung ist unter solcher Moral jeder "seines Glückes Schmied". Jeder kriegt, was er verdient.

Eine auf Solidarität und gemeinsamen Erfolg ausgerichtete Gesellschaft hingegen kann solche Konkurrenz, Individualisierung und Hierarchiebildung nicht gebrauchen. Unmittelbar kontraproduktiv wirken sich Hierarchien aus, die auf verkrusteten Strukturen beruhen, deren Ursache wiederum in einer Moral zu finden ist, die es sich zur Aufgabe macht, das Bestehende je zu rechtfertigen.

Korrupte Hierarchien

Auf Kompetenz beruhende, temporäre Hierarchien ermöglichen starke Organisationsstrukturen. Wo aber solche Hierarchien, die funktional eben auf Kompetenz angewiesen sind, durch Erbfolgen und Seilschaften ersetzt werden, gerät der Vorteil der Hierarchie zum Nachteil. Hier wirkt Moral unmittelbar kontraproduktiv, weil sie eben bar aller vernünftigen Kriterien wertet. Nicht Wissen und Können bestimmen hier, sondern der Platz, den jemand aufgrund seiner Identität einnimmt.

Es bilden sich 'Eliten' ohne Kompetenz, die sich schlimmstenfalls nicht aufbrechen lassen, weil es keine Selbstbestimmung aller gibt, am Ende nicht einmal reale Mitbestimmung. Wenn die große Mehrheit nur mehr aus den verkrusteten Eliten auswählen darf, hat sie keinen Einfluss mehr. In Arbeitsprozessen hatte sie ohnehin nie ein Recht auf Selbstbestimmung, und selbst die schwache Mitbestimmung, die ihr teils zugebilligt wurde, wurde längst weitgehend wieder abgebaut.

Unter solchen Bedingungen wird es langfristig schwer, auch nur Profite zu generieren, weil Kompetenz in solchen Systemen zwar noch möglich ist, aber immer unwahrscheinlicher wird. Umso unwahrscheinlicher, je mehr Moral und PR-Sauce über den Status Quo gekippt werden, um wenigstens den Schein eines gesellschaftlichen Zusammenhalts zu wahren. Wo auch das scheitert, wird dieser umso lauter eingefordert, am Ende mit Gewalt.

   
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Ich habe zu Weihnachten ein T-Shirt geschenkt bekommen, auf den zu lesen ist:
"I don’t argue. I explain why I’m right." Der reale Hintergrund ist hier nicht wichtig, aber es ist auf eine ganz andere Weise etwas daran.

In 'Diskussionen', in denen ich mich nicht zu Scharmützeln hinreißen lasse – diese sind längst sehr selten – gebe ich ein Statement ab, sehe zu, dass es verstanden wird, und lasse mich nicht auf den Austausch von Lametta ein, unter dem der Baum, um den es geht, begraben wird.

Dies bedeutet zweierlei: zweitens, dass eine Sicht der Dinge nicht klüger, besser oder zutreffender wird, wenn man dazu noch Diplome vorzeigt oder versucht, sich gegenseitig zu manipulieren. Erstens, dass ich nicht versuche, eindringlich zu werden, und sei ich noch so überzeugt, denn beim Erwachsenwerden habe ich gelernt, dass das kontraproduktiv ist.

Zwingende Dummheit

Der Vollständigkeit halber sei auch das Drittens noch erwähnt, dass ich nämlich nicht versuche, zu gewinnen, womöglich ohne Rücksicht darauf, was eigentlich wahr ist und was falsch.

Die Steigerung dieses Reifeprozesses besteht darin, andere zu lassen. Meisterprüfung: jemanden, der einem wirklich am Herzen liegt, nehmen wir mal eine meiner Töchter, Entscheidungen treffen zu lassen, die man selbst für falsch hält, und sie dann nicht mit der Macht der eigenen Weisheiten zu überrollen. Klar sage ich, was ich denke, aber damit endet mein Einfluss.

Wie alles Private hat auch diese Handlungsweise eine politische Dimension. Dass der Staat nicht einmal annähernd das Recht hat, nach Aneignung des Gewaltmonopols die Bürger zu gängeln, ist nur die Spitze des Eisbergs. Was sich heute aber dazu berufen fühlt, die Stellvertretung aller Menschen zu mimen, will uns inzwischen geradezu aufzwingen, was wir gefälligst zu denken hätten. Dieses Maximum der Anmaßung geht nicht zufällig mit dem Ruin jeder Kompetenz einher.

   
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Kompetenz gilt als aus der Mode gekommen. Überhaupt ist die Moderne im Endkapitalismus nur mehr Fashion. Diskurse, die dereinst von Intellektuellen angestoßen und beeinflusst wurden, sind heute Meinungssphären unter der Leitung sogenannter Influencer.

Tragisch daran ist nicht nur der allgemeine Niveauverlust, sondern ebenso die Trümmerlandschaft dessen, was einmal Sozialverhalten war. In ihr gedeiht der Autoritarismus, denn wo Meinungen – auch und vor allem politische – ein Produkt der medialen Mode sind, kann beliebiger Inhalt zugeführt werden, der vom Mob gierig aufgenommen wird wie alles, was in Fashion ist, um sogleich Jagd auf diejenigen zu machen, die out sind.

Mobbing wird folgerichtig und zwangsläufig das Medium der politischen Auseinandersetzung, wo die Landschaft sich teilt in diejenigen, die zustimmen, tragen, was alle tragen, gut, schön und wahr finden, was eben en vogue ist, und die Anderen, die halt nicht dazugehören. Das sind eben die Parias.

Circenses

Das Spiel ist fürchterlich durchschaubar, niemand bleibt unentdeckt, der nicht mit den Wölfen heult. Moral will es so und nicht anders, ist sie doch im Kern immer das Mittel der Diskriminierung. Wir sind die Guten. Wer nicht für uns ist, ist der Feind. Jenseits eines intellektuellen Diskurses, in dem es um Inhalte geht, immer unabhängig von Personen, ist jedes Argument nur simuliert, denn es zählt nur das des Mobs und niemals eines der Parias.

Als mediale Verkaufsschau ist eine Diskussion die Metasimulation dessen, was einmal der Wahrheitsfindung diente. Die Regeln wurden insgeheim durch totale Moralisierung ersetzt, der Ablauf so orchestriert, dass, was einmal Moderation war, durch eine Aufsichtsperson ersetzt wurde, die für das nötige Ungleichgewicht sorgt, sollte doch einmal ein Paria überzeugend zu Wort kommen.

Das ganze Brimborium markiert das Endstadium des Parlamentarismus, in dem das Parlieren zum Selbstzweck mutiert, dessen letzter Zweck eben in der dumpfen Reproduktion des Bestehenden liegt. Wer die Medien kontrolliert, ihre Agenda und die moralische Wertung, herrscht total. Den Rest besorgt der Mob, der keinen Diktator braucht und keine Todesdrohung, um eifrig jeden Abweichler vom aktuell Guten zu eliminieren.

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