kapital


 
xx

Nur, weil man weiß, dass alle realisierbaren Maßnahmen nicht fruchten, ist das kein Grund, das Elend nicht mehr zu beschreiben. Gerade in den Hochzeiten dieses Blogs (und der Bloggerei generell) war hier quasi täglich die Enteignung der Arbeiterklasse Thema, damals allerdings noch begleitet von Vorschlägen wie "100% Erbschaftssteuer" oder anderen Ideen, die innerhalb des Systems ansetzten und dabei schon deutlich aufzeigten, wie realistisch das ist.

Nun, die Enteignung geht weiter. Nicht nur ist ja Lohnarbeit als solche immer damit verbunden, dass die Früchte der Arbeit vieler ins Eigentum weniger übergehen. Selbst sozialdemokratische Ansätze, die das prima finden, müssen erkennen, dass die Ausbeutung (systembedingt) immer schlimmer wird. Je effektiver Menschen nämlich arbeiten – man nennt das auch "Produktivität" – desto übler werden sie ausgebeutet.

Die Reallöhne sind seit Jahrzehnten nicht gestiegen, was zunächst einmal bedeutet, dass die Teuerung die Lohnerhöhungen mehr als wettmacht. Die Arbeiterklasse verarmt. Das ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass die Steigerung der Produktivität komplett dem Eigentum der Profiteure zukommt.

Ausgequetscht

Und dies, wohlgemerkt, in Zeiten, da hier mithilfe billiger Energie gewaltige Exportgewinne erzielt wurden, die wiederum Basis der Party waren. Was in den aktuellen Zeiten der Rezession folgen wird, sehen wir ja allmählich. Das übrigens bedeutet exakt "Zeitenwende": im Interesse des Imperiums und maßloser Aufrüstung in eine lang anhaltende Rezession zu gehen.

Der Traum vom Häuschen? Passé. Nur, wer schon welche hat, kann sich noch mehr davon leisten. Mieten? Steigen ohne jede Rücksicht auf Verluste. Energiekosten? Es wird feucht und kalt werden. Lebensmittel? Nur noch das Billigste. Renten? Wovon träumst du nachts, Genosse?

Die Arbeiterklasse, zumal diejenigen, deren Arbeit wirklich unabdingbar ist, wird, Verzeihung, mit dem Laternenpfahl von vorn und hinten gefickt. Wir können nicht mehr. Aber aus dem letztlich physischen Kollaps der Arbeiter zieht die Gesellschaft aka Märchenmedien noch immer den Schluss, dass wir weich und faul sind. Was braucht es eigentlich noch für die verdammte Revolution?

p.s.: Dasselbe in reddit, hier.

 
xx

Computer sind Rechenmaschinen. Was immer die Software, die auf ihnen läuft, annimmt und ausgibt, es wird alles irgendwann in Binärzahlen übersetzt und zurückübersetzt. Der Kniff besteht darin, die elektrischen Werte 'an' und 'aus' über Binärwerte zu bedienen. Aus Binärwerten lassen sich wiederum Dezimalwerte abbilden (Ziffern 0 bis 9) oder auch Hexadezimalwerte (0-9 und A-F), mithilfe derer man weitere Zeichen darstellen kann.

Was auch immer man damit macht, die Werte sind am Ende exakt; sie sind definiert. Es ist nur dieser Wert und kein anderer. Selbst, wo gerundet wird, geschieht dies nach unumstößlichen Regeln. Alles hat eine bestimmte Adresse, an der es gespeichert wird und wieder aufgerufen werden kann. Das unterscheidet Computer deutlich von menschlichem Denken, was wiederum für jedermann spontan erkennbar ist. Der Computer 'denkt' anders als ich und kommuniziert auch anders.

Lass fünf gerade sein

Mit Machine Learning oder neuronalen Netzen ist es nunmehr gelungen, die Illusion zu erschaffen, Maschinen könnten denken wie Menschen. Es wurde eine gewisse Ungenauigkeit erzeugt und ein System aus Eingaben und Ausgaben geschaffen, die menschlicher Kommunikation sehr ähneln.

Mithin ist es gelungen, unter Aufbietung höchster technischer Fertigkeiten und einem irrsinnigen Ressourcenaufwand die Illusion der menschlichen Dimension Ähnlichkeit zu kreieren. Diese birgt gleichzeitig eine eklatante Denkschwäche und ist weder mit Logik noch mit Mathematik verbunden.

Genau wie wir

Die Maschine wurde erfolgreich verblödet, und der Mensch erkennt: "Hey, die denkt ja wie ich!" Zu all den Grundirrtümern, die den Umgang mit dieser Technik prägen, gehört obendrein die Unfähigkeit, zwischen der Effizienz klassischer Computertechnik und den Auswürfen dieses Spielzeugs zu unterscheiden. Ernsthaft glauben Anwender, sie erführen durch dieses eine Art Wahrheit. Schlimmstenfalls glauben sie gar, das Ding hätte eine Persönlichkeit.

Nun, der Entwurf „Gott“ war ja auch recht unterkomplex. Am Ende aber, darauf kann man sich in der realen Maschinenwelt verlassen, werden Mensch und Technik wie immer dem Gesetz der großen Übermaschine folgen: Du musst aus Geld mehr Geld machen.

 
xx

Abb.:Chachipity bei Urhebers // Original ©Raimond Spekking/CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

Ein Krieg der bizarren Art, wie ihn nur der Kapitalismus in seiner absurden Anbetung des Eigentums auslösen kann, ist im Gange. Während ausgerechnet einer der größten Profiteure das Gruselmärchen erzählt, eine Menschheit sei in Gefahr, wenn seine Konkurrenz weiter Daten sammelt, ist längst erkennbar, dass auch bei Chachipity oder Stable Diffusion die Gesetze des Kapitals den Gang der Dinge bestimmen.

Allerdings trifft die Kapitalisierung der Bots auf einen Widerstand, der einen erbitterten Kampf auf Leben und Tod nach sich zieht: Da die Dinger mit Massen von Daten gefüttert werden, deren Herkunft am Ende nicht erkennbar und vor allen nicht ausgewiesen ist, ist ein Urheberrecht im Angesicht des Treibens solcher Maschinen nicht mehr haltbar.

Kriegsrecht

Ganz im Kriegsmodus reagiert folgerichtig die eine Seite, wenn die andere – in dem Fall ganz harmlos – ihre Rechte geltend macht. Im Ernst droht ein Dealer sogenannter "KI-Trainingssätze" einem Urheber mit Schadensersatzansprüchen, weil dieser ihm den Gebrauch von ihm erstellter Werke untersagen will.

Wohlgemerkt: Der Urheber, so die Ansicht der KI-Coaches, schädigt die Gegenseite durch Einfordern seiner Rechte. Hier wird ein juristischer Mob losgelassen, den man sonst nur von der anderen Seite kennt, und es wird noch deutlicher als ohnehin schon, dass vom Zivilerecht nur mehr rauchende Trümmer bleiben, wo immer abstraktere Eigentumsansprüche für Profite sorgen sollen.

Alles ist Produktionsmittel. Alles gehört Eigentümern. Jeder Anspruch, der sich irgendwie aus anderen Ansprüchen von Eigentümern ableiten lässt, wird eingefordert. Den Eigentümern gehört etwas, weil ihnen etwas gehört, zu dem etwas angeblich gehört. Schon beim Urheberrecht geht es ja fast nie um Urheber, sondern um Rechteinhaber, die es von anderen Rechteinhabern erworben haben.

Keine Gefangenen

Jetzt gibt es also gigantische Bagger, die ohne Rücksicht auf diesen Schwachsinn einen neuen erschaffen, und jedes geschriebene oder gesprochene Wort zu einem Teil der Blablamaschine machen, jedes Pixel eines Bildes zu einem Element neuer Produkte, deren Benutzung dann eben Mietzins erfordert. Und – siehe oben – schon die unangemessene Ansprache an Ihre Majestät wird juristisch untergepflügt.

Die Gegenoffensive der Urheber kann nur eine Frage von Tagen sein, es werden keine Gefangenen gemacht. Wer immer schon mal wissen wollte, was es bedeutet, dass der Bürgerliche Staat mit seinem Rechtswesen die vornehmliche Aufgabe hat, Eigentum zu schützen: voilà!

 
xx

Selbstverständlich ist die Überschrift hier ironisch zu verstehen. Hier. Woanders nämlich keinesfalls. Das Lexikon der INSM etwa klärt uns auf:

"Eine unabdingbare Voraussetzung der Freiheit ist das Vorhandensein von persönlichem Eigentum." Der Übergang zum Produktionseigentum ist fließend, aus der Freiheit entstehen automatisch Kapitalismus und Wohlstand®:
"Dank der Umsetzung des Prinzips der Freiheit im ökonomischen Bereich (Wettbewerb) hat sich der Wohlstand der Menschen in vielen Ländern der Erde ständig erhöht."

Kein Recht ohne Eigentum

Dementsprechend kämpft die Arbeitgebervereinigung Gesamtmetall, Eigentümerin der INSM, auch für unsere Freiheit und Demokratie®, denn die wiederum bedeutet, dass das Kapital gefragt wird, ehe Parlamente Gesetze verabschieden.

So viel zum Selbstverständnis der ganz Anderen. Deren Haltung hat sich über die Jahre dahingehend verfestigt, dass wer hat, nicht nur hat, sondern auch keine Vertragspartner mehr kennt – diese sind nur mehr eine Art Frucht, der man den Saft ausquetscht, bis nichts mehr drin ist, und die man dann auf die Straße wirft.

Viele, auch ich selbst, machen derzeit die Erfahrung, dass die Freien, die in dritter Generation schwer geerbt haben oder auch sogenannte 'Wohnungsgesellschaften', die Mieten erhöhen. Das sei ihr Recht, meinen sie, weil es im Gesetz steht. Ob die Mieter sich das Wohnen dann noch leisten können, ist irrelevant, denn das ist ja nur ihr Recht, solange sie zahlen.

Freiheit muss sich lohnen

Nein, ihr Parasiten, solche Mieterhöhungen sind nicht euer fucking Recht. Das Gesetz legt Grenzen fest, deren Überschreitung Unrecht ist. Der Umkehrschluss ist zwar juristisch zulässig, macht aber diejenigen, die ihre Vertragspartner damit ausbluten, zu Abschaum. Blöd seid ihr obendrein, weil ihr damit am Ende Verlust macht. Leerstand bringt nichts ein, und auch Obdachlosigkeit kostet. Sogar euch.

Aber so ist sie, die schöne neue Welt der Freien. Mein Geld. Mein Recht. Keine Gefangenen. Und das nennen sie dann auch noch Soziale Marktwirtschaft®. Es gibt zu wenig Ehrlichkeit in dieser Gesellschaft, denn sonst gäbe es diese postmoderne Form der Leibeigenschaft wenigstens offiziell.

Jeder hat das Recht, das er sich leisten kann. Wer nichts hat, gehört den Eigentümern. Nur die Sklaverei bleibt selbstverständlich abgeschafft, denn die wäre ja mit Kost und Logis verbunden. Das erwirtschaften die Sklaven doch gar nicht mehr. Dafür investieren wir nicht.

 
ds

Selbstoptimierung ist das neue Credo. Ständig lesen wir in den Mittelschichtsmedien sehr ernst gemeinte positive Artikel über gute Ernährung, guten Lebenswandel, guten Sport, gute Entspannungstechniken, guten Konsum. Wer dabei nicht mitmacht, ist nicht bloß out, sondern auch – so dröhnt es durch den Subtext – schuld.

Niemand spricht dort jemals aus, dass man sich hier für die Ausbeutung zurichten soll. Niemand scheint das auch nur denken zu können. Das wiederum widerspricht fundamental meiner persönlichen Erfahrung – die sich in erster Linie aus Gesprächen mit nicht mehr gar so jungen Menschen speist. Wenn ich diesen Umstand anspreche, erfahre ich erstaunlich oft Zustimmung.

Jung, hart, opferbereit

Da feiert sich also eine (vermeintliche) Jugend in ihrer Großartigkeit; Rock'n Roll heißt für sie: Wir verbrennen uns fürs Kapital. Wir sind fit, wir sind stark, wir sind bereit. Nehmt uns hart ran, wir stehen drauf! Dabei merken sie das noch nicht einmal. Ein zwei Jahrzehnte später sind sie dann kaputt und kommen nicht mehr mit.

Wer von ihnen bis dahin dick oder süchtig ist, wird vom Nachwuchs der Selbstoptimierer souverän als Opfer seiner Unzulänglichkeit markiert. Selber schuld, was sonst. Es ist ja jeder eigenverantwortlich. Zucker? Fett? Alkohol? Jeder weiß doch, wie schädlich das ist, und wer sich gehen lässt, zahlt halt den Preis für seine liederliche Lebensführung.

Burnout or Fadeaway

Burnout und andere psychische Malaisen werden hingenommen wie ein Naturereignis, nur dass auch hier wieder stier auf die individuelle Geschichte geglotzt wird. Hat den Mund zu voll genommen, hätte ja mal auf die anderen hören sollen, hat es übertrieben, sich überschätzt, war unbescheiden. Und waren da nicht sogar Drogen im Spiel?

Wie viele Artikel haben wir gelesen über die Tricks und Kniffe, sich zu disziplinieren und unter schwierigsten Bedingungen arbeitsfähig zu bleiben? Und wie viele gab es über Ausbeutung, Krankheit und frühem Tod? Woran mag das jetzt liegen? Dass es die nicht gibt? Dass das niemand merkt? Und wieso streiken eigentlich plötzlich alle? Wer hetzt die Leute zu solcher Gier auf?

 
ds

Who done it? And who cares?

Jemand hat Angst vor der Zerstörung der Realität. Das erinnert mich an Zeiten, aus denen die Religiotie stammt, in denen Menschen nämlich ganz allgemein dachten, mit Worten könne man die Wirklichkeit ändern. Bis heute gibt es das, sogenanntes "Beten", was auch nur eine Ausdrucksform Magischen Denkens ist.

Ihr wundert euch, dass Bilder Gucken nicht ausreicht? Lesekompetenz wird überbewertet? Zusammenhänge sind nicht wichtig, nur das Ergebnis muss mir in den Kram passen? Willkommen in der besten aller Welten! Das ist genau die Zielgruppe aller kapitalistischen Verblödung, deren Hirne jetzt durch ChatGPT und ähnliche ’KI’ in die wohlige Paranoia abgeführt werden.

Die große Maschine

Was aber passiert da wirklich? Wie bereits im ersten Beitrag zur Serie "KI und Kapitalismus" dargelegt, gibt es die große Maschine längst, die alle Menschen versklavt. Diese Maschine hat längst eine Aufmerksamkeitsökonomie entwickelt, die den Menschen so ans System anpasst, dass er in der sog. Freizeit ebenso zum reinen Funktionsträger wird wie in der Arbeitswelt, mithin total.

Nennen wir das, was KI also neuerdings angeblich so raffiniert produziert, "Kultur", in Form von Texten und Bildern. Die meisten Menschen werden in den meisten Fällen nicht unterscheiden können, was menschlichen und was maschinellen Ursprungs ist. Wie auch? Dazu gehörte ja ein Prozess von Wahrnehmung und Verarbeitung, der Zusammenhänge kennt und erkennt und aktiv Inhalte aufnimmt.

Alles so schön bunt hier

Dazu gehört in der Bildbetrachtung wie beim Lesen zuallererst ein grundlegender allgegenwärtiger Zweifel. Ist diese Information gültig? Ist sie wahr, korrekt dargestellt, berücksichtigt sie den gegebenen Zusammenhang, passt sie in den aktuellen Stand der Erkenntnisse? Diese Rezeption erfordert Kompetenz. Menschen hassen Kompetenz. Sie ist anstrengend und zeitraubend. Für so etwas hat jeder seine Netze von Experten, denen er glaubt. Seine Pfarrer quasi.

Wenn die ihrerseits keine Qualität abliefern, die sich von Texten abhebt, deren Produktion jeglicher Prüfung auf Logik, Zusammenhang und Plausibilität entbehrt, ist das der Erfolg einer Kultur, die sich ganz ohne das Zutun von 'KI' gebildet hat. Es ist am Ende egal, ob sich die Energiesparer unter den Hirnnutzern von Menschen oder Maschinen Märchen erzählen lassen. Degeneriert hat sie der Kapitalismus.

 
ds

Wem gehören die Früchte der Arbeit? Wenn man es für den Kapitalismus auf allen Ebenen und recht exakt haben will, muss man Marx lesen. Ich bin allerdings der Ansicht, dass der Begriff des Mehrwerts ein sehr sperriges Vehikel wurde, eben weil er in der Politischen Ökonomie eine zentrale Rolle spielt. Hier will ich vereinfachen:

Lohnabhängige werden unter einer Bedingung eingestellt: Sie müssen mehr erwirtschaften, als sie kosten. Das heißt, dass das Produkt abzüglich aller Kosten – Material, Energie, Lager etc. und eben Arbeit – einen Preis erzielen muss, der deutlich über Null liegt. Nur so wird Profit erwirtschaftet. Selbstverständlich eben, dass der Lohn, den die Arbeiter erhalten, deutlich unter der Wertsteigerung liegt, die sie erarbeiten.

Wem gehört meine Arbeit?

Dieser – ich nenne das so, obwohl es da oben rüde vereinfacht ist – Mehrwert – gehört den Eigentümern. Der Unterschied zum Staatssozialismus besteht darin, dass dort der Mehrwert dem Staat gehört. Interessanterweise gehört er in beiden Fällen nicht dem Betrieb und schon gar nicht der Belegschaft.

Dass im Kapitalismus alles den Eigentümern gehört – was Privateigentum abwirft, gehört eben den Privateigentümern – ist ein Problem, das nicht nur in der Anhäufung von Reichtum bei gleichzeitig häufiger Verarmung der Lohnabhängigen besteht. Vielmehr ist es nicht nur ein Problem der Verteilung, sondern auch der Stabilität. Betriebe können so nicht wirtschaften, weil ihnen ständig ihr Kapital abgezogen wird.

An dieser Stelle tritt nun eine Sozialdemokratie und ihre Organisationsform – die Gewerkschaft – auf den Plan, die das völlig ignoriert oder gar übertüncht, indem sie nämlich Betriebe so behandelt, als seien sie unabhängige Einheiten und eben nicht die Blutspender für das vampiristische Kapital. Das wird immer dann besonders deutlich, wenn sie um Lohnsenkungen betteln, um Betriebe zu 'retten'.

Solidarität mit dem Kapital

Es ist nämlich eben so, dass Krisen, bei schlechten Umsätzen oder Profiten, die Betriebe mit voller Wucht treffen, während in guten Zeiten kein Grund besteht, Rücklagen für den Betrieb zu bilden. Der Profit ist ja in besten Händen, nämlich bei den Eigentümern, die es dort 'investieren', wo sie den besten Profit erwarten. Im Zweifelsfall auch gar nicht, dann wird es halt geparkt. Es ist aber für den Betrieb verloren, so oder so.

Und weil Sozialdemokraten das nicht kapieren, sondern dafür sorgen, dass ja kein Zweifel aufkommt an der Alternativlosigkeit des Privateigentums, dass also der Mehrwert dem Privateigentümer zukommen muss, steht die Sozialdemokratie im Klassenkampf immer auf Seiten des Kapitals. In einem nicht kapitalistischen System hätte sie ja auch gar keine Funktion.

 
ds

Wollen wir leben oder profitieren? Alle relevanten Probleme, von der Erderwärmung bis hin zu regionalen Krisen, sind unlösbar, weil sie dem Vorrang des Profits zum Opfer fallen. In diesem Blog gibt es daher die Kategorie "Kollateralschaden", die Hinweise gibt auf 'Nebenwirkungen', die selbstverständlich hingenommen werden, weil man sich keine Alternative vorstellen kann.

Sozialdemokraten aller Färbungen setzen noch immer auf Strategien wie Steuern oder staatliche Maßnahmen, ohne dabei die kapitalistische Basis verlassen zu wollen. Damit nehmen sie keineswegs eine neutrale Position ein, sondern stellen sich entschieden auf die Seite des Kapitals, dessen Existenz und damit Dominanz nicht angezweifelt wird. Daher ist die Sozialdemokratie auch keine Arbeiterpartei, sondern eine Kapitalpartei und ihr vermeintlicher wiederholter Verrat nur die Konsequenz ihres Konzepts.

Wie oft noch?

Der vorgebliche Versuch, das Kapital zu bändigen, scheitert empirisch nicht nur im Alltag jedes einzelnen Staates an den jeweiligen Kapitalinteressen. Er scheitert auch daran, dass kein einziger Staat der Welt, zumal Europas, bislang aus dem kapitalistischen Zwang ausgestiegen ist. Das ist kein Zufall, denn es ist schon theoretisch unmöglich. Update: Gemeint ist damit der Zwang, den das Kapital entfaltet, nicht die Möglichkeit, den Kapitalismus zu überwinden.

In Europa gibt es nicht einmal die Freiheit, sich dem Weltwirtschaftskrieg in seiner heißen Variante gegen Russland zu entziehen, obwohl die Bevölkerung Europas das trotz andauernder Propaganda mit überwältigender Mehrheit will. Das Konzept einer Volksvertretung ist ebenso ersichtlich gescheitert wie andere Versuche, Demokratie durch Stellvertretung zu organisieren.

Keine Frage

Wenn also überhaupt Entscheidungen nach Vernunft oder auch nur Willen möglich sein sollen, muss der Kapitalismus überwunden werden, was nichts anderes als eine Revolution wäre. Wer also Veränderung denken will, muss Revolution diskutieren. Die Frage ist nicht ob, sondern wie. Dabei bedeutet Revolution eben nicht, wie von Märchenerzählern gern suggeriert, dass wütende Mobs durch die Straßen ziehen und Kapitalisten aufhängen.

Der Mob hat nur immer gewütet, weil längst gescheiterte Versuche – kapitalistische wie feudale – lange nach ihrem Scheitern noch von einer kleinen Herrscherkaste gegen die große Mehrheit mit Gewalt verteidigt wurden. Revolution war nie ein Akt der Gewalt, sondern immer einer der unausweichlichen Gegengewalt.

 
ds

Quelle: Pixabay

Die sogenannte "Zeitenwende" ist nichts anderes als ein Religionskrieg des protestantischen Kapitalismus gegen den Rest der Welt. Es finden sich hier alle Aspekte eines Glaubenskriegs. Auf der einen Seite steht der alte Hegemon, der westliche Kapitalismus. Er ist somit das reaktionäre Element, im Gegensatz zur Zeit seiner Entstehung. Er ist aber durch seine ideologische Dichte gleichzeitig ein Hort des Eifers und des Fanatismus.

Im letzten großen Glaubenskrieg, 1618-1648, bot die aufkeimende Renaissance die Möglichkeit, dass sich hinter den fanatischen Kämpfen der Mythologen eine neue Rationalität entwickelte. Diese floss erst 200 Jahre später auch in Gesellschafts- und Staatskonzepte ein – um weitere 200 Jahre später mit der Dekadenz des Imperiums wieder zu zerfallen. Wo einst rational argumentiert wurde, zumal in den Parlamenten, herrschen wieder Fanatismus, Kriegsgeschrei und Clanwesen.

Fanatismus, Aggression

Das Feindbild ist wie in jedem Glaubenskrieg das Fremde, Andere. Dieses qualifiziert sich heute durch zwei Merkmale: Es organisiert sich nicht neoliberal-bürgerlich, vor allem aber steht es dem westlichen Kapital nicht zur Verfügung. Es verweigert sich den Strukturen von IWF, G7, EU und USA oder wurde als gefährliche Konkurrenz davon ausgeschlossen. Schlimmstenfalls wendet es sich vom Dollar ab.

An dieser Stelle steht dem Westen ein rationaler Diskurs nicht zur Verfügung, weil er sonst seinen ökonomischen Kern als einzig relevantes Kriterium für seine Politik und Geostrategie offenbaren müsste. Sein innerer Halt, die ideologische Beherrschung seiner Bürger, schließt das aber aus. Die Zwänge im Westen sind unsichtbar, weil sie den Einzelnen selbst auferlegt werden. Der Zwang ist so verinnerlicht oder monetarisiert, dass es keines ausdrücklichen Befehls bedarf. Wo aber Autorität noch sichtbar wird – bei der globalen Konkurrenz – wird das als Unfreiheit und 'Diktatur' markiert, die es zu bekämpfen gelte.

Während sich der Westen so immer fanatischer (und militanter) ideologisiert, haben die vermeintlichen Diktaturen im Rest der Welt gelernt, wie man lebt, leben lässt und kooperiert. Da die Restwelt von den alten Kolonialmächten inzwischen wirtschaftlich unabhängig wird, bleibt dem Westen nur mehr die Aggression oder der Niedergang. Dass Aggression das Mittel der Wahl ist, hängt auch mit der Zerstörung des Rationalen Diskurses zusammen und damit, dass der religiöse Kern nie überwunden wurde. Das bleibt noch immer eine große Aufgabe.

 
ds

Zwischen Zeitenwende und Stagnation – die Endphase des Kapitalismus-Modells in dieser globalisierten Ausprägung legt mustergültige Krisensymptome hin. Im Podcast plaudern wir über einige, ohne sie ausdrücklich in diesen Zusammenhang zu setzen, deshalb will ich ein wenig davon nachholen:

Die Vokabel "Zeitenwende" ergibt in dem von Scholz phrasierten Kontext überhaupt keinen Sinn – es sei denn, man interpretierte sie geopolitisch so, dass wieder jeder gegen jeden militärisch zuschlägt, in einem Europa der Feinde, auf eine Art und Weise, die endgültig hinter die Genfer Konvention zurückfällt. Die Propaganda ist ja schon wieder soweit. Es gibt jedenfalls keine mögliche positive Auslegung der "Zeitenwende".

Obwohl 2022 diese enorme Dynamik entfaltet hat, was den Rückfall in die Barbarei der Kriegstreiber angeht – bis hin zum Schrei nach dem Atomkrieg – kann man sich des Gefühls nicht erwehren, allmählich in einem zähen Brei zu versinken.

Rien ne vas plus

Dies verdankt sich dem Umstand, dass keinerlei Vision, keine Utopie, keine Bewegung zu erkennen ist, die dem Marsch in den Untergang etwas entgegenzusetzen hätte. Das Versprechen des Kommunismus, der nie verwirklicht wurde, verschwand mit dessen Vernichtung aus dem westlichen Diskurs.

Einzig der Blick nach außen birgt Hoffnung. Was der Wertewesten nur als Bedrohung und Konkurrenz erkennen kann, scheint derzeit eine Koexistenz ganz unterschiedlicher Kulturen und Lebenswelten zu ermöglichen. In den BRICS finden Ökonomien und ihre Gesellschaften zusammen, deren Konzepte sich in vielerlei Hinsicht widersprechen.

Hier ist aber ein Geist des Respekts und der Toleranz am Werk, der schlicht darauf beruht, auf Intervention zu verzichten – das heißt, die anderen je nach ihrer Fasson leben zu lassen und sie nicht assimilieren zu wollen wie die Borg eine andere Spezies. Dies ebnet den Weg für eine globale Kooperation. Leider ohne den Westen, der sich im Besserwissen seines Herrschaftsanspruchs isoliert hat.

Zum Podcast bitte hier entlang.

« Vorherige SeiteNächste Seite »