theorie


 
xx

Original: Seedfeeder, CC-Lizenz

Die 68er hatten, hierin ihrem Mastermind Herbert Marcuse folgend, die Idee, ihre Gesellschaft durch wildes Gevögel zu befreien. Die These war die, dass die Befreiung der Sexualität, die Erhebung zum Eros, auch die Gesellschaft befreien würde, weil die Unterdrückung des nämlichen Triebes Bedingung für die des Menschen sei. Das hat prima funktioniert.

Schon in den Anfängen zeichnete sich der Erfolg ab, zumal hierzulande. "Wer zweimal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment", wusste der Sponti und verriet bei aller Ironie schon so einiges. Als Bewahrer des generischen Maskulinums muss ich hier feststellen, dass die Formulierung ganz eindeutig den Mann als Subjekt vorsieht und die Frau zum Objekt macht. So ist er aber, der Deutsche: macht stets eifrig mit und denkt sich nichts dabei.

Freiheit durch Porn

Dass der Kapitalismus die Lohnabhängigen keineswegs vorrangig durch Prüderie unterdrückt, hat sich dann schnell herausgestellt. Nachgerade genial – das ist Evolution – hat er dann nicht nur den Sex ratzfatz durchkapitalisiert, sondern auch noch die Prüderie raffiniert. Zuerst kam einmal ein 'Feminismus' um die Ecke, der jeden heterosexuellen Akt als potentielle Vergewaltigung markierte.

Im Laufe der Zeit differenzierte sich ideologisch das LGBTQXYZ-Spießertum aus, das permanent Bekenntnisse zur Fickerei im Allgemeinen und Besonderen fordert; auf der Seite der Verwertung offenbart die kapitalistische Gesellschaft derweil auch sexuell ihre sprichwörtliche Analfixierung.

Wusste Platon in seinem Roman "Das Gastmahl" noch in der verschachtelten Erzählung, die Sokrates Diotima zitieren lässt, die ideale und höchste Form der Liebe sei "Zeugen und Gebären im schönen", ist der Renner auf den Porn-Plattformen, "Anal, anal, anal" und stopft es auch sexuell noch dort hinein, wo das Geschäft herkommt. Wie heißt es doch so passend in der Bibel: Der Mensch macht, das Kapital lacht.
 

 
pn

Quelle: Raubmord vom verlinkten Kanal.

Es ist ein Kreuz mit der Religion – Schenkelklopfer! Sie bedient fast das komplette Bedürfnisspektrum des menschlichen Hirns, und Vernunft ist dummerweise kein Bedürfnis. Um mit ihr mitzuhalten, bräuchte Wissenschaft eine ähnliche Macht, sonst wird sie immer vom Geisterglauben übertölpelt werden.

Dabei hat sie mehr zu bieten als immer schlauer zu werden und sich dabei immer dümmer zu fühlen. Für mich ist sie ein Trost quasi religiöser Dimension. Wo sich der Kniefällige einbilden muss, ein unsichtbares Wesen habe ihn und seinesgleichen nach seinem Vorbild aus dem Wurstkessel geschöpft und herrsche heimlich im Himmel, kann sich der Wissenschaftler mit Evolution bescheiden und ohne Taschenspielertricks nämlich wissen, dass diese Spezies etwas wirklich Besonderes ist.

Du hast nen Urknall

Nein, nicht nur das Viech, das sich anschickt, vor allem die eigenen Lebensgrundlagen zu zerstören, in einer Massengesellschaft versucht, sich nach Maßgaben der Steinzeithorde zu verhalten und jeden absurden Ranz zu glauben, wenn es sich damit besser fühlt als mit der schnöden Realität. Tatsächlich avancierte sie zum Gedächtnis des Universums.

Etwa 13,8 Milliarden Jahre können wir in die Vergangenheit zurück schauen. Wir haben Gesetzmäßigkeiten entdeckt, die sich jeder Wahrnehmung entziehen und teils mit den empfindlichsten Instrumenten nicht zu erfassen sind. Und das Ganze haben wir in ein paar Hundert Jahren aus der Asche religiöser Verblödung gehoben. Fun Fact: Erst vor 100 Jahren haben wir ein Periodensystem der Elemente aufgestellt, das bis heute annähernd gültig ist. Ein Wimpernschlag.

Rüder Lastwechsel in eine andere Kurve: Das Internet, zumal Youtube, hält nicht nur rosa Bläschen für Spezialtheoretiker vor, die sich liefern lassen, was sie glauben wollen; es gibt auch echte Wissenschaft, lehrreich und spannend. Davon sprechend, muss ich hier endlich mal den Josef vorstellen, den meine liebe Ani und ich gern geheiratet hätten.

Geile Wissenschaft

Josef M. Gaßner – ja ja, der macht es mit dem Lesch, aber kommt mir jetzt nicht mit Kontaktschuld – gibt es da zum Beispiel, den Mann mit der Orange, der den Kopf so lustig schräg hält. Die Vortragsreihe "Von Aristoteles zur Stringtheorie" ist fucking großartig. Die Geschichte der Physik und mehr, verständlich auch ohne mathematische Kenntnisse, die aber dennoch die dazugehörige Mathematik liefert. Für mich war das Anlass, Ü50 endlich Gebrauch zu machen von Schulkenntnissen, denen ich mich bei der halbgaren Aneignung noch verweigert hatte.

Mein Liebling ist die Folge 7, in der es um Lagrangepunkte geht. Mathematik kann so anschaulich sein, dass sie nachgerade schön wird. Klingt komisch, ich weiß. Mein ja nur. Ein Buch dazu gibt es übrigens auch, ich habe das zweimal hier, weil wir es schon beide hatten, ehe wir kollidierten. Man kann sich mithilfe der Wissenschaft also auch verlieben. Friss das, Religion!

 
xx

Der totalitäre Kapitalismus, der in der Endphase einer Ökonomie jedes Menschenrecht dem Profit zu opfern bereit ist, hat zwei hart konkurrierende Formen hervorgebracht, die in den USA und international aufeinander losgehen. Reizfiguren dieser Entwicklungsstufe sind etwa Biden, Trump und Putin.

Biden steht dabei für die 'liberale' Variante, Trump und Putin für eine 'wertkonservative'. Letztere ist eigentlich klassisch völkisch, christlich und familienaffin. Die liberale Variante hat sich diesbezüglich ins Gegenteil gewendet: globalistisch, weltlich, 'divers'.

Lechts oder Rinks

Diese liberale Variante firmiert in der Analyse dennoch unter "Neocons" wie Neokonservative; in Europa eher "neoliberal". Ökonomisch angebotsorientiert, mit Tendenz zum Nachtwächterstaat, wobei die "Wächter" zunehmend Priorität haben: Überwachung im Inneren und militärische Stärke im Äußeren sind der Trend, wie schon immer im Faschismus.

Ein Unterschied besteht wie gesagt in der kulturellen Ausrichtung: Die Liberalen, die sich gern als 'links' missverstehen lassen, haben Strategien entwickelt, die klassische Werteschemata verlassen und zum Teil umkehren. Ihr Rassismus hat die Rassenlehren auf den Kopf gestellt, Familie ersetzen sie durch Bildungs- und Betreuungseinrichtungen und gegenüber Religionen sind sie grundsätzlich neutral, bis auf öffentlichkeitswirksame Lippenbekenntnisse.

Die Liberalen haben durch ihre Strategien die Gesellschaften erfolgreich atomisiert. Ihre Welt sind Privatreligionen, Esoterik, Konkurrenz, Statusgehabe, Selbstoptimierung und individuelle 'Verwirklichung'. Dies hat den Vorteil, dass solche Menschen als Konsumenten kauffreudiger sind und vor allem als Lohnabhängige total entsolidarisiert.

Atomisiert

Sie treten nicht als Genossen mit gemeinsamen Interessen auf, sondern als Konkurrenten, die sich permanent voneinander abgrenzen. Sie halten sich für anspruchsvoll, leistungsbereit, kultiviert und sensibel. Abstrakte Rücksicht hat konkrete Solidarität ersetzt. Dies macht sie beherrschbar und sichert ihre Zustimmung zum System, solange es ihnen etwas besser geht als der zusehends wachsenden Unterschicht.

Die Angst der Liberalen vor den Konservativen ist daher nachvollziehbar. Ihre Gegner aus der andren Fraktion mögen durchaus gestrig sein, aber sie haben ein Potential, das den Liberalen fehlt: Gemeinsame Werte und einen christlich-konservativen Kollektivismus. Ihre deutlich höhere Zustimmung zur Anwendung von (auch nichtstaatlicher) Gewalt macht sie im Kampf um die Hegemonie in einer möglichen faschistischen Wende zum überlegenen Gegner.

Daher markieren die Liberalen mithilfe staatlicher Unterdrückung zunehmend alles, was ihrer Ideologie zuwiderläuft, als verbale Gewalt, illegale "hate speech" und unterminieren so ihren eigenen liberalen Anspruch. Dabei sind sie noch so blöde zu verkennen, dass sich diese Strategie mit erschütternder Wahrscheinlichkeit gegen sie selbst richten wird.

 
xx

Kapitalismus zwingt zum Profit. Das allein genügt bereits, um immer wieder Krisen zu erzeugen, in denen sich absurde Verhältnisse bilden. Seine Anhänger und Hohepriester versuchen, das als "zyklisch" zu verbrämen, als sei es etwas Natürliches, das sich in einem Kreislauf selbst regelt. Wir kennen diesen Kreislauf: Es ist der von Krieg zu Krieg und von Elend zu Elend.

Eine Gesellschaft, eine Gesellschaftsform, die auf Kapitalismus beruht, wie der bürgerliche Staat, der ihn und die Eigentümer schützt, wird zwangsläufig umso korrupter, je länger sie stabil ist. Daraus folgt, dass der Schutz des Kapitalismus auf Kosten von Sinn und Verstand absurde Blüten treibt.

Korruption

Korruption wie aktuell in der EU, die wie die NATO zu einem Instrument des Imperiums geworden ist, wird kaum mehr wahrgenommen. Wer das weiß, ist schon abgestumpft, vor allem aber sorgen korrupte Medien als Symptom der Dekadenz dafür, dass solche Skandale für selbstverständlich genommen werden. Statt einer Debatte gibt es Glaubensbekenntnisse und Drohungen gegen Ketzer.

Eine Opposition gegen diese Verhältnisse kann erstens nicht funktionieren, wenn sie sich nicht gegen die Ursache – Kapitalismus – wendet und zweitens versucht, ausgerechnet die Institutionen um Besserung anzubetteln, die ja gerade für die stetige Verschlechterung sorgen. Am Beispiel Umweltschutz wird das aktuell sehr deutlich.

Wie gesagt, reicht schon der Zwang zum Profit allein, um solche Zustände hervorzubringen. Selbstverständlich aber nützen die großen Kapitale – wie Fluggesellschaften – ihre wirtschaftliche Macht aus, um ihre Interessen durchzusetzen. Legal, illegal, egal. So wurde u.a. auch die reformistische Umweltbewegung benutzt, um Profite zu sichern.

Fronten

Umweltstandards werden nicht gesetzt, damit irgendetwas besser wird, sondern, damit sich kleinere Konkurrenten deren Umsetzung nicht leisten können. Normen – für Sicherheit, Umwelt, Gesundheit et cetera – sind nichts anderes als Gelegenheiten, schwächere Konkurrenz aus dem Rennen zu klagen.

Wer etwas verändern will, muss sich daher zwangsläufig gegen das System als solches stellen. Erstens, weil es kapitalistisch ist, und zweitens, weil der Filz, der sich nach Jahrzehnten gebildet hat, undurchdringlich ist. Darum sieht hier eine Partei aus wie die andere, und alle labern dasselbe Zeugs: Sie sind reaktionär; sie verteidigen ein System, das nicht sinnvoll zu rechtfertigen ist.

Es gibt gar keine Alternative zu Revolutionen gegen solche Entwicklungen. Sie werden aber nie aus Überzeugung, sondern immer aus purer Not angezettelt. Ideologisch gibt es freilich immer das Vorgeplänkel, das gern die Form von Religionskriegen annimmt. Die Einen halten fest und markieren die Anderen als Ketzer und Diener des Bösen. Der Diskurs wird völlig irrational und weicht der Inquisition.
 

 
ds

Die kapitalistische Gesellschaft ist ein einziges Paradoxon. Das liegt nicht zuletzt an der bürgerlichen Ideenwelt, die den gleichnamigen Staat hat entstehen lassen. Die idealistischen Vorstellungen des Bürgertums waren nicht nur falsch – was sich auch aus dem historischen Stand des Wissens ergibt – sie hatten vor allem nicht einmal die blasseste Idee, welches Monster sie mit dem Kapitalismus losgelassen haben.

Die Dynamik, die dieser entfaltet, hat spätestens Marx erkannt, aber damit fällt auch schon das Signalwort: spät, wie in "zu spät". Marx hat erkannt, dass man ihn nur überwinden und nicht zähmen kann, dass es nicht ein bisschen Kapitalismus gibt, sondern eben ganz oder gar nicht. Seitdem erkennen Generationen von Sozialdemokraten nicht den Grund ihres Scheiterns und sogenannte Liberale erzählen Märchen, mit deren Hilfe sie ihre Herrschaft sichern.

Kann man nix machen

Auch und gerade in den Subsystemen kann man das große Paradoxon erkennen, das zwischen Systemzwang und der Illusion von Individualität: Wir setzen Systeme auf, in denen niemand mehr persönlich verantwortlich gemacht werden kann, während aber das Rechtssystem genau darauf beruht. Der Kalauer "das ist Software, da kann man nichts machen" steht prototypisch dafür, aber im Grunde ist schon jeder Arbeitsprozess beispielhaft dafür.

Es gibt einen Rahmen, in dem jeder weiß, was er zu tun hat, es gibt ein Produkt oder eine Dienstleistung, für die gearbeitet wird, verschiedene Menschen interpretieren auf verschiedene Art und Weise ihre Aufgabe. Es gibt grobe Stellenbeschreibungen, ab und an eine Anweisung und Meetings, in denen an der Oberfläche das eine oder andere abgestimmt wird. Im Grunde hat aber niemand wirklich Verantwortung für seinen Bereich, und die Abläufe wurden in der Regel von Menschen geplant, die längst nicht mehr vor Ort sind.

Menschen werden für Tätigkeiten bezahlt oder unter der Drohung, nicht bezahlt zu werden, gezwungen, sie werden psychisch und physisch unter Druck gesetzt, manipuliert und durch Bedingungen eingeschränkt. Bestes Beispiel für die Perversion dieser Erkenntnisse ist die sog. "Eigenverantwortung", als hätte Arbeitslose einen maßgeblichen Einfluss darauf, wie viele von ihnen beschäftigt werden.

Deine Schuld

Entweder verhindern wir also die Eigendynamik von System oder wir passen das Rechtssystem an. Wie kann man Einzelne rechtlich verantwortlich machen, wenn ihr Handlungsrahmen sie extrem einengt, während man aber den Handlungsrahmen nicht beeinflusst, ja, ihn kaum je berücksichtigt?

Stattdessen besorgen unsere Ideologen die Illusion der individuellen Verantwortung, finden immer wen, der (selbst) schuld ist und verteidigen das System gegen jede Vernunft. Das ist eine durchweg religiöse Weltsicht, und zwar wieder die protestantische, die eben Gottgefälligkeit im einzelnen Christenmenschen verortet. Wüster Geisterglaube.

 
xx

Das Folgende ist durch diesen Vortrag von Richard D. Wolff inspiriert. Für die Meisten hier nichts Neues, aber ggf. eine Argumentationshilfe.

Es ist nicht nur ein Missverständnis, sondern durchaus auch liberale Propaganda, Sozialismus sei gleichbedeutend mit staatlicher Dominanz und Lenkung. Die ausdrücklich sozialistischen Staaten waren so ausgerichtet, aber das erklärt sich selbstverständlich bereits dadurch, dass sie Staaten waren. Historisch sind Sozialismus und Staat eng verknüpft, aber weder in der grundlegenden Theorie noch in den Konzepten.

Ohne das im Einzelnen durchzudeklinieren, gibt es einige Gründe für die Verbindung von Staat und Sozialismus: Der Leninismus war in seiner Epoche stabil, dominierend und eben organisiert als Staat mit Staatspartei. An dieser Stelle war er freilich schon lange kein Marxismus mehr; Kommunismus schon gar nicht. Als revolutionäre Kraft in einem bürgerlichen Staat mag eine KP noch Sinn machen; als Establishment ist sie nur mehr Staat und kein Kommunismus mehr.

Kommunismus kennt keinen Staat

Die Absurdität liberaler, kapitalistischer Bezichtigung des Sozialismus, ein Staatsmonster zu sein, bricht sich bereits im Angesicht der faschistischen Regime, die aus bürgerlichen Staaten hervorgehen und als Endstadium des Kapitalismus diesen autoritär verteidigen. Der autoritäre Staat ist demnach weder sozialistisch noch kapitalistisch, sondern Machterhalt. Er ist ein reaktionäres Vehikel.

Der real existierende Sozialismus entwickelte sich historisch in einer Epoche, in der er von außen in kapitalistische Konkurrenz gedrängt wurde. Derart im permanenten Verteidigungsmodus, kippte das Konstrukt schnell ins Autoritäre, die Diktatur. Er war das Schlechteste aus beiden Welten: Staatsdoktrin mit Geldwirtschaft und Lohnarbeit.

Die anarchistischen, kommunistischen (kommunalen) und syndikalistischen Ansätze etwa haben ganz andere Vorstellungen entwickelt, die sich bis heute nicht in der Welt globaler kapitalistischer Staatsgewalten durchsetzen konnten. Dabei ist die Idee tatsächlich ganz einfach: Weder der kapitalistische Eigentümer noch der Staat sollen über die Früchte der Arbeit der Menschen verfügen. Diese müssen selbst entscheiden, was mit der über den simplen Selbsterhalt hinausgehenden Produktion geschehen soll. Das allein wäre wirkliche Demokratie.

 
xx

Eine Ordnung kann noch so abenteuerlich sein; wenn sie einmal besteht, werden die Menschen, die sich an sie gewöhnt haben, sie verteidigen. Andererseits gibt es keine größere Bedrohung für eine Ordnung als sie selbst. Wenn die Rituale, Erzählungen und Regeln nicht mehr greifen oder – schlimmer noch – das Überleben der unter ihr lebenden Menschen in Gefahr ist, beginnt ein Auflösungsprozess.

Diese Auflösungsprozesse gehen mit Abspaltungen einher. Die Ersten, die erkennen, dass die Ordnung nicht mehr taugt, sind die Ersten, die angefeindet werden. Man hängt nur zu gern den Boten. Außerdem sind Alternativen eben nicht schnell bei der Hand. Selbst die Zweifler möchten so viel wie möglich von der alten Ordnung behalten – hat sie doch bislang für alle gut gesorgt und zeigt nur hier und da Unzulänglichkeiten, auch wenn diese den Bestand der ganzen Spezies gefährden.

Rebellen

Einige werden dennoch Ideen haben, wie die Welt nach der Umwälzung aussehen soll. Allzu menschlich ist hier der Ruf nach einem personellen Wechsel. Aber der neue Schamane, Fürst oder Präsident hat nicht nur mit denselben Problemen zu tun, sondern auch noch innerhalb derselben Ordnung, der er obendrein selbst entstammt.

Radikal war schon immer die 'Lösung' der Autokratie, am besten mit einem (vermeintlichen) Alleinherrscher. Die frühen Gesellschaften, die italienischen Tyranneien, Diktaturen, Faschismus – jetzt kann mal einer zeigen, dass er der Richtige ist und alles wieder gut wird. So wie Papa das halt macht. Die kindliche Projektion einer Allmacht auf einen 'starken Mann' ist der Klassiker der Regression. Hat noch nie geklappt, aber dafür müsste man etwas von Geschichte wissen.

Die Auflösungsprozesse sind durch solche und ähnliche Wahnideen geprägt, weil nicht diejenigen den Diskurs bestimmen, die den Durchblick haben, sondern diejenigen, die am eifrigsten gegen die lästige Ordnung palavern. Auf der anderen Seite immer die Wahrer des Status Quo, die folgerichtig immer reaktionärer werden. Für fortschrittliches Denken ist fast immer am wenigsten Raum, wenn es am dringendsten gebraucht würde.

Reaktion

Die Angst vor der neuen Ordnung ist verständlich, bedroht sie doch die Integrität jedes Einzelnen. Nehmen wir einmal ein sehr abstraktes Beispiel, das deswegen auch noch harmlos ist: Wenn Materie nur gebundene Energie ist, wenn es also überhaupt nichts Festes gibt in der Welt, wie soll man das verstehen? Warum kann ich dann etwas anfassen? Nun wird niemand dieses Wissen in die Angst umwandeln, sich im Universum zu verlieren, weil man überall durchflutscht.

Wenn man hingegen nicht mehr weiß, was ist und was nicht ist in einem Zusammenhang, in dem man sich orientieren muss, ist die Angst verloren zu gehen sehr konkret. Es ist u.a. von psychischen Krankheiten bekannt: Wenn ich an meinen Gefühlen, Worten und Taten zweifeln muss, weil ich nicht mehr einschätzen kann, was richtig ist, was falsch, was krank und was 'normal', verliere ich den Halt.

Abgründe

Genau das aber droht beim Wechsel einer Ordnung. Jede enthält tausende Orientierungsmarken dessen, was eben 'normal' ist und was nicht, was gut und was schlecht, falsch oder richtig. Wenn das, was gestern noch richtig war, heute falsch ist, wird man ja verrückt. Gegen solche Veränderung wehrt sich alles.

So kommt es in der Regel zu fürchterlichen Zuständen, Gewalt, Chaos, Geisterglauben. Erst wenn die alte Ordnung völlig zusammengebrochen ist und folgende – meist vorgestrige – Experimente scheitern, kann aus der Notwendigkeit des Überlebens unter den jeweiligen Bedingungen eine neue Ordnung entstehen. Ähnlichkeiten mit aktuellen Entwicklungen könnt ihr behalten.