sozialzeugs


 
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Soso, der Thienemann-Verlag hat "Jim Knopf" gesäubert. Nicht nur vom Wort "Neger", das aus aller Geschichte getilgt gehört, weil nur Geschichtsklitterung alles wieder heile macht, sondern auch von einem schlimmen Detail auf dem Titelbild. Es ist jetzt gottgefällig und regenbogengerecht.

Die Kulturbarbaren, die so etwas verbrechen, schreiben nur für ihre Peergroup, reden nur mit ihrer Peergroup, leben wie ihre Peergroup und kennen auch nichts anderes mehr. Wer kam nur auf die Idee, diesen Irgendwasmitmedien die Gestaltung sämtlicher Medien zu überlassen?

Echokammer, schrumpfend

Die Hierarchie ist ja ungefähr so: Naturwissenschaften und Technik sind nur was für Nerds, Medizin für höhere Töchter, Philosophie ist ein Laberfach, das man abbricht, wenn man merkt, das es dafür nicht reicht, Geschichte ist etwas für Nostalgiker und verstaubte Gestrige.

Dann bleiben noch Germanistik, Politologie, Genderqueerstudien und Irgendwasmitmedien. Dort tummeln sich die Ideologen, deren Auswürfe dem Rest der Bevölkerung die Welt erklären. Dass selbst die in dieser Echokammer am häufigsten zitierten 'Studien' in der Regel nicht reproduzierbar sind, ficht sie nicht an, denn das wäre ja toxisch-männliche Wissenschaft.

Sie sind eher zielorientiert und machen alles besser, indem sie böse Wörter ausradieren. Und nicht nur Wörter, auch Bilder (siehe Link). Ist die Pfeife von Jim Knopf eigentlich auch rassistisch? Oder müsste man nicht vielmehr Herrn Lukas die seine auch wegretuschieren? Das ist doch Drogenpfui und ungesund. Na dann halt in der nächsten Runde.

Mäßiger Trost

Der Trost über solche Pfeifen besteht darin, das diese pietistischen Eiferer und Verstandesasketen umso weniger Menschen erreichen, je länger und je eifriger sie walten. Es ist nur so furchtbar nervig, darum redet auch niemand mehr mit ihnen über ihren Stuss, was die Sache noch einmal unangenehm beschleunigt, weil sie den Eindruck gewinnen, wirklich jeder dächte so wie sie.

Widerlich ist allerdings, dass dieselben, die fest daran glauben, im Urwald stürbe jedes mal ein Einhorn, wenn Worte wie "Neger" auch nur gedacht werden, mit demselben Eifer Nazis beim Abknallen von Orks 'helfen'. "Orks" steht ja nicht auf der Liste. Das ist kein Rassismus.

 
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Der Umgang dieser Kultur mit Sterberei ist unsäglich. Ich muss dazu ein paar Takte sagen; das ist einerseits sicher auch Trauerarbeit, anderseits aber mitten drin in dem Desaster, das sich hier noch Gesellschaft nennt.

Zum Beispiel die konkrete Trauerei. Wenn ich haltlos flennen will, das geht ja mit dieser modernen Technik, gucke ich mir zum Beispiel ein YT-Video an, in dem meine Frau "Angel of Music" singt. Mache ich aber eigentlich nicht. Bin zu wenig maso. Jedenfalls ist das schon mal eine gute Alternative zum Abstellen von Müllfunzeln auf sogenannten Gräbern, die ich einmal einzurichten und dann zu meiden pflege. Vermutlich bin ich das Gespött des sogenannten Friedhofs.

Keine Kultur

Das Ganze fängt meist damit an, dass sich ein Typ in Frauenkleidern oder mit komischem Kragen, der den Toten kein Stück kannte, vorn hinstellt und etwas von Fabelwesen schwätzt. Ich wusste das zu vermeiden, indem ich in beiden Fällen die Rede selbst gehalten habe. Das war Notwehr. Ich hätte da lieber etwas irgendwie Kollektiveres, aber außer meiner Tochter und mir hatte keiner die Eier, etwas zu sagen. Offenbarungseid.

Diese Unfähigkeit, Tod auch nur zu denken, fängt ja schon beim Wort "Unfall" an, der nichts ist als ein fucking Fall. Findet statt, doch. Wenn wer vor sich hin stirbt, ziehen die meisten Leute den Schwanz ein und lassen sich nicht mehr sehen. Dafür gucken sie sich jeden Tag in Film und Serie an, wie hunderte gutaussehender Leichen nach Schüssen ins Gesicht noch den Bildschirm schmücken. Wen du mal wen gesehen hast, der tot ist, findest du das sehr sehr albern.

Wenn du sichtbar trauerst, versuchen sie, dich zu 'trösten', indem sie Schwachsinn labern oder dich ungefragt anfassen. Nicht für dich, sondern weil sie die Situation nicht aushalten. Warum lernt hier niemand, sich ganz normal zu verhalten? Mach meinetwegen nen Witz drüber, dammit, aber guck mich nicht an, als wäre ich ein Zootier mit Knopfaugen.

Womit wir beim letzten und wichtigsten Teil der Veranstaltung sind: Beim Tod handelt es sich um Tod. Wie in "lebt nicht mehr, kommt nicht wieder". Das hat alle möglichen Implikationen, die teils unbegreiflich sind, aber zum Alltag gehören. Im Einzelfall. Das ist der Fall, der den Meisten schon zu schwierig ist, um sich dazu bewusst zu verhalten.

Lasst die Löwen raus

Etwas völlig anderes ist es freilich, wenn man souverän über Tausende von Menschenleben richten kann. Da kann man halt nichts machen, wenn die Leute ersaufen. Haben sie ja selbst riskiert. Da kann man nicht zurückweichen, wenn der Böse Krieg führt, dann muss man die Jungs zu Tausenden verbrennen und zerfetzen lassen, sonst lernt der Böse seine Lektion nicht. Mehr Waffen®, da lebt noch was!

Das sind dieselben, die es nicht aushalten, mir in die Augen zu gucken oder sich mal blicken zu lassen, wenn sie wissen, dass hier wer unschön siecht. Sie haben gemeinhin kein Problem damit, das unzähligen Unbekannten zuzumuten, aus politisch-moralischen Gründen.

Deshalb stehen sie auch über diesen feigen Pazifisten und schicken gar so ein unfassbares Arschloch vor und lassen uns als "Lumpen" beschimpfen. Ist das eigentlich keine Hassrede? Oder fängt die erst hier an, wo ich bekunde, dass ich diesem Hanswurst ohne mit der Wimper zu zucken in die Fresse schlagen könnte?

 
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Ich habe die Religiosität der protestantisch-kapitalistischen Ideologie vor 15 Jahren einmal am Beispiel Rauchen und Sucht illustriert. Der Wokism marschiert da in stramm sittlicher Strenge weiter, bis es nichts mehr gibt, das seinen moralischen Anmaßungen standhält.

Es keine Neuigkeit, dass Rauchen gesundheitsschädlich ist. Sucht ist überhaupt meist ungesund. Dennoch gibt es Süchtige, die sogar ein wenig Lebensfreude auszustrahlen wissen. Man kommt ihrer Sucht nicht bei, und es hat noch keine Kultur gegeben, in der keine Drogen konsumiert wurden. Diese unsere aber hat die Fremdaskese entdeckt. "Gönne niemandem nichts" ist das Motto.

Kapitalmoral


So lässt sich wunderbar Geld verdienen, so kann man auch die Armen noch ärmer machen, denn die Verarmung der Kultur ist ja quasi Programm. Diese Art innerweltliche Askese ist so etwas wie die Rache der protestantischen Ethik am sexfeindlichen Katholizismus. Die Ablösung des Rheinischen Kapitalismus durch den angloamerikanischen Neoliberalismus wird so ganz angemessen begleitet. Im Ergebnis entsteht eine Gesellschaft, die (sich) jedes Vergnügen untersagt.

Diese Fremdaskese ist es auch, die immer nach Reinheit strebt und Sünde verfolgt. Allein der Verdacht, jemand könne gegen Regeln verstoßen, macht ihn zum Delinquenten; dabei sind die absurdesten Erfindungen neuer Regeln und Sünden ('kulturelle Aneignung', 'Meritokratie') gerade willkommen, weil es gegen das Maximum an Unsinn keine Argumente mehr gibt.

Das Beispiel "Meritokratie", das gerade im IT-Bereich von militanten Moralisten gegen jene ins Feld geführt wird, die den Wokies erst die Basis für ihre Twitterpranger und andere Schnellgerichte geschaffen haben, ist besonders amüsant. Bloß weil sie etwas extrem gut können, ist das keine Anerkennung wert. Vielmehr muss ihre Sprache streng überwacht werden.

Wir sind die Guten

Eine Minderheit ('Nerds'), die sich einmal eine Nische geschaffen hatte, in der niemand sie für ihre Macken diskriminiert hat, erfährt nunmehr, dass ihre Existenz rassisch und moralisch definierte Minderheiten beleidigt. Nicht minder dämlich ist das Dissen von Leuten mit Dreadlocks oder anderen reklamierten Äußerlichkeiten.

Es gibt nichts, was man nicht eifrig zur weiteren Atomisierung der Gesellschaft nutzen könnte. Der Linksrassismus ist reaktionär, destruktiv und eine immerwährende Steilvorlage für Kapitalisten, deren Ziel sie erst erreichbar machen: There is no such thing as society. Wer hier an Zufall glaubt, dem fehlt jede Phantasie.

Diese pseudeolinke Guerilla der Neocons oder Neoliberalen maßt sich dabei eine Gleicherheit an, die wir aus Animal Farm kennen. Ohne jede Legitimation bestimmen sie laut krakeelend darüber, welche Minderheit als gut zu gelten hat und welche als böse. Ihre willfährigen Mittelschichts-Spießgesellen in Politik und Medien setzen das dann in sprachliche Zumutungen um, die sich außerhalb der Peergroup solch Nützlicher Idioten niemand mehr freiwillig anhört.

 
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Wie ich neulich darlegte, übernimmt das Völkische den Klassenkampf, weil sich sonst niemand drum kümmert. Dabei kann es ganz nebenbei noch auftrumpfen mit der vermeintlichen Befriedigung von Grundbedürfnissen, wo Pseudolinke ihre Atomisierung noch feiern. Am Rande wäre es auch interessant, einmal den diesbezüglichen Effekt von Corona zu analysieren – jenseits von Geheimplänen und blinder Gefolgschaft. Im Folgenden ein Kennstduschon:

Der Begriff "Heimat" oder Abwandlungen davon gehören definitiv in die politische Debatte – wobei mir weniger aufgeladene Synonyme lieber wären. Den Kern der rechten Heimatbesoffenheit bildet aber durchaus eine Kritik – ein sich Abgrenzen von dem, was Politik mit unserem Zuhause anstellt. Das kann wütend sein oder kitschig, rückwärtsgewandt und fremdenfeindlich; es kann aber auch bedeuten, dass man sich für das Bedürfnis nach einem Minimum an Ruhe und Geborgenheit einsetzt, das niemandem mehr bleibt, wo der Kapitalismus die Menschen zu reinen Funktionsträgern degradiert.

Ich habe neulich noch die Geschichte gehört von einem Fußballprofi, es mag in den 70ern gewesen sein, der im Stahlwerk gearbeitet hat und dort auch gar nicht weg wollte. Vielleicht ebenfalls eine Legende, aber es deutet an, was sich hinter dem Komplex "Heimat" verbirgt. Man gehört dazu. Man kennt sich aus, hat sein Standing, ist ein Teil davon. Man wird geboren, lebt und stirbt irgendwo. Niemand macht es einem streitig. Dafür stellt sich mancher sogar freiwillig vor einen Hochofen.

Dazugehören

Es war in früheren Jahren den Karrieristen und bestimmten Berufen vorbehalten, geschäftlich nicht nur unterwegs zu sein, sondern auch regelmäßig den Wohnort zu wechseln. Diesen Deal konnte man eingehen oder nicht, die Meisten betrafen derlei Möglichkeiten gar nicht. Nomadentum (und Monadentum; Witz für Auskenner) war ein selbst gewähltes Schicksal, das mit höherem Einkommen vergolten wurde, und selbst diesen Menschen blieb die Möglichkeit, irgendwann zurückzukehren. Man hatte gemeinhin einen Beruf, einen Betrieb und Kollegen, die man kannte.

Inzwischen verlangt uns die große Maschine längst totale Mobilität ab, und zwar ohne Gegenleistung. Im Gegenteil wird gerade den Arbeitenden Armen vorgeschrieben, was sie zu arbeiten haben, wohin sie dafür zu gehen haben und dass sie das auch gegen minimale Bezahlung müssen. Wer in einer Großstadt wohnt, die nicht gerade verkommt, wird aus der Innenstadt vertrieben, und selbst an den Stadträndern arbeitet man hauptsächlich für den Vermieter. Wer dieses Elend noch nicht erlebt, der weiß, dass es ihm droht. Das ist Gesetz, das sagt sogar die Partei für Soziale Gerechtigkeit®.

Millionen hinterlässt das frustriert, wütend, ängstlich und mit dem diffusen Bedürfnis nach ein bisschen sozialer Sicherheit. In dieses Bedürfnis grätscht die Rechte mit Bildern von stolzen Deutschen in schöner Landschaft hinein, die sich gegen die fremde Bedrohung wehren. Diese wiederum hat eine Hautfarbe. Das ist konkret, das kann man anfassen, darin kann man Frust und Wut kanalisieren. Was es nicht kann, ist die Wirklichkeit begreifen und die Bedürfnisse auch nur annähernd real befriedigen.

Welches Problem?

Die Linke hat hier überhaupt keine Konzepte. Die pseudolinken Kinder der besser situierten Mittelschicht kämpfen für eine ideale Welt, in der ihre Probleme durch Vorschriften und Verbote gelöst werden sollen. Diese Probleme betreffen die überwältigende Mehrheit der Menschen gar nicht. Zu den Bedürfnissen der Mehrheit aka Unterschicht, die sich in den o.g. Bildern und Scheinlösungen äußert, fällt ihnen schlicht überhaupt nichts ein. Dabei wären gerade regionale Konzepte, greifbare Solidarität und ein konkretes Miteinander eine politische Ebene, auf der man etwas bewegen kann, und zwar nachhaltig.

Was fehlt, sind sowohl Ideen als auch vor allem Organisationen. Arbeitervereine, Gewerkschaften, Betriebsräte, waren darauf angewiesen, dass sie vor Ort und allgemein abbildeten, was sich in der Unterschicht tat. In einer Welt voller Betriebe mit festen Belegschaften waren sie eine Macht. Als Tarifdealer in einer abstrakten Arbeitswelt, in der sich niemand mehr (aus)kennt, sind sie nur ein Rad unter vielen. Ihre Vertreter wohnen auch nicht mehr nebenan, sie haben ein Büro in der Stadt.

Es braucht gegen den Druck in die Vereinzelung neue Formen der Begegnung und der sozialen Bindung. Man muss sich treffen und miteinander sprechen. Der Trend geht hingegen in die Eiswüste einer Isolation, die uns als "Digitalisierung" auch noch wie ein Segen verkauft wird. Die Pseudolinken verbieten derweil das Rauchen in Kneipen, damit die Asis in ihren Käfigen bleiben. Ich ahne dennoch in diesem Sog einen Ansatz zum Gegenteil. Wir können nicht allein leben. Diese Einsicht bricht sich auch und gerade Bahn im Gedusel um "Heimat". Ein Gegenkonzept muss Formen gegenseitiger Fürsorge anbieten, die nicht in "Sozialreformen" besteht, sondern in konkreter gegenseitiger Unterstützung.

 
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Die alten Gegner der Linken und ihre Ideologie werden heute von einem Liberalismus bekämpft, der weder etwas Substanzielles gegen Nationalismus einzuwenden hätte, noch gegen Identität oder Religion. Im Gegenteil hat er 200 Jahre lang diese Ressourcen ausgenutzt. Sie sind aber dem atlantisch-neoliberalen Lager derzeit zuwider, weil die aktuelle Herrschaft eine atomisierte Gesellschaft bevorzugt.

Nation, Glaube, Identität stehen für das Bedürfnis nach Gemeinschaft. Gegen Russland wird auch dieses Bedürfnis bekämpft, da sich das reaktionär-religiöse Menschenbild für beide Seiten als ideologische Basis anbietet. Während es aber im Osten Identität stiftet, zerfällt diese im Westen. Identitäre sind hier inzwischen großenteils 'Linke', die in Wokeness, Naturmedizin, Diversität (wie paradox!) und dergleichen zerfasern.

Amen Halleluja

Die Basis dieser Front ist ein kaum sublimierter Protestantismus. Seelenheil erwirbt man sich nur im Diesseits, durch gnadenlos richtiges Leben. Selbstdisziplin ist gefragt, es kann gar nicht genug Normen und Vorschriften geben, die einzuhalten den guten Menschen ausmacht. Gleichzeitig entsteht automatisch ein Böses, von dem man sich abgrenzt. Das ganze Leben ist durchmoralisiert.

Schon immer war die katholische/orthodoxe Gemütlichkeit ein Kontrastprogramm zur Askese ohne Aussicht auf Sicherheit. Wir sind alle Sünder, daher sündigen wir. Dann gehen wir beichten und danach kippen wir uns beim Frühschoppen einen hinter die Binde. Der Protestant hingegen muss dauernd alles richtig machen und weiß trotzdem nicht, ob er gut genug ist. Er kann dafür immer welche finden, die ganz sicher schlechter sind und sich an denen moralisch abreagieren.

Die dem Kapitalismus angepasste Form dieser Moralität ist kaum mehr direkt religiös. Das Gutmenschentum hat sogar die Sexualmoral auf den Kopf gestellt und das ehedem Perverse für heilig erklärt. Mit dem Rassismus verfuhr es ebenso. Die größte Errungenschaft für den Kapitalismus ist dabei die der Ideologie innewohnende Atomisierung. Es gibt jetzt 80 Gender. Wer an zwei Geschlechter glaubt, ist rechts. Die Mehrheit der alten Weißen ist sowieso Abschaum.

Jeder gegen jeden

Das Ganze ist derweil voll kompatibel auch mit Antikommunismus. Derselbe, Antireligiosität (meint: gegen traditionelle Religion) und Antinationalismus entspringen derselben kapitalistischen Herrschaftstechnik, den Pöbel zu entsolidarisieren. Die Restlinke im Westen schließt sich dem aus einer freidrehenden Pseudoaufklärung an. Jeder hat seinen Platz und seinen Wert im System, das als solches alternativlos wirkt. So alternativlos, dass es gar kein Thema mehr ist.

In der Auseinandersetzung der kapitalistischen Kriegsparteien, ihrer jeweiligen antiaufklärerischen und reaktionären Konzepte dürften dabei China, Indien und Russland deutlich stabiler davonkommen als der Westen, der die Aufklärung und den Laizismus endgültig vergeigt hat. Die Entsolidarisierung kommt dem kapitalistischen Verwertungsprozess nur so lange zugute, wie er stabil ist. In Krieg und Rezession aber beschleunigt sie den Niedergang.

 
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Vor Jahren schrub ich:
Ein wenig Verstand könnte Abhilfe schaffen um zu begreifen, was gerade diejenigen auszeichnet, die abends nicht ins Bett kommen und morgens nicht heraus. Es gibt unterschiedliche Gründe, warum sich ein halbwegs gangbarer 24-Stunden-Rhymthmus einstellt, der eben nach hinten verschoben ist.

Vor allem ein Phänomen ist für mich aber das interessanteste, nicht zufällig, da es mich selbst betrifft. Seltsamerweise sind 24 Stunden einfach nicht genug. Am Wochenende, das kenne ich seit meiner Kindheit, werden die Tage und Nächte länger. Freitags geht es später ins Bett, samstags viel später raus. Samstagnachts wird es dann gern noch einmal später und sonntags wird bis mittags geschlafen.

Arhythmie

Aus einiger Erfahrung mit einem krisenhaften Leben erscheint mir das aus heutiger Sicht nicht bloß ein anderer Rhythmus zu sein. Es ist vielmehr doch Faulheit. Wer aber hätte sich je mit der Genese der Faulheit befasst? Dazu sind diejenigen, die Menschen mit ihrer vermeintlichen Faulheit identifizieren, noch immer zu faul gewesen. Holen wir das endlich nach:

Kern der Faulheit ist eine andere Form der Einsicht. Sie darf sich erstens mit Recht so nennen, weil sie die Dinge durchschaut. Sie ist häufig mit höherer Intelligenz gepaart. Grabe du mit den Händen, ich erfinde erst die Schaufel und dann den Bagger. Sei du fleißig, ich verzichte auf diese Form von Anerkennung. Ich weiß, was ich kann, beuge nicht das Knie und lasse mir nicht das Köpfchen tätscheln.

Deprimierend dumme Maschine

Es gibt aber noch einen anderen Aspekt, der damit in enger Verbindung steht. Wenn man erkennt und durchschaut, sind Belastungsstörung und Depression nicht weit, und die gehen ähnlich. Man kommt nicht rein in den Schlaf und nicht raus, kann sich kaum motivieren und die einfachsten Tätigkeiten kommen einem vor wie ein Marathonlauf.

Das wiederum ist eines dieser Signale, die protestantisch gehirngewaschene Menschenfreunde brauchen, um über das Pack herzufallen, das es selbst schuld ist in seiner Überheblichkeit, das sich weigert, seinen von Gott gegebenen Platz einzunehmen und artig zu spuren. Selbstdisziplin und Gehorsam sind gefragt, nicht Eigensinn und Renitenz. Kreativität ja, aber in geordneten Bahnen! Dann geht auch Irgendwasmitmedien®, und zwar staatstragend, wie sich das gehört.

 
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Das generische Maskulinum ist ihnen spinnefeind. Die Unfähigkeit, sich auch nur vorzustellen, dass eine Form alle Menschen meint, ist die Eintrittskarte. Es darf diese Form nicht geben, weil es sie bereits gibt und sie eben in wichtigen Bereichen Maskulinum ist. Für eine einflussreiche halbgebildete Peergroup in Medien und Politik (das, was von der Uni gleich in die entsprechenden Bereiche verklappt wurde und dort seinen Fanatismus auslebt) ist alles 'Männliche' ausdrücklich "giftig".

Die Person, das Subjekt, der Mensch – die Sprache nimmt in ihrer generischen Gestaltung keine Rücksicht auf natürliche Geschlechter. "Sie" ist nicht fraulich, "er" nicht männerhaft und "es" keine Sache. Das ist jedem klar, der sich ernsthaft und wissenschaftlich mit Sprache befasst. Wem die Ideologie wichtiger ist, darf hingegen die Inkompetenz pflegen, das nicht zu wissen.

Kapitalismus pur

Alte weiße Männer sind das Feindbild dieser Ideologen, ein solches ist ihnen offenbar unverzichtbar. Identitäre Konstrukte (Binnen-I, Sternchen, Unterstrich, Doppelpunkt, LBGTQI+UKWMfG) sind ersichtlich gescheitert und taugen nur dazu, nach der Art von Schauprozessen Abweichler zu markieren. Es geht darum, die Moral der Peergroup allen Sprechern und Autoren überzustülpen.

Das Konzept will Menschen entrechten, anstatt endlich Gleichheit zu schaffen. Es geht um Kategorien, in die man Menschen einordnet: Rassen, Sexualität, Geschlechter, Altersgruppen. Das haben wir aber alles längst. Linke haben einmal ihr Leben dafür eingesetzt, das zu ändern. Heute nennt sich ein neuer Rassismus "links", weil er den der Rechten auf den Kopf stellt.

Es ist im Kern eine Kopie kapitalistischer und vorkapitalistischer Herrschaftsformen. Es ist ein Herrschaftskonzept. Obendrein sind die Protagonisten so blöd, nicht zu erkennen, dass sie damit Herrschaft zementieren und die bestehende als solche anerkennen. Auch hier triumphiert die Dummheit der Moral: Das 'Gute' soll gewinnen, anstatt endlich die Dualität von Gewinnern und Verlierern zu durchbrechen. Es ist eine Ausgeburt der Konkurrenz, der kapitalistisch geheiligten Ungleichheit.

 
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Was ich bislang noch gar nicht in der gebotenen Deutlichkeit gesagt habe, weil die Moralisten mit ihrem Gebrüll alles Andere in die Defensive drängen: Was ihr da treibt, ist nach euren eigenen Maßstäben Beihilfe zum Massenmord. Schlimmer noch: Ihr tut euer Bestes, um die ganze Spezies auszulöschen, aus niederen Motiven.

Was ihr für Ideale haltet in eurer Selbstgerechtigkeit, verlängert einen Krieg, erzeugt tausende Opfer und birgt das realistische Risiko von Milliarden Toten. Das ist im Gegensatz zu euren Szenarien, die stets das Heilige der Wirklichkeit vorziehen, inzwischen erschreckend realistisch. Freiheit oder Tod, ja? Russland darf nicht gewinnen, das ist das vornehmste aller Ziele. Als sei das ein Fußballspiel.

Für Gott und Vaterland

Ich will einmal beispielhaft für viele idiotische Einlassungen zum Thema Folgendes zitieren: Auf die Folgen der Kriegsverlängerung hingewiesen ("folglich wollen sie weiter kämpfen und scheinen zu glauben, den Krieg "gewinnen" zu können. Das ist eine zynische Politik, der Menschenleben egal sind – von beiden Seiten") antwortet ein Diskutant ernsthaft:

"Definiere "vorbei". Vorbei im Sinne von Russland ist jetzt um eine Ukraine größer? Soll das so sein? Fänden die Ukrainer|innen das cool? Und was käme als nächstes? Alle Nicht-NATO-Staaten mit Grenze zu Russland werden ebenfalls "eingemeindet"? Ich weiß nicht, aber das kommt mir kein Stück weniger zynisch vor."

Schon die Sprache ist so infantil, dass es einen graust. Ob jemand das "cool" finde, sei hier die Frage angesichts ja genau der Verbrechen (es gibt keine Kriegsverbrechen, der Krieg ist das Verbrechen), die solche Hanswurste in ihre Moralpredigten einbauen. Es soll weitere tausende Opfer geben, für die Gerechtigkeit.

Frieden und Freiheit

Die Möglichkeit einer Kapitulation wird von diesen Kriegstreibern kategorisch ausgeschlossen. Die einzige Möglichkeit, die weiteres Sterben verhindert und die Eskalation beendet, wird aus moralischen Gründen für unmöglich erklärt. Ergänzend folgt stets das 'Argument', das Böse würde dann ja weiteres Böses tun. Wie blöd muss man sein, wie ignorant gegen Fakten, (Vor-)Geschichte und politisch/ökonomische Interessen?

Ihr mit eurer Moral befeuert einen Krieg, dessen Ausgang von vornherein feststeht. Der Irak wurde von den USA mit einem brutalen Angriffskrieg überzogen, dessen Anlass eine Propagandalüge war. Hat der Aggressor sich von der Gegenwehr beeinflussen lassen? Interessiert es die Befehlshaber, wie viel ihres Menschenmaterials sie dabei verbrauchen? Ihr wisst, dass eure Moral eine Lüge ist.

Die Folgen sind noch insofern unklar, als dass man nicht weiß, ob diese militärische Phase eines Wirtschaftskriegs zur Auslöschung der Menschheit führt. Eure Unterstützung für die Verlängerung und Eskalation des Krieges aber ist Beihilfe zum Massenmord. Das folgt aus einer moralischen Sicht, wenn sie die Fakten nicht für ihren Hokuspokus ausblendet: Sie selbst ist ein Verbrechen.

 
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Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen schmeißen. WHATABOUTISM!! Eigentlich könnte ich es dabei bewenden lassen und das Thema unter "isso" ablegen. Da mir aber zuletzt Heerscharen halbgescheiter Diskutanten damit auf den Ranz gehen, widme ich mich dem einmal eingehender.

Schon der Begriff ist eine Chimäre, die von den Kalten Kriegern des Westens als Vorwurf gegen das Böse aus dem Osten kreiert wurde. Das Ritual ging so, dass Westen in seinen ausschließlich Freiheit, Gerechtigkeit und Weltfrieden dienenden Kriegsbemühungen der anderen Seite stets mit der Menschenrechtsfrage kam, und die machte dann darauf aufmerksam, dass sie sich nicht von brutalen Rassisten belehren lassen wollte, wie sie wen zu behandeln hätte.

Selber, selber!

Die Kunst des Gegenvorwurfs muss man nicht "Whataboutism" nennen, im Gegenteil. Schauen wir uns doch mal an, wie der funktioniert und warum sich nicht jeder von jedem alles anhören muss, am besten in einer Grundschule, in der die eigenen Missetaten von Schülern gern mit denen der anderen 'gerechtfertigt' werden.

Einer wird erwischt, wie er einem anderen den Stiefel gibt, und hält es, darauf angesprochen, für ein valides Argument, das sei schon so in Ordnung, weil ein anderer auch schon einmal mit Händen und Füßen sein Recht erstritten habe. Nein, Kollege Bratwurst, das ist kein Grund. Anderenfalls wäre die Sache mit Kain und Abel ja der Freibrief für Mord und Totschlag. Kann man nicht so machen.

Wenn hingegen nun einer, der selbst gerade eine Oma vor den Bus geschubst und einen Kinderwagen umgetreten hat, härteste Strafen fordert gegen jemanden, der sein Kind ohrfeigt, dann ist es völlig okay, wenn man dem einen Vogel zeigt. Er hat sich für Forderungen im Sinne von Regeln, Sitten und Moral disqualifiziert. Obendrein fällt die Asymmetrie auf: Verführe man so mit den Regeln, müsste er für den Rest seines Lebens im Knast schmoren.

Totschlag für Totschlag

Dies als "Whataboutism" zu bezeichnen, ist falsch, tendenziös und dämlich. Und wenn, um das in den aktuellen Zusammenhang zu setzen, die Angriffskrieger von Vietnam, Irak, Jugoslawien und Afghanistan – um nur einige der Top-Hits zu nennen – im Verband mit ihren willigen Mordkumpanen hysterisch nach mehr Krieg und Sanktionen brüllen, dann kann man nicht, dann muss man ihnen sagen, sie sollen sich ihre unerträgliche Heuchelei dorthin schieben, wo keine Sonne scheint.

Die Chimäre, die stets mit dem Auftrag "Gehe hin und schlachte alle Argumente; lasse keines am Leben!" in Diskussionen geschickt wird, taugt auch in keinem anderen Zusammenhang. "Whataboutism" ist schlimmer als Whataboutism. Es reicht hie der Hinweis, dass ein Unrecht kein anderes rechtfertigt, was aber da kein Grund ist, Konsequenzen nur für andere zu fordern. Wie banal!

 
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Ein wichtiges Element der Religiosität, das sie von reiner Ideologie unterscheidet und sie sehr viel wirksamer macht, ist das aktive Tun bzw. Mittun. Im Sinne der Erlösungs- und Heilslehre werden rituelle Handlungen begangen, die auf magische Weise das Heil herbeiführen, so etwa Frieden durch Frieren. Erst das Tun festigt den Glauben.

Wie bereits erwähnt, liegt dem Verzicht derlei Magie inne, da mit diesem ja ein Sich-Verdienen verbunden ist. Eher noch höher einzuschätzen sind rituelle Handlungen, die mit Mildtätigkeit einhergehen. Altruismus erhöht die Wahrscheinlichkeit höherer Gnade, freilich nur dort, wo es den Guten dient. Das Böse und seine Anhänger gehören ja bestraft, wo nicht vernichtet.

Kollekte und Bekenntnis

Des Weiteren begeht man durch Betrachten und Anhören der heiligen Veranstaltung einen gemeinsamen Akt, wobei einer der Höhepunkte – der auch dem sozialen Status dient – die Kollekte ist. Man gibt den unschuldig Armen und Bedürftigen im Sinne der gemeinsamen religiösen Ziele: Mehren des Guten und Wehren des Bösen. Dies funktioniert in der kirchlichen Messe exakt wie bei der Spendengala.

Auch die Insignien dürfen nicht fehlen. Fisch, Kreuz, Halbmond, Sonnenrad – wie es euch gefällt. In Deutschland verbindet man das gern mit gemeinsamem Gesang und Beflaggung im und auf dem Weg ins Stadion. Politisch sind die Landesfarben aus ritueller Scham weniger beliebt. Umso losgelassener folgt man bei Gelegenheit anderen Farbkombinationen, aktuell Blau-Gelb.

Ganz vorn in der Liste religiöser Elemente steht in der Labergesellschaft zweifelsohne das Bekenntnis. Man legt es feierlich ab, steigert sich gemeinschaftlich zum Pathos über das Gute und einzig Wahre und macht sich auf die Suche nach Abweichlern, Zweiflern und Ketzern. Je nach Hormonfüllstand geht das als Appell, Forderung, Sachbeschädigung oder Lynchmord. Die diesbezüglichen Traditionen sind seit Jahrhunderten ungebrochen.

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