narrativ


 
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Da bildet sich wer ein, er könne mir auf Zuruf ein Thema diktieren? Hat geklappt. Die Frage ist also, woher der Russenhass komme. Zunächst einmal: Es ist gar kein Russenhass. Später lernen wir dann, dass es gar nichts anderes sein kann als Russenhass.

Er hat vor allem eine Funktion, nämlich in der Echokammer der extremen Mitte die der Projektionsfläche für alles Böse. Das hat sich seit der Vorzeit nicht geändert und ist aus dem Mittelalter und vor allem aus der reaktionären Religiosität der Neuzeit bekannt. Ketzer- und Hexenverfolgung haben schon genau so funktioniert.

Später waren es in Deutschland zunächst Franzosen – als ewiger Kriegsgegner "Erbfeind" – und Juden, weil sie eben keine Christen waren und vor allem die Protestanten einen Sündenbock brauchten. Die Nazis haben das zum Wahn gesteigert und das Feindbild der Bolschewiken hinzugefügt. Letztere sind bis heute für Halbhirne, die Feindbilder brauchen, von der größten Volksgruppe der Sowjets und deren Rechtsnachfolger nicht unterscheidbar. Es sind eben 'Russen'.

Seelenlos, grau, brutal

Nach dem Zwoten waren die weiterhin ein stabiles und vor allem erlaubtes, gar gefördertes Feindbild. Moskau als Zentrale des Weltkommunismus konnte weiterhin ungebrochen für die Deutschen so fungieren und war für den Westkapitalismus unter Führung der USA der Feind und Systemgegner. Die Erfahrungen von Wehrmachtssoldaten in sowjetischer Kriegsgefangenschaft wurden mit der Propaganda des Kalten Krieges verrührt.

Und ja, die Produktionen Hollywoods spielen eine sehr große Rolle im Fortgang des Narrativs, wie ich auch u.a. in "Das Deutsche Narrativ" darlege. Es ist schlicht klassische Konditionierung, wenn 'Russen' tausendfach als seelenlose Folterer dargestellt werden. Dabei fällt schon auf, dass es in dieser Plattheit gar keine anderen Sowjetvölker gibt.

Das geht prima bis heute, so in der Serie "For All Mankind", die eine gewaltiges Potential eines Plots hat, das in einer alternativen Gegenwart spielt (die Russen sind als erste auf dem Mond). Sie sind halt trotzdem graue folternde Erpresser – und die Nordkoreaner installieren gar die totale Überwachung ihrer Kosmonauten auf einer internationalen Raumstation. Das ist keine Satire, nein.

Der gute Ukrainer

In der schrumpfenden Echokammer der radikalen Mitte geht es nur noch mit primitivster Propaganda, und die braucht Feindbilder. Der Russe ist hoch im Kurs, der Islamist hat gerade Pause und der Chinese bleibt in der Pipeline. Letztere beiden taugen aber nur zum Schüren von Angst, weil der Wertewesten und seine deutsche Zentrale eben nicht entsprechend auf Hass gegen diese Gruppen konditioniert sind.

Der bräche übrigens schon an der einfachsten Prüfung des Narrativs. Gibt es gute Russen? Vielleicht den Entstalinisierer Chruschtschow? Oder den Befreier Gorbatschow? Vielleicht. Da wären aber dann immer noch das Monster Stalin und der Prototyp des gnadenlosen russischen Apparatschiks, Leonid Breschnew, der Schlächter von Prag, Unterdrücker der Polen und Zuchtmeister des Warschauer Pakts. Jahrzehntelang prägten diese Russen ein grausames Regime.

Okay, ich löse auf: Stalin war Georgier, Breschnew Ukrainer. Der Popanz taugt halt nur als Schreckgespenst, eine klassische Projektionsfläche eben, wenn es gerade passt. Viele Jahre vor dem ukrainischen Nazi Melnyk hat noch ein Russe im Deutschen Bundestag Standing Ovations genossen: der aktuelle Antichrist.

 
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Identitäre mögen Fantasy, weil es da noch einfach und geordnet zugeht: Fantasy, das ist Pferde, Schwerter, Burgen und Fabeltiere. Und im Norden ist es immer kalt. Verkitschtes Mittelalter, europäische Gemütlichkeit und ein Kult der Härte, wo das Wetter eben immer grimmig ist, und egal, auf welchem Planeten oder in welcher Parallelwelt das stattfindet, es ist eben wie im Wertewesten, als die aus Süd und Ost noch Barbaren genannt werden durften.

Die komplexe postmoderne Welt überfordert die Menschen. Die Anpassungsprozesse sind stets in Beschleunigung begriffen. Nehmen wir mal die Arbeit: Die 40er Jahrgänge hatten noch einen Job fürs Leben, die 50er mussten am Ende ihres Arbeitslebens noch einmal umlernen, die 60er/70er kennen nur mehr Unsicherheit und die später Geborenen machen sich keine Vorstellung mehr davon, wie ihr Leben in zehn Jahren aussehen wird. Da braucht es Orientierung, und die findet man wohl am Besten in radikaler Weltflucht.

Wo Gott dich hinstellt

Hartmut Finkeldey (Grüße!) hat einmal wunderbar auf den Punkt gebracht, was Konservativismus ausmacht: "Alles ist an seinem Platz." Jeder weiß, wohin er gehört und stellt das nicht infrage. Niemand muss nach Höherem streben und keiner wird gestürzt (es sei denn, er bedroht die Ordnung, indem er sich an ihr versündigt).

Die Identitären von rechts bis pseudolinks haben das inhaliert. Rechts ist der Revanchismus und die Restauration, die Pseudolinken stellen eine neue Hierarchie auf, aus der ebenfalls kein Entrinnen ist. Hie die Guten, die Opfer, da die bösen Täter. Wird ein bisschen komplizierter, wenn definierte Opfergruppen in Konflikt geraten, aber da diese Ideologie sich in keiner Praxis bewähren muss, kann sie nach belieben zündeln und weiterziehen, bis sie sich endlich überall unmöglich gemacht hat.

Dabei profitieren diese identitären Strukturen vom Bedarf der Neocons und Neoliberalen, der Kapitalisten und Kriegstreiber, die es gern moralisch und unumstößlich haben. Jeder an seinem Platz: Die Guten, die Bösen, die Faulen und die Leistungsträger. Die Ordnung ist gottgewollt oder doch zumindest aus der Warte höherer Gerechtigkeit in Kraft. Kein Zweifel, keine Differenzierung.

Zu viel Stress

Wo die Moderne mit ihren tief in die Geschichte reichenden Erzählungen gescheitert ist, weil alle die Ziele, alle die Enden der Geschichten, sich als unzutreffend erwiesen haben, hat sich nicht etwa ein Materialismus durchgesetzt, der seinerseits auf ein Ende der Geschichte verzichtet hätte – wie etwa ein Marxismus ohne das Versprechen einer Befreiung des Proletariats.

Es hat sich kein wissenschaftlicher Blick etabliert in der öffentlichen Wahrnehmung, die Frage nach dem, was ist, wie es wurde und welche Optionen sich daraus ergeben. Das würde ja in permanenten Stress ausarten. Vielmehr hat sich Narrativ noch von Historie getrennt und erzählt uns wieder was vom Pferd. Folgerichtig ging Journalismus längst vom Storytelling zum Fairytaling über.

 
ef

Die USA haben für ihre politischen Interessen ganz selbstverständlich auch die (jüngere) Geschichte ausgebeutet und das Narrativ des Siegs der Guten gegen die Bösen aufgesetzt. Die Blaupause des Naziregimes, seinerseits Zeiterscheinung und auf vielen Ebenen einen extremer Sonderfall, diente fortan als Projektion aller Feinde des 'Westens'.

Das Nazireich hatte Besonderheiten, die sich erstklassig für jedes Greuelmärchen eigneten: Es war extrem hierarchisch aufgebaut, der Treueeid wurde auf den Führer persönlich geleistet, der der allmächtigen Partei vorstand. Die Gewaltenteilung war de facto aufgelöst. Alle staatlichen Institutionen dienten der Partei und ihrer kruden Ideologie.

Schnittmuster

Die Medien waren nicht nur gleichgeschaltet, sondern das beherrschende Massenmedium (Radio) erstens neu und zweitens ganz in der Hand des Regimes. Folgerichtig wurde im Krieg dann auch schon das Hören fremder Sender schwer betraft. Die Todesstrafe wurde willkürlich verhängt. Zudem zeichnete das Regime ein historisch einmaliger Vernichtungswille und dessen Umsetzung aus. All diese kumulierenden Effekte hatten jeweils benennbare Gründe; um ein Narrativ aufzusetzen, ist es aber angezeigt, diese zu verschleiern und nur die Erscheinungen zu nutzen.

Nach dem Sieg über die Nazis – deren Personal fast vollständig übernommen wurde, um die BRD unter Kontrolle zu bringen – wurde also der Schrecken der Naziherrschaft jedes Mal heraufbeschworen, wenn es galt, einen Krieg zu rechtfertigen. Die Projektion unfassbarer Greuel eines diktatorischen Regimes mit einem sadistischen Herrscher, das aus Vergnügen quält und mordet, wurde zum beherrschenden Muster. Projiziert wurde dieses zunächst vor allem auf kommunistische Feinde, später auf muslimische, aktuell auf Russland. Das US-Regime sorgte u.a. dafür, dass die großen Medienproduzenten (Hollywood, TV-Serien) solche ideologisch aufgeladenen Muster bedienten.

Ende der Geschichte

Betrachtet man im Gegensatz dazu Russland bzw. die Sowjetunion und deren Propaganda, hat man dort das Dritte Reich als Endstufe des Kapitalismus betrachtet und es versäumt, propagandistisch ein haltbares Narrativ dazu zu kreieren. Der Feind war nicht eine Erzählfigur, er hatte auch kein Gesicht; er war der abstrakte Imperialismus mit seinen ausführenden Mächten im Westen. Obendrein war das Gute das Kollektiv. Nicht Super-Vladimir war der Held, der für seine Taten bewundert wurde, sondern der Sozialismus, für dessen Sieg alle Anstrengungen unternommen wurden. Spätestens nach dessen Fall musste erst ein passabler Nationalismus entwickelt werden, der an dessen Stelle treten konnte.

Nach dem Ende des Kalten Krieges hatte das neue Russland weder ein Feindbild zur Verfügung, noch eine Strategie, die eines solchen bedurft hätte. Eher nationalistisch als imperialistisch orientiert – Russland hatte sehr mit sich selbst zu tun, um sich neu aufzustellen, im Kapitalismus anzukommen und neue Hierarchien zu bilden – reagierten die Russen erst spät auf die vom Westen immer wieder zurückgewiesene ausgestreckte Hand. Bis heute gibt es nicht einmal ein festes Feindbild für NATO und EU. Es nützt einfach nichts in einer Zeit, in der sich die Weltpolitik ohnehin vom Imperium abwendet. Die rituellen Nazivergleiche perlen derweil ab. Das sind Märchen vom Westen für den Westen.

 
ef

Vor allem in Deutschland mit seiner extrem engen Medienöffentlichkeit hat man nicht einmal ansatzweise verstanden, was "Diktatur" bedeutet. Der Trend zur Verkindlichung des Publikums steigert diese Inkompetenz noch ins Bodenlose, wo die politische Mittelschichtsmitte nur mehr Märchen erzählt, der Journalismus vom Storytelling zum Fairytaling übergegangen ist.

Die Sucht zur Projektion sitzt tief. Hitler, das absolute Grauen, lugt an allen Enden aus dem Narrativ, mitsamt seiner grausamen Bande, die Deutschland überfallen und zum Weltkrieg gezwungen haben. Das absolut Böse, das niemand kommen sah und erst vom weißen Ritter besiegt wurde, dem Guten, dem alle seitdem Dank schulden.

Diesmal hellwach

Das nächste Mal sind wir wachsam. Wo immer in der Welt Hitlers und ihre grausamen Banden auftauchen, um Auschwitze zu machen und Weltkriege anzuzetteln, treten wir ihnen entgegen: Milosevic, Saddam, Gaddafi, Assad, Putin, Lukaschenko, Xi. Sie sind Diktatoren. Ihnen gehorcht ihr ganzes Land. Sie befehligen grausame Banden, die morden, foltern und vergewaltigen. Gegen sie kämpft die Bundeswehr mit der NATO für Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit.

Das ist bis hierher kein Stück übertrieben. Der implizite Befehl lautet: Lass dich berieseln, tauche ein in die Erzählung, stelle keine Fragen, schau nicht aus dem Fenster. Jede Abweichung davon entlarvt diesen Mist als eine Beleidigung jedes Intellekts. Nazis in der Bundeswehr, Angriffskriege der NATO mit Millionen Toten, Geostrategie, Kapitalinteressen, Think Tanks, Medieneigentum, Parteienherrschaft – das muss alles ausgeblendet werden.

Vor allem aber herrscht eben die Projektion. Was die Nazis waren und was über sie erzählt wird, wird allem übergestülpt, das der Wertewesten als Feind erkennt. Dass selbst wirklich mächtige Politiker wie Xi oder Putin keine knallharte Hierarchie einer kriegerischen Ordnung befehligen, sondern komplexen Staaten mit all ihren Instanzen, Interessensgruppen und gewachsenen Strukturen vorstehen, stört die Erzählung nur.

Antichrist

Nur so bleibt die Erzählung eindimensional. Nur so können die Interessen und Entscheidungen von Staaten, ihren Kapitalen und Apparaten personalisiert werden. Nur so kann das Ammenmärchen von Schurken und Helden, Guten und Bösen funktionieren. Alles andere, jede erste Differenzierung, würde zwingend zu komplexen Betrachtungen, Relativierungen und schwer verständlichen Analysen führen.

Der ausdrückliche Feind dieser Märchenerzählung ist daher auch die Relativierung. Gegen sie wird ein Tsunami an Moral aufgetürmt, eine Welle, die alles unter sich begräbt, was nicht absolut gut oder absolut böse ist. Die Projektion der Diktatur, die keiner Überprüfung in der Wirklichkeit standhält, ist dabei so wichtig, weil nur sie die Figur der bösen Allmacht ermöglicht. Der je aktuelle Hitler ist der Teufel. Mit ihm spricht man nicht. Ihn treibt man aus.

 
ddnAus aktuellem Anlass poste ich noch einmal die Linkliste zum Buch, weil sie nicht im Archiv verstauben sollte. Bei der Gelegenheit sei der Schmöker auch noch einmal beworben. Er ist zeitlos und formschön.

Ich will weiterhin Quellen sammeln, die zu Hintergründen dessen führen, was im Buch zur Sprache kommt. Sie sind weder vollständig noch ausgewogen und vorläufig auch weitgehend unsortiert. Das kann sich im Laufe der Zeit ändern. Es sind auch schon welche dabei, die ich noch nicht berücksichtigt habe.
In den Kommentaren können weitere genannt werden, die ich ggf. mit aufnehmen werde. Wohlan!

Alle Blogartikel: hier.

 
Bücher:
Heinrich Hannover: Die Republik vor Gericht 1954-1975; Aufbau-Verlag 1998
OMGUS. Ermittlungen gegen I. G. Farbenindustrie AG – September 1945; Greno 1986

Links:

Journalismusforschung:"Ganz auf Linie mit den Eliten" | Telepolis
Dokument: Rede: Ernst Nolte: Die Vergangenheit, die nicht vergehen will. Eine Rede, die geschrieben, aber nicht gehalten werden konnte
Geheimdienstakten zum Oktoberfestattentat bleiben geheim | Telepolis
NSA-Untersuchungsausschuss: Abgeordnete halten BND-Akten für manipuliert | ZEIT ONLINE
Bundestag Inquiry into BND and NSA
NSA-Überwachung: Feigheit vor dem Freund | ZEIT ONLINE
War Strauß Agent des OSS? | Telepolis
Komitee für unamerikanische Umtriebe – Wikipedia
Gehlen jagt ein Phantom | Telepolis
(nicht) Verurteilte NS-Verbrecher
Geschichte: Der BND und die dunkle Geschichte der Nazi-Seilschaften
Historikerkommission: BND vernichtete Personalakten früherer SS-Leute – SPIEGEL ONLINE
Der "Katzenschlosser": Eine Schlüsselfigur im Oktoberfestattentats-Rätsel? | Telepolis
Im SPIEGEL des BND | Telepolis
Deutschland: BND-Chef Gehlen plante Staatsstreich – SPIEGEL ONLINE
Nach Lektüre vernichten – Kultur – Tagesspiegel
Richard Tüngel – Wikipedia
Henri Nannen – Wikipedia
NSU-Prozesstag 80: Wortprotokoll der kompletten 3. Vernehmung von Andreas Temme am 29.01.2014. | NSU-Prozess-Blog
Evangelische Kriche akzeptiert Demokratie (1984)
Luther Nachwirkungen | Telepolis
Bundeswehr feiert NS-Helden
Konrad Adenauer :: 1946-03-24 Uni Köln
'Zigeuner' aus Sicht der BRD-Justiz
Nazis in Innenministerien
Kirche und Staat, Kirche und Politik ab 1900 (Antiklerikale Karikaturen und Satiren XXV)
Nachkriegszeit: Von Hitler zu Adenauer | ZEIT ONLINE
/Feynsinn Rückkehr zum Kapitalismus in der BRD
Das schwere Erbe des Otto Dibelius (1) | hpd
www.bundespraesident.de: Der Bundespräsident / Reden / Gedenkveranstaltung im Plenarsaal des Deutschen Bundestages zum 40. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges in Europa
15.04.2017: »Kirche wirkt systemstabilisierend« (Tageszeitung junge Welt)
Kirchen und Atomkrieg
Radikalenerlas
Der Geheimdienst der CDU
Wer wählte Hitler? 25 S. pdf Peter Borowsky /Uni Hamburg
Schröder/Blair-Papier
Lambsdorff-Papier
Destruktives Verhaltes konkurriernder Menschen/Aktienhandel | DER SPIEGEL und die Referenzstudie
DIE SPRACHE DES SPIEGEL – DER SPIEGEL 10/1957
Relotius-Artikel über die Ukraine (Telepolis)
Kirche und Militär
Christliche Atombomben
Scheidemann und das 'Ausrufen der Republik'
Luthers "monströser Gott"
Luther und Vernunft
W. Droste über Luthers Judenhass
Gewerkschaften und Marx
Ein Nazi bei der Nationalmannschaft (Hans-Ulrich Rudel 1978)
Daimler Benz und Argentiniens Junta
Noske, "präfaschistische figur"
Das Leben der Anderen – war ganz anders.
1999: Propaganda zum Angriffskrieg der NATO gegen "ein neues Auschwitz"
Linke Geschichte der BRD v. Wal Buchenberg / Marx-Forum (nur mit JavaScript)
Mythos Trümmerfrauen[Youtube, 19 min.]
Staat und Rechtsextremismus in der Bundesrepublik
Hermman Ploppa: 70 Jahre BRD- alles andere als friedliche Anfänge
Verfilzung zwischen Staatsmacht und der Neuen Rechten
(Dezent OT): Warren Buffet über Klassenampf, NYT 2006
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Reaktionen auf den Mord von Idar-Oberstein wie "Jetzt ist es soweit" halte ich für übertrieben. Irre wie der Täter werden mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auffällig, womöglich eben auch in Form von Mord. Ich will durchaus eingehen auf die Hintergründe in Form von Narrativen, zunächst aber kurz wiederholen, was ich bereits in den Kommentaren sagte:

In der Krise des Kapitalismus und allgemein Phasen der Dekadenz, des Zusammenbruchs von Ideologien, ist das zwangsläufig zu beobachten: Rückzug ins Private, rebellischer Chauvinismus und rechter Terror, gern belächelt und geduldet bis gefördert von denen, die sich am Status Quo festbeißen, der längst bröckelt. Eben daher auch alles andere als ein Zufall, dass Nazis mit den Wutbürgern marschieren. Der Mörder ist freilich ein Symptom – in der Tat ein Fall, der mit der gewissen statistischen Wahrscheinlichkeit auftritt.

Einer muss es tun

Hier erhöht sich die Wahrscheinlichkeit von Gewalttaten auf mehreren Ebenen. Die eben genannte und diejenige, die sich durch eine Atmosphäre ergibt, die (ebenfalls in den Kommentaren verlinkt) sich durch fortgesetzte Entmenschlichung ergibt. Das kann die Erzählung von der "Umvolkung" sein oder die von einer Diktatur, deren ausführende Kräfte schließlich alle sind, die für die Einhaltung geltender Regeln sorgen. Sie sind keine Mitmenschen mehr, sondern Feinde.

Dazu gesellt sich eben das Muster, geliefert von einer US-geformten Kulturindustrie, in der der einsame Rächer gefeiert wird (ggf. auch in Kleingruppen mordend), der auf seiner 'gerechten' Vendetta inzwischen im Sekundentakt den Untermenschen (sie haben seinen Hund getötet!) ins Gesicht schießt. Solche Brutalität ist zwar Teil von Fiktion, aber eben durchaus auch ein (Männlichkeits-)Ideal. Frauen dürfen das im Zeitalter von Genderneutralität auch. Je effektiver sie töten, desto mehr Respekt wird ihnen zuteil.

Fatal wirkt sich dabei der Umstand aus, dass Menschen sich zu Narrativen verhalten, nicht zu Analysen. Entscheidungen sind fast ausnahmslos eingebunden in Glauben, Vertrauen, Meinungen, mithin in über Erzählungen vermittelte Rollen. Entscheidend sind hier Autoritäten, Weltbilder (bis hin zum Wahn oder einer Märchenwelt) und Moral. Klare rationale Einsichten sind Mangelware und werden höchstens als Wertung von Autoritäten in Meinungen umgewandelt.

Helden, Schurken, Taten

In dieser Struktur gibt es Helden (Hildmann, Schiffmann, Bhakdi, Wodarg, Fuellmich) und Schurken (Merkel, Drosten, Lauterbach, Spahn). Die Helden riskieren alles, um Gutes zu tun (aufklären, Menschen retten, Freiheit erkämpfen), während die Schurken Untaten begehen (lügen, Kinder quälen oder ermorden, Diktatur errichten, Menschen versklaven). Das ist die Erzählung, die inhaltlich je nach Grad des Realitätsverlusts ausgeschmückt wird.

Wie so oft ist das auch ein Folge der Herrschaftstechniken, die sich wiederum daraus ergeben, dass der Erhalt (je)der Macht stets durch Transparenz gefährdet wird. Nicht zuletzt weiß auch die Propaganda, dass Gegenpropaganda sich der Schwächen der herrschenden bedient. Zudem hat der Kapitalismus wie die Herrschaftsformen vor ihm einen guten Grund, die Realität zu verschleiern: Er muss, um ideologisch nicht zu scheitern, seinen Kern verbergen. Der ist nämlich irrational, unethisch und in seiner Zerstörungsmacht unerreicht effektiv. So kommt eines zum anderen.