2024


 
zara

Ich hatte lange Zeit hier eine bewegte Diskussion mit vor allem einem Kommentator über die Frage, wie man es wohl mit einem Staatssozialismus hielte. Aus aktuellem Anlass (Anmerkungen in den Kommentaren) greife ich das noch einmal auf.

Vorab: Staatssozialismus, zumal der Leninscher Prägung, ist ein komischer Kapitalismus. Es gibt vor allem eine Geldwirtschaft und Lohnarbeit. Den Mehrwert, den die Arbeiter erwirtschaften, verwaltet der Staat, der auch plant und beschließt, was wie wo produziert wird.

Lenins Kapitalismus

Der Unterschied zum 'normalen' Kapitalismus besteht also darin, dass der Staat anstelle der Eigentümer entscheidet und über alle Mittel verfügt. Die Lohnabhängigen bleiben von der Gnade Dritter abhängig, und obwohl sie offiziell – als Staatsbürger – eigentlich Eigentümer sind, bleiben sie entmündigt.

Wirklich demokratische Gegenmodelle müssen also davon abweichen, indem endlich die Arbeiter selbstbestimmt produzieren und planen. Niemand vertritt sie, sie bestimmen mithin, was wie und wo produziert wird. Komplexer wird das Ganze dadurch, dass nicht beliebige Ressourcen überall vorhanden sind, die Arbeiter sich also regional und überregional solidarisch koordinieren müssen.

Damit sind zwar weiterhin politische Instanzen an den Prozessen beteiligt, aber durch imperative Mandate und direkte Beteiligung an überregionalen Entscheidungen (z.B. per Internet) kann leicht verhindert werden, dass die Koordination wieder zu einer Machtballung führt. So viel in extremer Kürze zu Modellen, welche die Aneignung des Mehrwerts durch Staat oder Eigentümer verhindern.

Der andere Weg

So etwas kann man nicht aus dem Boden stampfen; es muss sich entwickeln. Ich persönlich halte es für ausgeschlossen, dass solche Selbstbestimmung sich innerhalb eines kapitalistischen Systems entwickeln kann. Sobald derartige Modelle erfolgreich wären, würden sie durch die Konkurrenz der Eigentümer zunichte gemacht werden.

Die Gefahr, aus welcher Not auch immer, in einer nicht mehr zu beherrschenden Krise des Kapitalismus eine staatssozialistische Lösung zu wählen, ist mehr als real. Diese ist die Regel etwa in Kriegs- oder Nachkriegsphasen, in denen der Staat über die Verteilung er lebensnotwendigen Ressourcen entscheidet und nach einer Phase der Stabilisierung die künftige Struktur festlegt. Das ist oft ein Reset des Kapitalismus, einschließlich der Beibehaltung privaten Grund- und sonstigen Eigentums.

Die Frage, die sich mir stellt, ist die – denn das wäre das Maximum an Einigkeit dessen, was sich 'links' bislang entwickelt hat – ob es denkbar wäre, über einen Staatssozialismus in die Gegenrichtung zu wandern: Enteignung von Grund- und Privateigentum* sowie die Einrichtung ökonomischer und politischer Entscheidungsstrukturen unter Maßgabe allgemeiner Selbstbestimmung. Ohne Herren oder Sklaven.

*Für Spezialexperten: "Privateigentum" meint das Eigentum an Produktionsmitteln wie Fabriken, nicht das selbst bewohnte Reihenhaus oder die Zahnbürste.

 
zara

Es ist eine Frage des politischen Willens, die Wirtschaft zu gestalten. Das ist der zentrale Glaubenssatz der Reformatoren vor allem Keynesianischer Schulen. Man müsste nur dies und das ändern, es so und so wollen. Dazu müsste man nur den und den informieren, hier und da überzeugen und dann tun, was einzig vernünftig wäre. Keynesianer sind die Könige des Konjunktivs. Aber nicht nur die, ich will mich schon gar nicht auf welche beschränken, die sich so nennen. Jeder, der glaubt, man könne mit dem nötigen Willen die Welt verändern, hat sich als Wissenschaftler disqualifiziert.

Die nötigen Belege dazu hat die Geisteswissenschaft erbracht, und zwar in ihren Sternstunden wie in ihrem Versagen. Eine wissenschaftliche Betrachtung des Wirtschaftens, von Anfang bis Ende durchgedacht, hat sie seit Marx nicht mehr hingelegt, Nicht einmal den Zottelbart auf den Stand einer kommunizierbaren Sprache gebracht. Interessiert sie nicht mehr. Sie hat vor dem Ökonomischen vielmehr kapituliert und sich selbst zur Hure der herrschenden Ideologie gemacht.

In ihren guten Tagen hat sie die Erklärungen geliefert und dargelegt, was Macht ist. Schon Kant lieferte eine brauchbare Blaupause mit einer einzigen Formulierung: Als er nämlich von der „Bedingung der Möglichkeit (der Erkenntnis)“ sprach. Was muss gegeben sein, um bestimmte Möglichkeiten zu verwirklichen? Foucault hat das ergänzt durch seine Diskursanalyse, die akribische Darstellung von Machtverhältnissen und Denkmustern. Er musste dabei weder erklären noch voraussetzen, dass die einen von den anderen abhängen, es ergibt sich einfach durch die Beschreibung des Gegebenen.

Was Wissenschaft wusste

Die Vorstellung, der Wille sei entscheidend für die Wirklichkeit, das Bewusstsein könne das Sein in eine beliebige Form zwingen, ist die Wahnvorstellung einer Zeit, die nicht zufällig in Weltkriege mündete. Nicht zufällig, weil der 'Wille', umgemünzt in den Volkswillen, nur eine bestimmte soziale Basis formt, die mit den Mitteln der Zivilisation die Barbarei organisiert. Der Wille folgt nicht der Vernunft, er formuliert keine Ziele, er marschiert nur, wohin auch immer die Macht ihn führt – niemals umgekehrt.

Daher kann auch kein Wille die Macht verändern. Diese bildet ihre eigenen Strukturen, sie macht das eine möglich und das andere unmöglich; das eine leicht und das andere schwierig.

Die Macht im Kapitalismus hat das Kapital. Es drängt zur Vermehrung. Alle machen mit, weil es für die Mehrheit die Notwendigkeit zum Leben bedeutet und für die Minderheit den Erhalt ihrer Position. Wo soll da ein Wille etwas verändern? Doch wohl nicht bei Bilderbergers und Atlantikern? Zumal, wenn es für die Mächtigen immer schwieriger wird, ihr Kapital noch zu vermehren, wenn sie befürchten müssen(!), dass ihr Imperium zusammenbricht und mit ihm eine globale Ordnung? Für jeden Dollar, der umgesetzt wird, warten weltweit drei Dollar auf Vermehrung. Marx hat beschrieben, dass das so kommen muss – in jeder Form von Kapitalismus.

In die nächste Runde?

Warum soll wer also jetzt diesen Kapitalismus reformieren? Die Minderheit, die davon profitiert und doch bemerkt, dass das Spiel ein Ende hat? Die Mehrheit, die nicht ahnt, wie das Spiel läuft und es nicht versteht? Oder vielleicht eine intellektuelle Minderheit, die es versteht und wissen muss, dass 'Reform' nur bedeutet, dasselbe Spiel noch einmal aufzusetzen, das Elend vielleicht zu verlängern? Und dann? Wird dann jeder, der Profit macht, auf eine Obergrenze festgelegt? Wird das dann täglich streng kontrolliert und sofort bestraft? Wird es einen Staat geben, der so viel Macht hat und sie nicht mehr mit der Wirtschaft teilt? Das wäre genau der Brutal-Pseudosozialismus, von dem die Neoliberalen ihre Albträume ableiten.

Wer nicht will, dass es immer wieder so endet, muss die Struktur der Macht ändern und nicht von einer Kontrolle durch den Willen schwadronieren. Wenn es so weit ist – zweifellos nach einem Zusammenbruch, man weiß nur nicht, dem wievielten – müssen sich die Menschen entscheiden, die Macht des Kapitals nicht mehr zuzulassen. Sonst wird es sie immer wieder immer schneller in die Knie zwingen.

September 2014

 
Nach einem halben Jahr Pause – irgendwer war immer in einem Ausland oder es gab andere Gründe, anderes zu tun – taten wir, was nahe lag: Einen Rückblick auf die letzten Monate. Es wurde ein recht launischer Rant, der gar in einem neuen Untertitel für den Podcast mündete.

Bitte hier entlang!

Viel Spaß!

 
lt

So etwas wie Aufmerksamkeit, Rücksicht oder gar Umsicht ist dem Deutschen nur per Gesetz und Verfügung beizubiegen. Das dürfte auch der Grund sein, warum auf der anderen Seite die vermeintlichen Vertreter meinen, man könne per Gesetz alles regeln und in ihrem neuen Autoritarismus freidrehen.

Einfaches Beispiel: An der Supermarktkasse. Ich kann es nicht leiden, wenn mir Fremde auf die Pelle rücken. Eine Zeitlang haben sie Abstand gehalten, aber nur, weil ihnen sonst wer zu Recht vorgeworfen hätte, die obrigkeitliche Verfügung zu verletzen. Buckeln und treten können sie ja.

Wiederstand!

Wenn einer nun ein Depp ist, kann man von ihm keine Einsicht erwarten und ebenso wenig vernuftgesteuertes Handeln. Daraus folgt logisch, dass er vernünftig begründete Regeln nicht versteht und insbesondere sinnvolle Vorschriften als Unterdrückung und Einschränkung seiner Freiheit erkennt. Freiheit nämlich bedeutet, sich folgenlos dumm und asozial verhalten zu dürfen.

Also rücken sie mir an der Kasse auf die Pelle. Es ist ihnen extrem wichtig, so weit wie möglich vorn zu stehen. Daher muss der Typ hinter mir auch neben meinen Waren herschleichen und mir seinen Rachengammel zuteil werden lassen. Ich muss einen Einkaufswagen nehmen, auch wenn ich nur einen Kaugummi kaufe, um dieses Gewürm auf Abstand zu halten – und selbst dann schaffen es einige Spezialisten, plötzlich neben mir zu stehen. Dann sind sie nämlich schneller dran. m(

Ich fände es übrigens auch angenehm, wenn man zum Beispiel die Flugkilometer pro Person drastisch einschränken würde. Auch und gerade die juristischer Personen, deren Managements 2024 noch immer nicht kapiert haben, dass physische Anwesenheit fast immer verzichtbar ist. Ich sage das nicht, weil ich Umweltschützer wäre oder Leute gern gängele, sondern weil ich wie Millionen andere in einer fucking Einflugschneise wohne.

Geht kacken

Diese dämliche Spezies aber, der es nichts ausmacht, wenn ihresgleichen ob fehlender Dokumente ersäuft, die es für "Hilfe" halten, Hunderttausende von Minen und Granaten zerfetzen zu lassen oder allen anderen alles verbieten lassen wollen, das sie selbst nicht kennen, würde sofort gegen eine Diktatur auf die Barrikaden gehen, die ihnen diese Freiheit® nähme.

Dafür gehen sie nämlich arbeiten, was so viel heißt, wie dass sie sich von morgens bis abends zu Tätigkeiten zwingen lassen, denen für ein paar Wochen zu entkommen wiederum – von ihrem Geld® – die große Freiheit® ist, für die sie leben.

 
lt

Das ausgehende Mittelalter, die aufkommende Neuzeit, brachte in Europa Umwälzungen aller Art mit sich, die wiederum einen religiösen Fanatismus auslösten, der bis heute nachwirkt. Im aktuellen Zeitalter der extremen Mitte wiederholt sich das, reimt es sich zumindest auffällig.

Die Zeit selbst wird beschworen und reiht sich ein in die großen Narrative der Wenden. Bekenntnisse sind gefragt und werden in die Welt gebrüllt, Ketzer markiert und verurteilt, die Restkultur implodiert in einem Kampf gegen das Böse, den Feind.

Putinhuren

Zu den Lumpenpazifisten, Russenfreunden und Feindpropagandisten gesellt sich jüngst laut 'Der Spiegel' und seinem "Satiriker" Schröder ein "Putin-Klatschvieh" hinzu – im Osten, dem man die Demokratie® jetzt aber endlich mit aller Macht einbläuen sollte. Da das keine Menschen sind, empfiehlt sich wohl Notschlachten. Hahahaha, Satire!

Derweil sind sie überall auf der Suche nach Fake News und ihren verbrecherischen Urhebern. Wenn man sich anschaut, was die 17 Verfassungsschutze in Deutschland an Kohle verpulvern, um jede linke Splittergruppe zu beobachten und völlig irrelevante Datenbewegung im Internet zu analysieren [Link geht zum bayrischen Verfassungsschutz], fällt nicht nur der FDP ein, dass da drignend etwas eingespart werden muss im Staatshaushalt.

1618 Reloaded

Selbst angesichts der bevorstehenden Präsidentschaftswahlen in den USA wird nichts als wichtiger betrachtet denn das Credo zur aktuellen Politik der Neocons und ihrer unprovozierten NATO: Ob er denn der Ukraine den Sieg wünsche, wurde Donald Trump gefragt, und eifrig wird er hier denunziert, tue er es doch angeblich nicht.

Nun ist Trump zunächst einfach nicht durch den Reifen gehüpft, den ein Dompteur ihm hingehalten hat, und es ist schlicht falsch zu behaupten, damit sei ein entsprechendes Statement abgegeben. Die Inquisition backt sich folgefalsch aber gar die Behauptung, Trump unterstütze Putin. Ein "Wunsch", jemand möge "siegen", ist so irrelevant wie albern und geostrategisch betrachtet infantiles Geschwätz.

So wie dereinst Vulkanausbrüche, Sturmfluten und Missernten ein Werk des Teufels und seiner Helfershelfer war, gegen die nur Frömmigkeit und inniges Gebet (sowie eifriges Foltern und Hinrichten) halfen, sind es heute mangelnde Führungstreue und falsche Bekenntnisse, die dem alles vernichtenden Dämon in die Hände spielen. Das ist keine Metapher; es ist ja kaum mehr ein Vergleich. Es ist dasselbe in Grün.

 
lt

Es gibt selbstverständlich menschliches Verhalten, das keineswegs durch den Kapitalismus verursacht wird. Viele der unangenehmen Varianten werden freilich in diesem System gefördert. Dazu gehört das Geschleime vieler Claqueure, die sich einen kleinen Vorteil versprechen oder oder sich im vermeintlichen Status anderer sonnen wollen.

Ich habe vor vielen Jahren einen Abend mit einer Gruppe verbracht, der u.a. Uwe Lyko angehörte. Der hatte sich in der recht langen Zeit, die ich mit den Leuten verbracht hatte, zum eigentlich Zweck der Treffen nie eingefunden, erschien dann aber zu einer kleinen Feier.

Meiisteer

Wie sich verschiedene Herren bei dieser Gelegenheit benahmen, war zum schmerzhaftesten Fremdschämen. Er selbst hat nichts dazu beigetragen, beweihräuchert zu werden, sondern sich ganz normal verhalten, er war ja dort unter alten Bekannten – und eben neuen Unbekannten. Die mussten bei jedem Wort, das dem Meister entfleuchte, laut und künstlich lachen, obwohl seine Beiträge weder lustig, noch so gemeint waren.

Es ist mir schleierhaft, was solche Kreaturen antreibt. Zwar gibt es – siehe oben – Ansätze, mit denen man sich das erklären kann, aber dieses Gebaren erfordert ja nicht nur den Impuls, der Prominenz gefallen zu wollen, sondern auch völlige Ignoranz bezüglich des Maßes, in dem man sich dabei zum Brot macht.

Unappetitlich

Nicht nur dürfte es die meisten der so Angesabberten gar nicht positiv beeindrucken – es gibt ja auch die Zeugen solcher Akte, deren Gesichtszügen man eigentlich ansehen müsste, dass sie einen gerade überrollen. Zudem dürfte es wenige Herrchen geben, die einem dafür ein Leckerli zustecken. Häufiger gar wurde mir gewahr, dass der Held seinem Möchtegern-Knappen einen verbalen Tritt gab, um sich den Schnodder von Bein zu halten.

Besonders widerlich sind dabei die Zeitgenossen, deren opportunistische Sekretproduktion jederzeit spontan in bösen Tratsch und Verachtung umschlagen kann. Man kennt solche Charaktere sonst aus Kitschfilmen und zugrundeliegender Literatur. Eigenartig, dass es so wenig Schamgefühl gibt, das einen doch davon abhalten sollte, in solche Rollen zu schlüpfen – selbst wenn man nicht kapiert hat, dass das Leben eben keine Bühne ist.

 
lt

Reingefallen, mal wieder. Fehleingeschätzt, wie alte Männer das so zu tun pflegen. Ihr wisst schon, die Jungs, die immer noch alles taxieren, was nicht bei drei auf dem Baum ist und für die es zwei Definitionen von "alt" gibt: Erstens Frauen, die nicht mindestens zehn Jahre jünger sind und Zweitens können wir ein anderes Mal besprechen. Eigentlich wusste ich das ja und hatte bereits vor Jahren gesagt, das sei das letzte Mal, aber ich bin ja fit. Wer vierstellige Kilometerzahlen pro Jahr und zehn Prozent Steigung zum Frühstück frisst, kann ja wohl ein paar Treppen hoch und runter laufen.

Ich gestehe: Ich habe schon wieder jemandem beim Umzug geholfen. Alles richtig gemacht und wegen ewig Rücken wirklich in jeder Höhe alles fein aus den Beinen gehoben. Ich hatte seit dreißig Jahren, wenn überhaupt jemals, nicht mehr einen solchen Muskelkater. In den Beinen. Ich. Scheiße, ich bin wirklich zu alt für so etwas. Seid so gut und erinnert mich gelegentlich daran.

Alles so schön bunt

Ich frage mich manchmal, ob diese Form der Verblödung unvermeidlich ist und selbst unsereiner am Ende noch eingefangen wird von der Bilderproduktion, die einem ständig vorgaukelt, man müsste und wäre. Jung, dynamisch, bescheuert. Der Kollateralschaden, den schon das frühe Wirtschaftswunder® derbe ausgelebt hat, die Lüge von der ewigen Party, unendlichem Komfort, Lust ohne Reue, weiß und weich zugleich. Das Lenorgewissen strahlt, und Mutti greift zu, weil alles gut ist. Ein Glasreiniger warb vor Jahrzehnten mit dem Spruch "Mit Super Salmiak", um nach der Grünen® Gehirnreinigung mit der Riesenwaschkraft den Slogan "Ohne Salmiak!" der nächsten Generation um die doofen Ohren zu hauen.

Ich bin so frei, Dingscafé ist dabei, ich will so bleiben wie ich bin, da weiß man, was man hat, Blabla muss mit, Tilly spült ihre Hände in Quietschsauber, während Villarriba schon wieder Ex und Hopp sexy mini top hop, aber hallo Herr Kaiser! Der freundliche Tankwart empfiehlt wie immer Egal, Hauptsache den Schwanz versichert – Sicherheit mit Dividende! Noch nicht genug? Dann hört euch doch das Gewäsch der Kapitalsauger von Banken und Versicherungen an, denen offenbar keine Slogans mehr einfallen und die deshalb das wehrlose RTL-Opfer minutenlang vollschwallen. Tenor: Du Bank, du, sag' mir doch mal, warum ich dir ganz dolle vertrauen darf, du, und wie supi du mein Partner bist und dich um mich kümmerst und gäähn …, da lobt man sich am Ende noch die Ficksimulationen der Stinkstofflabore, in denen bis zur Unkenntlichkeit entkleidetes abgemagertes Jungvolk die hervorstehenden Beckenknochen ineinander verhakt, dass es knirscht. Sexy!

So ist das Leben

Wir nehmen das alles hin. Nicht nur das, allen ist bekannt, dass die offizielle Lügenindustrie ganz selbstverständlich die Nachrichtenproduktion finanziert. Kein Verlag, der nicht am Tropf der Werbung hängt. Kein Problem, oder? Tatsächlich haben diese Medien allein deshalb schon den Titel "Lügenpresse" verdient, weil es ihr Job ist: Lügen über Waren zu verbreiten. Lügen, die mit jedem denkbaren Aufwand so gesponnen werden, dass sie wirken, dass niemand merkt, wie alle betrogen werden. Die Zitate da oben kullern mir am Band aus dem Kopf, ich habe hunderte, wenn nicht tausende Slogans verinnerlicht. Ist das kein Schaden? Muss ich das hinnehmen? Ich will jemanden verklagen!

Gegen diesen Clusterfuck ist eine Gemüsezwiebel Kernobst. Lügen finanzieren die gängige Erzählung, die als Wahrheit gehandelt wieder aufgenommen wird. Dabei kommt alles zur Sprache, wird jede Intimsphäre einmal mit dem Bagger durchgewalkt, nur nicht das Eine: Die Notwendigkeit, der die Lügen entspringen, seien sie als "Werbung" oder "redaktioneller Anteil" oder gar nicht mehr deklariert. Im Gegenteil ist es sogar gelungen, nachdem ganz selbstverständlich die politischen Wahrheiten direkt von der Lügenindustrie vorformuliert werden, den Deppen, an die sie adressiert sind, unbemerkt die Eselsmütze aufzusetzen.

Die große Psychose wurde erfolgreich so kalibriert, dass sämtliche Probanden sich nach dem Schleudergang und dem anschließenden All-You-Can-Eat am Halluzinogenbuffet für total souverän halten. "Werbung? Davon lasse ich mich nicht beeinflussen!". Findet mir zwei Menschen, die sich anders einschätzen. Ergo: Werbung findet gar nicht statt, hat keinen Effekt, schadet niemandem. So muss man das sehen. So ist die Welt halt. So dumm sind die Menschen nämlich nicht. Die wissen doch, dass das ein klitzekleines bisschen geflunkert ist, und solange es nicht wehtut, ist es doch okay, oder?

p.s.: Das Ganze gibt's auch in der Kurzversion. Die gefällt mir eigentlich noch besser.

September 2015

 
ss

Seit 1982 schnallen und schnallen wir. Tiedmeyer hat es uns im Auftrag Lambsdorffs befohlen, Schröder und Blair haben es Europas Arbeiterklasse befohlen, es wurde immer und wieder verlangt und aktuell befiehlt uns der Chefversager der Deutschen Bank, "mehr und wieder härter zu arbeiten".

"Wieder" soll hier ganz offenbar suggerieren, 'wir', die Arbeiterklasse, hätten uns zuletzt einen lauen Lenz gemacht, was auch sonst? Nach einzwei Jahren ohne Reallohneinbußen muss der Stiefel wieder hart ins Genick gedrückt werden, denn nach dem Suizidversuch durch Sanktionen gegen Russland, verkommen Lassen der Infrastruktur und Dilettantismus in den Vorständen ist das Blut der Arbeiter die letzte Ressource, die sich noch anbietet.

Bis aufs Blut

Das fließt nicht nur in Strömen in den Kriegen des Wertewestens. Am liebsten wäre ihnen wohl, es würde wieder direkt an der Peitsche kleben – oder was soll "härter arbeiten" eigentlich bedeuten? Das war einmal der Ausdruck für schwere körperliche Arbeit, die durch den Einsatz von Maschinen schon seit Jahrzehnten unnötig ist. Gemeint ist damit: Mehr und noch billiger. Weniger für mehr Arbeit.

Der faschistische Stamokap im Endstadium des Kapitalismus braucht drei Dinge, um die finale Konkursverschleppung auf Kosten der Arbeiterklasse zu organisieren: Ungehemmte Ausbeutung, innere und äußere Aufrüstung bzw. Kriegszustand. Das "Supergrundrecht Sicherheit" wurde bereits vor 12 Jahren ausgerufen; heute fahren deutsche Panzer zur Zeitenwende® nach Russland und die letzte Industrie, die noch boomt, ist die Rüstungsproduktion.

Die Gewehre werden sich aber gegen das eigene Volk wenden, denn wie der Ukrainekrieg zeigt, ist der Wertewesten, zumal dessen Resterampe Europa, gar nicht in der Lage, irgendwen nichtnuklear zu bedrohen. Das wird sich bei aller Hysterie und bösem Willen auch in Jahrzehnten systembedingt nicht ändern.

Verdammte dieser Erde

Was bleibt, ist eine hohle Dystopie als in Politik gekleidete Depression. Keine Aussicht auf irgendetwas Gutes, also muss man sich von Feindbild zu Feindbild hangeln, aufwiegeln, die Menschen aufeinander hetzen. Daueralarm im Spiel des divide et impera ist die letzte Option politischer Versager und devoter Handlanger des Imperialismus.

Die Wut ist längst sichtbar, die Wütenden gehen allerdings leider dem eben genannten Kalkül auf den Leim. Selbstverständlich gilt es inzwischen als freiheitlich-demokratisch, wenn die ganze Mischpoke gegen Ausländer hetzt und auf Menschenrechte pfeift, wenn es um Abschiebungen geht – in die Trümmerwüsten, die man selbst produziert hat. Das Einzige, das dagegen hilft, ist Klassenbewusstsein, und zwar noch um einen wichtigen Schritt weiter als das eines Jeremy Corbyn.

 
ss

Migrationsursache Nummer eins

In meiner ersten Reaktion auf das Wahlergebnis sagte ich gestern u.a.: "Putin hat manipuliert", und prompt liefert heute der Kuhjournalismus: "Sieg für Putin". Zwar ist die Quelle la Repubblica, aber der Tagesschaum ließ es sich nicht nehmen, das mit Freuden zu zitieren. Was der extremen Mitte nicht passt, ist eben Putin. So denkt man halt, wenn man aus dem Mittelalter nicht herauskommt.

Die Verblödung ist vollständig, wenn man an die eigene Propaganda glaubt. Das, was als "KI-Demenz" bezeichnet wird, wenn Large Language Models mit ihren eigenen Auswürfen gefüttert werden, ist dasselbe. Man rotiert um ein Nichts aus hohlen Phrasen. Wo das zum Weltbild wird, ist man in der Chefredaktion herzlich willkommen.

Propagandademenz

Ich wiederhole aus den Kommentaren ein paar Bemerkungen zu den Wahlen: Es ist keine Revolution, es ist Rebellion, und die ist primitiv, mithin politisch tendenziell 'rechts'. Aber die unreflektierte Ablehnung des Bestehenden ist immer noch Ablehnung. Auch wenn sie nicht wissen, dass es der Kapitalismus ist, lehnen sie diesen m.E. ab – wenn auch unbewusst. Konkrete Negation auf diesem fatalen emotionalen Niveau. Aber war es je anders?

Sie benörgeln den Ist-Zustand, und der ist ein Kapitalismus. Die Ideen in ihrem Programm, vertreten durch einen Teil ihrer Funktionäre, so sie durchgesetzt würden, würden keinen ihrer Wähler zufriedener machen. Dass sie nicht wissen, dass sie mit dem Kapitalismus als solchem unzufrieden sind, ändert das nicht.

Man stelle sich vor, die Funktionäre der AfD würden ihre neoliberalen und umfassend diskriminierenden Pläne umsetzen. Wie würde sich das wohl aufs Wahlverhalten auswirken? Das gilt ähnlich für das BSW: Die versprechen, sozialer zu sein, würden mit ihrem Firlefanz aber gar nichts ändern. Sie sind ja eine SPD. Man betrachte nur deren Versprechungen, deren Handeln und das Resultat bei den Wahlen.

Verbrennt die Hexe!

Wer mit den Zuständen im Endstadium des Kapitalismus unzufrieden ist, ist eben mit diesem unzufrieden. Weil sie es aber nicht verstehen, rebellieren die Wähler auf unterschiedliche Weise. Sie wenden sich intellektuell nicht explizit und konkret gegen das System, sondern gegen ihre Lage, ihr Gefühl und vermeintlich Schuldige.

Das wäre mein Alternativangebot zu den Modellen "Putin ist schuld", "alles Nazis", "Hassbotschaften härter betrafen" und "die Ukraine muss gewinnen". Mithin das eines Putinverstehers, der so linksextrem ist, dass er als Nazi auf der anderen Seite wieder herauskommt. Ich plädiere für eine Internetsperre.

 
ss

Qualitätsjournalismus ist Kopfsache.

Ich gebe bekanntlich nicht allzu viel auf Umfragen, nicht zuletzt, weil diejenigen, die sie noch beantworten, durch ihre Willigkeit bereits einen Filter bilden, der das Weltbild der extremen Mitte, um das es in der Regel geht, schon dadurch bestätigt. Radikale Kritik oder Abwendung vom politischen und medialen Theater wird dadurch schwer messbar.

Umso lauter schlägt eine Granate ein, die der gemeine deutsche Medienkonsument seinen Lieferanten ins Dach geschossen hat. Ich gehe davon aus, dass der Trend sich fortsetzen und verstetigen wird, denn die Einzigen, die den Sturzflug einer schon lange erbarmungswürdigen Qualität nicht bemerken, sind diejenigen, die dafür verantwortlich zeichnen. Die Reaktion der Staatsfunker auf die Nachricht fällt erwartungsgemäß danach aus:

Der Makel der Anderen

"ARD-Chefredakteur Oliver Köhr findet die Zahlen erschreckend – auch wenn er betont, dass deutsche Medien als Ganzes beurteilt wurden, nicht allein der öffentlich-rechtliche Rundfunk. "Insgesamt ist es aber tatsächlich beängstigend, dass so viele Menschen kein Vertrauen in die Berichterstattung haben."

Ich habe das in den Kommentaren bereits wie folgt gewürdigt:

Speichel-Chefredakteur Markus Mumps findet die Zahlen erschreckend – auch wenn er betont, dass deutsche Medien als Ganzes beurteilt wurden, nicht allein der Speichel.
FAX-Chefredakteur Michi Masern findet die Zahlen erschreckend – auch wenn er betont, dass deutsche Medien als Ganzes beurteilt wurden, nicht allein die FAX.

Die Bewohner der Blase können gar nicht mehr erkennen, wo das Problem liegt, denn sie verkörpern es. Ihr Glaube, ihr Lebensstil, ihre vermeintlichen Werte, ihre Umgangsformen, ihre Statussymbole, ihre auf einen Schlitz verengte politische Perspektive, die Anpassungsstrategien an ihre Peergroup, das alles ist unsichtbar für sie, gerade weil es den Inhalt ihrer Produkte ausmacht. Sie verwechseln die Welt mit ihrem Weltbild, weil sie keine Prozeduren mehr haben, die den Unterschied offenlegen.

Die Selbstkontraktion ist schon mindestens in der zweiten Generation in ihre Bildungssysteme übergegangen; die Filter bestehen noch viel länger, sodass es keine objektiven Kriterien für Kompetenz mehr gibt, sondern stets und immer nur die reaktionäre Bestätigung des Status Quo, ideologischer Beton.

Krise? Welche Krise?

Deshalb folgt der komplette Betrieb einer routinierten und gut geölten Meinungsproduktion – wohlgemerkt innerhalb der Blase der Medienproduzenten. So ist es auch zu erklären, dass die durchaus vorliegenden Informationen wie Strategien aus Think Tanks, nicht-westliche Medien oder schlicht die allerjüngste Geschichte im Nu so feingefiltert werden, dass die absurdesten Konstrukte als einzig wahre Wahrheit Verbreitung finden und sich offenbar niemand mehr findet, der etwa die merkwürdige Übereinstimmung mit den Verlautbarungen des Weißen Hauses zur Kenntnis nimmt.

Im Gegenteil werden ausgerechnet Abweichler, die jene Diskursverengung und Einseitigkeit kritisieren oder Kriterien heranziehen, die in den Filtern der extremen Mitte hängen bleiben., reflexhaft als Verschwörungstheoretiker markiert – nicht wegen der Qualität ihrer Äußerungen, sondern wegen abweichender Wertungen.

Daraus ergibt sich die Erkenntnis, dass da absolut nichts mehr zu retten ist. Das muss bis auf die Grundmauern abbrennen und von der nächsten Flut davongeschwemmt werden. Tröstlich, dass sie sich konsequent selbst einmauern und das Gros ihres orthodoxen Gemurmels hinter Paywalls sperren. Auch, wenn ich dann nie erfahren werde, warum ein Orgasmus Kopfsache ist. Na immerhin der.

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