März 2024


 
xx

Der Chefredakteur rückt ins Meeting vor, reckt die Faust und bellt: "Ave Relotius!" Vielstimmig erfolgt das Echo. Chef fährt fort: "Wir wollen, dass der Leser sich gut fühlt. Wir wollen, dass der Leser sich bestätigt fühlt. Wir wollen, dass der Leser weiß, was ihn erwartet und dass seine Erwartung nicht enttäuscht wird." Vielstimmige Antwort: "Yes, Chef!"

Jemand sagte mir neulich, es gebe Dinge, die er nicht vergisst. Ach was. Trotz unseres vorgerückten Alters? Nein, er hat ja Recht. Auch konkret. Was Sascha Lobo uns ins Gesicht gespuckt hat, bleibt unvergessen. Hier kommt tonnenschwer zum Tragen, dass die Hetzer, die Offiziellen, die Mittelschichtsmischpoke, die Extremisten des inneren Zentrums, keine Kriterien für gar nichts haben.

Hätten sie solche, müssten sie sich vor Scham in den Staub werfen, oder wie kann das Wort vom Lumpenpazifisten etwas anderes sein als Hass, Hetze und die unterste Schublade aggressiver Kriegspropaganda? Hängt irgendwo in der Nähe der Relotius, Verzeihung, Ericusspitze noch ein Spiegel? Werden dort die Straßen bei Regen mit dem Handtuch getrocknet, damit sie ihre Gesichter nicht mehr sehen müssen?

Unvergessen

Und was ist eigentlich legal und legitim im Umgang mit solchen Typen? Darf man sie "blöde Wichser" nennen oder ist die darin implizierte, eher harmlose Unterstellung schlimmer? Ist es hilfreich sie aufzufordern, gefälligst an die Front zu gehen und sich in Stücke schießen zu lassen, immer und immer wieder darauf aufmerksam zu machen, dass die Hetzer selbst nie zum Sterben losgeschickt werden?

Wäre es nicht wenigstens als erzieherische Maßnahme richtig und angemessen, zumal das auch psychohygienisch guttäte, ihnen mit einem trockenen Schlag in die Visage ein Jota der Schmerzen zuzufügen, die die verstümmelten Erfolge ihrer Kommunikationsbeiträge an der Front erleiden? Das sind keineswegs nur rhetorische Fragen. Es geht um die Werteorientierung.

Während dergleichen also aus allen Rohren journalistischer Schaumkanonen geballert wird und ihre Artilleristen noch das ganze Verrecken und Elend leugnen, das damit verbunden ist, ist ihre Kamarilla auf der Jagd nach Hassbotschaftern im Internet. Damit ist nicht etwa jemand wie der Nazi Melnyk gemeint, dem der Bundestag stehend applaudierte. Damit sind wohl eher Beiträge wie dieser hier gemeint. Etwas stimmt nicht in diesem Land.

 
xx

Todd und Geufel sitzen nicht wie jeden Freitag am Ufer des Flusses und schauen Leichen beim Vorbeitreiben zu, weil sie immer noch tun, was Höhere Enten tun, wenn sie es tun. Während ihrer Pause werden sie durch Ihre Entenschaften Beelze und Hades vertreten.

Hady, ich bin schon wieder müde. Ich glaub, ich brauch ne Pause.

Bist du bekloppt? Weißt du, welch fatale, nachgerade endzeitgültige Konsequenzen das haben kann?

Wie jetzt? Wenn man ne Pause macht, weil man müde ist?

Psst, genau!

Keine Ahnung? Geht die Welt unter? Kommen dann vier Wesen mit sechs Flügeln und sie sind rundum und innen voller Augen, und sie haben keine Ruhe Tag und Nacht?

Schlimmer. Viel schlimmer!

Was jetzt? Schlimmer als die Pilzpfanne des Johannes? Was soll das sein? LSD
intravenös?

Dir musst doch klar sein, dass, wenn eine Pause als Reaktion auf Müdigkeit zulässig wäre, folgerichtig auch eine Kriegspause als Reaktion auf Kriegsmüdigkeit Akzeptanz fände.

Ach daher fliegt der Stier. "Lasst uns Brücken sprengen!" Echt jetzt?

Ich hab nur Spaß gemacht.

Ha! Du brauchst eine Spaßpause, mein Lieber.

Okay, dann mach ich auch ne Pause. Ich mache einfach mal nix.

Wie soll das denn gehen?

So.

Nee, das ist keine Pause. Du machst ja was.

Was mach ich denn?

Du redest.

Boah, bist du gemein. Und was machst du dann wohl? Du redest auch.

Na und? Ich hab ja auch nicht gesagt, ich mache nix.

Du hast gesagt, du machst ne Pause.

Hab ich nicht.

Hast du wohl, lies es doch, das steht doch da oben.

Da steht: "ich brauch ne Pause", du Analphabet, obendrein eingebunden in mein Recht auf Glaubensfreiheit.

Glaubensfreiheit, am Arsch die Räuber. Seit wann glaubst du was – außer das du ne Pause braucht jetzt?

Glaubensfreiheit. Wie in Glaubensfreiheit. Also frei von Glauben. Capisce?

Boah, bist du gemein.

Alter, das steht schon in meiner Geburtsurkunde. Du kannst aber auch die Nummer auf meinem prachtvollen Gefieder anrufen und dich da beschweren.

Das kann doch kein Mensch lesen. Dazu müsste man ja um dich rumschwimmen.

Mannmannmann. 1010011010.

Kenn ich. Da gibt’s die Pilzpfanne.

Richtig. Es gibt aber auch Lammkotelett.

Klar. Mit sieben Hörnern und sieben Augen. Guten Appetit!

Wieso verschwende ich meine Pause eigentlich mit einem blöden Armageddon?

Kommt gerade nichts anderes im Fernsehen.

Ach so. Machen die eigentlich keine Sendepause mehr?

Schon Jahre nicht mehr. Was man nachts nicht kassiert, fehlt am Tag schon auf dem Konto, sagt das Rundfunkrad.

Boah, ist das langweilig. Ich werde dieses Armageddon einfach verschlafen.

Gute Idee. Ich mache auch mal die Augen zu. Schlaf schön, Beelzken.

Nacht Matthes!

 
xx

Für modernste Kommunikationstechnik unerlässlich: T-Stück mit Abschlusswiderstand.

Ein gelungenes Wahrheitsdesign braucht immer eine gute Grenzsicherung. Diese bestellt man am besten durch ein Absolutes, von dem aus alles andere auch im ärgsten Zweifelsfall gut und eben wahr ist. Dafür hat die Zeitenwende das Putin als Familienallgemeinbenutzer entdeckt.

Jüngst haben die besten der besten der besten Bundeswehroffiziere ihr unerschütterliches Deutschtum unter Beweis gestellt, indem sie ihre völlige Inkompetenz in puncto digitaler Kommunikation zelebrierten. Einfach mal drauflos quatschen, Brainstorming am offenen Hörer; Verschlüsselung ist was für Muschis und Verbrecher. Thema: Wie machen wir die Krimbrücke mit unserem fliegenden Prengel kaputt, wenn man uns lässt?

Prompt geht der Russe, Verzeihung, Putin daher und petzt. Nicht nur, dass er mithört, was ja schlimm genug wäre und sich unter guten Feinden nicht gehört. Nein, er trollt das auch noch in die Öffentlichkeit, die zentrale Frage der Landser ohne Verzug gegen sie wendend: "Wie stehen wir dann da?" Mit nichts an außer dem Tarnhemd und dem Aufnahmegerät!

Das Putin ist immer und überall

Fragen stellten sich sofort: Leugnen, das Ganze als Deep Fake darstellen, Russen-KI, Chatmitschnitt-GPT? Nach kurzem Liebäugeln erschien das aber noch untauglicher als Hofreiter und Kramp-Zimmerflak zusammen. Das war nicht mal mehr zu vertuschen. Aus. Das Spiel ist aus!

Aber nicht doch, springt der Wahrheitsdesigner ein, mit wehendem Cape vor unseren Füßen landend: Wir haben doch das Putin. Dem nämlich spielt das nur in die Hände, womit gesagt ist: Es ist schuld, war wieder böse und gehört angeklagt. Wehrlose deutsche Friedenssoldaten öffentlich bloßgestellt, der Lump! Fall abgeschlossen, gehen Sie weiter, es gibt nichts zu sehen.

Nicht weiter wird diskutiert, was die ukrainischen Friedensbanderisten mit Waffen höherer Reichweite tun, dass sie bei einer nicht eben tiefen Front unnütz sind, was sie 10 Jahre lang aus Avdeevka mit Donezk gemacht haben und was sie, seit sie kaum mehr Waffen und Munition haben, mit dem Rest davon in Belgorod veranstalten. Das würde die Bevölkerung deutscher Mittelschichtsstuhlkreise nämlich nur verunsichern.

 
xx

Die Atomisierung der Gesellschaft birgt nicht nur Risse im Konzept; sie ist das Endstadium des totalen Kapitalismus, dessen Widersprüche in eine tödliche letzte Runde gehen. Während erfolgreich beinahe alle Formen von Kollektiven verteufelt und Individualität vergöttert wurden, zeigt sich aktuell, wie verzichtbar Individuen am Ende doch sind.

Wie immer, wenn die nackte Gewalt regiert, wird der Einzelne zum Exemplar. Er wird, wenn überhaupt, mit anderen in Zahlen zusammengefasst. 100.000 Tote und Verletzte oder mehr? Das ist so in der Freiheit. Ab und an wird einer ans Licht gezerrt und als Held markiert. Dass selbst die Helden nur Verbrauchsmaterial sind, weiß der Propagandist und wirft die Schaumkanone an.

Der Widerspruch könnte nicht krasser sein als er in den Zwangsrekrutierten des Westens in Erscheinung tritt. Zum Sterben an die Front gezerrt, um für Freiheit und Demokratie einzustehen – wie soll das gehen? Derweil wird der Widerspruch gegen Krieg und Aufrüstung kriminalisiert. Die Orwellsche Wende kam auch gar zu schnell: Gestern noch nie wieder Krieg, heute Krieg ist Frieden. Der Syllogismus drängt sich auf: Nie wieder Frieden!

Himmelfahrt

Das ist nicht zu kitten, die neue Ideologie wäre nur mit Gewalt durchsetzbar. Hatten wir alles schon: Für Volk und Vaterland, mit Gott und dem Führer. Das kannst du aber mit einem atomisierten Volk nicht machen, zumal – was die vermeintlich herrschenden Funktionsmöbel in ihrer Echokammer weder hören noch sehen – das Gros der Bevölkerung nicht in ihr Weltbild integrierbar ist.

Die Konsequenz wäre nicht minder fatal: Lässt der Kapitalismus die letzte Maske fallen und zwingt die Menschen in Kollektive unter die Befehlsgewalt der Junker, lässt er jedes Versprechen einer individuellen Freiheit fahren und öffnet obendrein die Perspektive dafür, dass Menschen aufeinander angewiesen sind und das Kollektiv die eigentlich organische Einheit ist.

Sie würden also erfahren, dass das Kapital sie nur benutzt, dass ihre vermeintlich individuelle Freiheit nicht existiert und dass sie Teil von Kollektiven sind, mit sehr allgemeinen menschlichen Interessen, die das Kapital kein Stück interessiert. Ausgerechnet der Endkrieg um Profite und die damit einhergehende Militarisierung erzeugen eine vorrevolutionäre Situation. Wahrlich interessante Zeiten.

« Vorherige Seite